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40 History <strong>Cockpit</strong> 03 2013<br />
Es war ein Deal von höchster politischer<br />
Brisanz: England hätte sich<br />
vor 70 Jahren zur Abgabe einer<br />
grösseren Anzahl von Supermarine<br />
Spitfire an die Schweizer Fliegertruppe<br />
bereit erklärt. Im Gegenzug<br />
wären die Eidgenossen<br />
angehalten gewesen, ihre Kriegsmateriallieferungen<br />
ans Dritte<br />
Reich massiv zu drosseln.<br />
Weisses Kreuz statt dem roten Stern wie für<br />
die an die Sowjetunion gelieferten Spitfire<br />
Mk.Vb – so hätte sich die Szene wiederholen<br />
können, wäre dieser Typ im Sommer 1943 tatsächlich<br />
für die Schweiz freigegeben worden.<br />
Foto: Sammlung Stapfer<br />
Spitfire für die Schweiz<br />
Churchill gab grünes Licht<br />
Im Sommer 1943 liefen die Drähte zwischen<br />
der Kriegstechnischen Abteilung<br />
(KTA) und dem Vereinigten Königreich<br />
glühend heiss. Dies aus gutem Grund:<br />
Die Arsenale der Schweizer Fliegertruppe<br />
schrien gierig nach einem modernen Jagdflugzeug.<br />
Denn die vom Dritten Reich zwischen<br />
Mai 1939 und April 1940 gelieferten<br />
80 Messerschmitt Bf 109 E-3 mutierten mittlerweile<br />
zum alten Eisen – und das Berliner<br />
Reichsluftfahrtministerium (RLM) verweigerte<br />
eisern die Lieferung ihrer neusten Versionen.<br />
Spätestens seit November 1940 war<br />
der umgangssprachlich als Emil bekannte<br />
Typ mehr oder weniger zum Kanonenfutter<br />
für die Spitfire mutiert. Und genau<br />
diese Ikone der Luftschlacht um England<br />
rückte vor 70 Jahren in den Fokus intensiver<br />
Verhandlungen zwischen dem Empire<br />
und Bundesbern.<br />
Schweizer Spitfire sind Chefsache<br />
Ins Rollen brachte die Angelegenheit eine,<br />
auf Anfang Juni 1943 datierte Anfrage des<br />
Schweizer Luftattachés Schlegel ans britische<br />
Air Ministry zur Lieferung von zwei<br />
Exemplaren der modernsten Spitfire-Version<br />
– sowie einer Option über weitere 100<br />
Einheiten. Zu diesem Zeitpunkt lief die seit<br />
<strong>März</strong> 1943 in Produktion stehende Variante<br />
Spitfire Mk. IX vom Band – dies zum Stückpreis<br />
von 45 000 Pfund. Dieses Schlachtross<br />
der Lüfte schöpfte seine Kraft aus einem<br />
1565 PS starken Rolls Royce Merlin 61 und<br />
war mit vier 20-mm-Hispano-Suiza-Kanonen<br />
bewaffnet.<br />
Im kriegsgebeutelten Inselreich schaltete<br />
sich Premierminister Winston Churchill<br />
persönlich in die Verhandlungen ein: «Die<br />
von der Schweiz geleisteten humanitären<br />
Dienste sind von höchster Wichtigkeit, zudem<br />
besitzen wir in diesem Land eine hervorragende<br />
Basis für unsere Geheimdienst-<br />
Aktivitäten», heisst es in einer Notiz vom<br />
20. Juni 1943. Damit nicht genug der Blumen:<br />
«Ich zweifle im Falle eines deutschen<br />
Angriffs nicht am Wehrwillen der Schweizer<br />
und wir sollten diese Armee mit jenen<br />
Waffen ausrüsten, die sie braucht», liest sich<br />
in einer anderen Passage des britischen Premiers.<br />
Das Air Ministry beabsichtigte, «einige<br />
Exemplare einer älteren Version» an die<br />
Schweiz zu liefern. Die erst seit Kurzem im<br />
Berner Bundesarchiv verfügbaren Dokumente<br />
des Londoner Public Record Office<br />
nennen allerdings weder eine genaue Zahl<br />
noch den Typ. Die Bezeichnung «älteren Version»<br />
bezog sich mit einiger Wahrscheinlichkeit<br />
auf die mit einem Rolls Royce Merlin 45<br />
von 1470 PS Leistung ausgerüstete Spitfire<br />
Mk. V. Die ab Mai 1941 gebaute Version gelangte<br />
im Rahmen des Lend-Lease-Acts (Leihund<br />
Pachtabkommen) in grösserer Anzahl<br />
an die Sowjetunion und die Luftstreitkräfte<br />
des Freien Frankreichs.<br />
Die für die Schweiz bestimmten Spitfire waren<br />
als eine Art Nagelprobe für das weitere<br />
Verhalten der Eidgenossen gegenüber den<br />
Alliierten gedacht. Den Amerikanern und<br />
Briten war der nicht versiegende Strom an<br />
Rüstungsgüter, elektrischer Energie sowie<br />
Lebensmittel ans Dritte Reich ein Dorn im<br />
Auge. «Würde die Schweiz ihre Handelspolitik<br />
gegenüber dem Dritten Reich ändern,<br />
ist auch die Abgabe einer grösseren Zahl von<br />
Spitfire mehr als gerechtfertigt», heisst es in<br />
einer Note des Air Ministry.<br />
Veritabler politischer Zündstoff<br />
Modernste Jagdflugzeuge aus britischen<br />
Rüstungsschmieden im Tausch gegen eine<br />
Drosselung der Schweizer Rüstungsproduktion<br />
an die Achsenmächte: Damit erhielt der<br />
Deal praktisch über Nacht massiven politischen<br />
Zündstoff. Um an die überlebenswichtige<br />
Kohle zu gelangen, mutierte die