Ökonomische Analyse des Rechts - Fakultätsvertretung Jus ...
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Gespräch<br />
Interview mit Max Schrems<br />
interview<br />
Andreas Pacher | chefredakteur | andreas.pacher@fvjus.at<br />
Max, was ist der aktuelle Stand bezüglich<br />
eures Vorgehens gegen facebook?<br />
Im Moment gibt es mit den irischen Behörden<br />
einige prozessrechtliche Schwierigkeiten. Es gibt<br />
einfach kein fassbares irisches Prozessrecht.<br />
Viele Reaktionen der dortigen Behörden sind oft<br />
unbegründet, und nach genauerem Nachfragen<br />
merkt man, dass es zwar einzelne prozessrechtliche<br />
Regelungen gibt, aber der größte Teil doch<br />
auf andere, undurchsichtigere Weise abgehandelt<br />
wird. Natürlich ist das alles Case-Law, aber<br />
leider halten sie sich nicht einmal an das, was im<br />
Gesetz positiviert ist. Außerdem: Wie soll ein<br />
Normalbürger das gesamte Judikat Irlands<br />
durchforsten?<br />
Im Moment also bitten wir die irischen Behörden<br />
um Nennung einiger formeller Kriterien. Es geht<br />
um den Aufbau bestimmter Schriftsätze oder um<br />
die Zuständigkeit von Behörden. Unser Brief<br />
wurde vor 3 Wochen abgeschickt, und wir warten<br />
noch immer auf die Antwort. Wann genau<br />
wir dann die Schriftsätze einbringen, hängt von<br />
meinen Prüfungsterminen auf der Uni ab.<br />
Erlebst Du bei Deinem Projekt auch sonst viele<br />
Schikanen?<br />
Prozessrechtliche Probleme erlebe ich hier häufig.<br />
Vor kurzem haben die irischen Behörden<br />
einfach eine neue Verfahrensart erfunden. Aus<br />
verschiedenen, bereits bestehenden Verfahrensarten<br />
haben sie einfach etwas Neues zusammengestellt,<br />
und es als PDF-Datei auf ihrer<br />
Webseite veröffentlicht. (Lacht.) Wie das mit<br />
dem <strong>Rechts</strong>schutzgedanken vereinbar ist, weiß<br />
ich nicht. Ansonsten spüre ich, dass relativ viel<br />
politischer Druck drinnen ist.<br />
Woran merkt man den politischen Druck da -<br />
hinter?<br />
Das sind grundlegende Dinge, wie etwa, dass<br />
wir ohne Begründung keine Akteneinsicht be -<br />
kommen. Die Behörden erklären nicht, auf welche<br />
Paragraphen sie sich gründen – denn es gibt<br />
keinen. Wir haben dann mal Artikel 6 EMRK ins<br />
Spiel gebracht, aber selbst im direkten Telefonat<br />
gab es dazu keine Antworten.<br />
Auch wenn eine Behörde in ihrem Abschlussbericht<br />
nur sagt, dass etwas „unacceptable“ sei,<br />
aber nicht „illegal“, dann schimmert hier<br />
sprachlich das Politische hindurch.<br />
Datenschutzrecht – ein<br />
politisches Thema<br />
Siehst Du auch Vorteile darin, dass die Politik<br />
interveniert?<br />
Der Vorteil ist, dass jede Politikerin und jeder<br />
Politiker das Thema aufgreifen und den Fall für<br />
sich nutzen kann. Die Öffentlichkeit hat ein<br />
Interesse an datenschutzrechtlichen Problemen<br />
und kann das Thema auf populärerer Basis diskutieren.<br />
Person<br />
Max Schrems, geb. 1987 und derzeit <strong>Jus</strong>student,<br />
machte mit seiner Initiative „europe-v-facebook.org“<br />
internationale Schlagzeilen. Mehrere<br />
Anzeigen hat er bereits gegen Facebook eingebracht,<br />
um das soziale Netzwerk zur Einhaltung<br />
datenschutzrechtlicher Regelungen zu<br />
bewegen.<br />
Datenschutz ist heute ein politisches Dauerthema,<br />
das davor lange ignoriert worden ist.<br />
Und es ist wie ein Pendel, der wieder zurückschwingt.<br />
Seit 9/11 hat man auf mehr Kontrolle<br />
gepocht, und es wurde immer mehr verschärft<br />
und verschärft. Auch in vielen Unternehmen<br />
hatte man parallele Phänomene – viele<br />
Menschen spüren jetzt, dass die Sammlung und<br />
Speicherung von Daten jetzt zu viel wird, und sie<br />
werden wütend, andere sind resignativ und<br />
sagen: Das ist halt so, da kann man nichts<br />
machen. Viele regen sich auf. Jetzt haben wir<br />
gerade heikle Diskussionen über die Vorratsdatenspeicherung,<br />
ein Thema, das eng mit<br />
Menschenrechten verflochten sein sollte. Aber<br />
wenn du auf der Uni über Menschenrechte<br />
lernst, und dann die die Zeitung aufschlägst,<br />
fragt man sich, um wie viel weiter sich die<br />
Realtität noch vom Papier entfernen soll.<br />
Du hast kürzlich gesagt, dass das Datenschutzrecht<br />
in Österreich kaum bekannt und<br />
„erfolglos“ sei. Bist Du noch dieser Meinung?<br />
Jein. Man merkt, dass sich die Anzahl der<br />
<strong>Rechts</strong> anwälte in diesem Bereich immer weiter<br />
erhöht. Vor ein paar Jahren waren es in<br />
Österreich vierzehn, jetzt sind es ca. vierunddreißig<br />
laut Schnellsuche bei der Anwaltskammer.<br />
Aber Datenschutzrecht wird bei uns leider kaum<br />
unterrichtet. Wahlfächer im Allgemeinen gibt es<br />
zahlreiche, aber Datenschutzrecht wird fast gar<br />
nicht unterrichtet. Ich weiß nur von einem einzigen<br />
Kurs, der sich damit befasst, aber allein<br />
aus zeitlichen Gründen kann er nicht die notwendige<br />
Tiefe vermitteln. Das ist eine Lücke bei<br />
uns.<br />
Auf anderen Universitäten gibt es ganze<br />
Datenschutzrecht-Übungen, die auch gut be -<br />
sucht sind. Gäbe es auch bei uns das Angebot,<br />
so zweifle ich nicht, dass die Anzahl der<br />
Interessenten auch groß wäre. Das Thema ist<br />
einfach aktuell und geht uns alle etwas an. Vor<br />
allem junge Menschen haben ständig damit zu<br />
tun – Facebook und Google beispielsweise nutzen<br />
die meisten mehrmals täglich. Daten schutzrecht<br />
ist ein Feld, wo man sehr schön politisch<br />
diskutieren kann. Das Thema polarisiert, die<br />
Meinungen sind grundverschieden. Das ist wohl<br />
auch eine Frage von Wertigkeit und Politik, ob<br />
die Uni da Geld hineinsteckt oder nicht.<br />
12 Juristl | Mai 2012