„Zwangsheirat verhindern“ Konzept für die Landeshauptstadt ... - RIS
„Zwangsheirat verhindern“ Konzept für die Landeshauptstadt ... - RIS
„Zwangsheirat verhindern“ Konzept für die Landeshauptstadt ... - RIS
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
4. Zielsetzung des <strong>Konzept</strong>s<br />
Dieses <strong>Konzept</strong> soll einen Überblick über <strong>die</strong> Situation in München geben<br />
und <strong>die</strong> Bedarfslage beleuchten. Es bietet konkrete Handlungsempfehlungen<br />
und Vorschläge zur Umsetzung der Maßnahmen, <strong>die</strong> in der Stadtratsvorlage<br />
vom März 2009 benannt sind. 13<br />
Implizit soll im <strong>Konzept</strong> eine klare fachpolitische Haltung zum Thema<br />
Zwangsheirat vertreten werden. Einerseits wird Position <strong>für</strong> Selbstbestimmung<br />
und gegen jede Art von Nötigung und Gewalt insbesondere gegen<br />
Frauen und Mädchen bezogen. Zwangsheirat darf nicht als „kulturelle Spezialität“<br />
verharmlost werden, sondern verstößt gegen <strong>die</strong> allgemeinen Menschenrechte<br />
und unser Rechtssystem. Diese Haltung ist Grundlage <strong>die</strong>ses<br />
<strong>Konzept</strong>s und der daraus resultierenden Maßnahmen. Andrerseits ist eine<br />
differenzierte Sichtweise geboten angesichts der öffentlichen Debatten um<br />
Integration, Islam, Fundamentalismus und Frauenfeindlichkeit, <strong>die</strong> häufig unsachlich,<br />
polarisierend und emotionalisiert geführt werden. Im Kontext von<br />
Zwangsheirat muss vermieden werden, Klischees zu be<strong>die</strong>nen, <strong>die</strong> der Vielfalt<br />
von Migrantinnen und Migranten nicht gerecht werden. Kulturelle Hintergründe<br />
spielen dabei auch eine Rolle und sind differenziert mit ein zu beziehen.<br />
Allzu vereinfachende Sichtweisen stehen oft im Widerspruch zur Realität.<br />
Das Thema Zwangsheirat darf nicht dazu missbraucht werden, MigrantInnen<br />
zu diskreditieren und Gewalt sowie <strong>die</strong> Diskriminierung von Frauen<br />
verstärkt ethnischen Minderheiten zuzuschreiben.<br />
II. Zielgruppen<br />
1. Betroffene<br />
1.1 Mädchen und junge Frauen<br />
Mädchen und junge Frauen stellen <strong>die</strong> wichtigste Zielgruppe dar, da sie am<br />
häufigsten von Zwangsheirat betroffen sind. Die im November 2011 veröffentlichte<br />
Stu<strong>die</strong> zu Zwangsheirat belegt <strong>die</strong>se Tatsache mit einem Anteil 95 Prozent.<br />
14 In traditionellen, patriarchalisch strukturierten Familien bestehen nach<br />
wie vor tra<strong>die</strong>rte Rollenstereotype und –erwartungen an Frauen und Mädchen,<br />
<strong>die</strong> sich sowohl innerhalb der Familie als auch in der Community diskriminierend<br />
auswirken:<br />
„Überall dort, wo Männer <strong>die</strong> Vorherrschaft über Frauen ausüben, sind <strong>die</strong> Voraussetzungen<br />
<strong>für</strong> Zwangsverheiratungen und andere Formen von Gewalt im<br />
Namen der Ehre gegeben.“ 15<br />
Mädchen und Frauen dürfen ihr Leben nicht selbst gestalten, nicht selbst entscheiden,<br />
welchen Beruf sie erlernen, wann sie welche/-n Partner/Partnerin<br />
haben, was sie in ihrer Freizeit tun, mit welchen FreundInnen sie Umgang<br />
haben, wie sie sich stylen etc. Das Ausmaß an Bevormundung und Kontrolle<br />
ist sehr hoch, das Bestreben nach Selbständigkeit wird häufig im Keim er-<br />
13 Antrag Nr. 08-14 / A 00699 der Stadtratsfraktion DIE GRÜNEN/RL vom 26.03.2009; Sitzungsvorlage Nr. 08-14 / V<br />
04212; München 2009; S. 16ff<br />
14 Th. Mirbach et al; a.a.O.; S. 67<br />
15 D. Zeyrek in KOK Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen mit Migrationsprozess<br />
(Hg); a.a.O.; S 49<br />
7