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<strong>Cockpit</strong> 03 2013<br />

Editorial<br />

3<br />

Take-off<br />

Liebe Leserinnen und Leser<br />

Es gibt Tabus über die man nicht schreibt.<br />

Political correctness. Beisshemmungen.<br />

Ombudsmann. Worüber man aber nicht<br />

schreibt, darüber wird auch nicht diskutiert.<br />

Seien wir für einmal etwas unkorrekt<br />

und sprechen luftfahrtspezifische<br />

Tabus an.<br />

Sehr übergewichtige Passagiere. Das Tabuthema<br />

schlechthin. Welche Airline<br />

möchte zu diesem Thema der Eisbrecher<br />

sein? Keine. Ein Aufschrei der Medien<br />

und Klagen Betroffener (Diskriminierung!) ist vorprogrammiert.<br />

Wer sich also dazu äussert, spielt russisches Roulette.<br />

Sie alle sind schon Sitznachbar eines/einer Übergewichtigen gewesen.<br />

Der enge Sitz im Flugzeug wird noch enger. Fahr ich mit<br />

dem ÖV, dann kann ich meinen Platz selber wählen, aber im vollbesetzten<br />

Airbus? Kurz: Ich muss es nehmen, wie es kommt. Das<br />

ist derjenige Teil, der vom Passagier/der Passagierin wahrgenommen<br />

wird. Aber stopp: Habe ich – als Durchschnittsgewichtler –<br />

für meine paar Kilos Gepäckübergewicht nicht eben einen sündhaft<br />

teuren Aufpreis bezahlt? Noch unlogischer trifft es zarte<br />

Damen mit 30 Kilogramm weniger Lebendgewicht – sie werden<br />

analog «bestraft».<br />

Das Fragezeichen des «Normalpassagiers» zum heutigen System<br />

ist das eine. Das andere ist die Ökonomie. Wenn 40 Kilogramm<br />

mehr von Zürich nach Tokio fliegen, dann lässt sich der Spritmehrverbrauch<br />

aufs Kilo genau berechnen. Und hier liegt die Krux der<br />

ökonomischen Unvernunft versus political correctness. Beim Design<br />

neuer Flugzeuge wird für jedes einzelne Kilo Mindergewicht<br />

viel Aufwand betrieben. Liebe Airline-Manager: Wer wagt den ersten<br />

Schritt?<br />

Ein zweites no go ist die Diskussion über attraktive Kabinenbesatzungen.<br />

Der nun reflexartig aufkeimende Glüschteler-Vorwurf<br />

nehme ich gelassen hin. Ich meine, Flight Attendants – männlich<br />

oder weiblich – sind Dienstleister. Qualität, Herzlichkeit sowie eine<br />

sympathische Erscheinung sind Grundvoraussetzung dafür. Zu oft<br />

treffe ich aber auf Damen und Herren, die scheinbar «nur einen Job<br />

verrichten». In der heutigen Zeit derselben Preise, desselben Materials<br />

und einem vergleichbaren Dienstleistungsangebot kann dies<br />

der kleine Unterschied sein.<br />

Und nachgefügt: Dienstalter ist kein Qualitätslabel. Möglich,<br />

dass ältere Maître de Cabins über mehr Know-how verfügen.<br />

Aber zu oft ist ihnen das Lächeln abhanden gekommen. Niemand<br />

MUSS doch fliegen? Dieses Phänomen beachte ich besonders<br />

in den USA. Viel Freude haben mir kürzlich zwei Flüge mit<br />

Edelweiss gemacht. Alles oben Bemängelte traf in keiner Weise<br />

zu. Kompliment!<br />

Frauen im <strong>Cockpit</strong>. Auf diesen Punkt machte mich meine Redaktionskollegin<br />

aufmerksam – selber als F/A viele Jahre in der ganzen<br />

Welt unterwegs. Ja, noch immer tun sich ältere Piloten schwer,<br />

mit einer Kollegin an ihrer Seite zu fliegen. Und die Quote der Pilotinnen<br />

liegt immer noch deutlich unter 5 %. Rationale Gründe<br />

gibt es dafür keine. Nur: Wenn Frauen Männerdomänen besetzen,<br />

müssen sie besser sein als ihre männlichen Pendants. Dies trifft<br />

nicht nur auf den Pilotenberuf zu. Was die Macho-Seele aber ein<br />

weiteres Mal kränkt.<br />

Und noch ein anderes Thema spricht die ehemalige Flight Attendant<br />

an: be- und angetrunkene Passagiere. Erstaunlich, welche euphorisierende<br />

Wirkung der Alkohol auf 12 000 Metern Flughöhe<br />

auf die Herren und Damen der Schöpfung haben kann.<br />

Tabu Sicherheit: Für die Sicherheit an und um die Flughäfen wird<br />

jährlich ein hoher dreistelliger Millionenbetrag ausgegeben. Shampoo<br />

und Zahnpaste bleiben am Security-Check hängen, das kleine<br />

Taschenmesser ebenso. Total irrational: Ich kann mir im Tax-free<br />

wieder ein neues Messer kaufen ... Wie vielen Reisenden ist schon<br />

bei der Sicherheitskontrolle die Vorfreude abhandengekommen!<br />

Ein Ärgernis, weil gesunder Menschenverstand kein Bestandteil<br />

solcher Kontrollen ist. Die Mitarbeiter der Security arbeiten stets<br />

mit der Angst einer verdeckten Kontrolle. Georg Orwell.<br />

Nun weiss jeder Insider eines Flughafens um die vielen Sicherheits-<br />

Leaks auf seinem Platz – allen (Show-) Überprüfungsverfahren zum<br />

Trotz. Und wenn die Mitarbeiter das wissen, dann ist es auch ein<br />

Leichtes für Missetäter, diese in Erfahrung zu bringen.<br />

Ein Top-Tabu aus der politischen Ecke: Israel. Israelische Güter,<br />

Waffen, Kultur – pfui Deibel! Wie kurz kann eigentlich ein Kurzzeitgedächtnis<br />

sein? Zwei Flugzeuge hat die Swissair durch palästinensischen<br />

Terror verloren, viel Leid hat dieser über unser Land<br />

gebracht. Und am Flughafen Tel Aviv fielen im Jahr 1972 26 Leute<br />

einem Massaker zum Opfer. Der Schreibende – von 1973 bis 1978<br />

selber in Israel wohnhaft – kennt die schrecklichen Bilder palästinensischen<br />

Terrors.<br />

Heute lädt Geri Müller, Nationalrat der Grünen und Mitglied der<br />

Sicherheitskommission, die Nachfahren dieser Terroristen ins Bundeshaus<br />

ein. Es ist nicht so, dass diese «junge Generation» etwa geläutert<br />

wäre. Im Gegenteil: In Gaza werden politischen Gegnern die<br />

Knie zerschossen, Kinder werden als (ferngezündete) Body traps zu<br />

den Checkpoints gesandt, Tausende(!) von Raketen auf das gegenüberliegende<br />

Israel gelenkt. Pfui Deibel!<br />

Natürlich kenne ich die angebotenen Gegenargumente. Aus der<br />

geheizten Stube und mit gut gefülltem Bauch lässt sich leicht eine<br />

philosophische Rechtfertigung für die «Freiheitskämpfer» zusammenzimmern.<br />

Und zugegeben: Ich bin Partei, unterhalte ich doch<br />

heute noch gute, freundschaftliche und geschäftliche Beziehungen<br />

zu Israel.<br />

Liebe Leserinnen und Leser. Tabus? Sie kennen sicher noch einige<br />

mehr davon. Und es sei gesagt: Auch der Schreibende kennt (leider)<br />

Beisshemmungen. Diese werde ich wohl für mein letztes Editorial<br />

in der September-Ausgabe ablegen müssen ... Freuen (oder ärgern)<br />

Sie sich schon heute darauf!<br />

Nach so viel ernsthafter Worte ein Schmunzel-Schluss. Mit dem<br />

Eintreffen des grossen Schnees habe ich mir einen «Schneeschieber<br />

mit Flüsterkante» gekauft. Schön, was uns der kulturelle Austausch<br />

doch an Wortschöpfungen schenkt! Nicht schön: Die Nachbarn hören<br />

mich morgens um fünf nicht mehr arbeiten ...<br />

In diesem Sinne, Ihr Max Ungricht

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