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41<br />
Schweiz ab Sommer 1940 zum wirtschaftlichen<br />
Vasallen des Dritten Reiches. Damit<br />
die gigantischen Aufträge an Schweizer<br />
Firmen besser zu koordinieren waren,<br />
rief das Oberkommando der Deutschen<br />
Wehrmacht (OKW) die in Zürich domizilierte<br />
Deutsche Industrie-Kommission ins<br />
Leben. Funktionäre dieser Organisation<br />
waren gleich vor Ort für Qualitätskontrollen<br />
und die Abnahme des Materials verantwortlich.<br />
Zudem war ihnen erlaubt, «sich in<br />
der Schweiz nach weiteren Lieferanten für<br />
das OKW umzusehen», wie es in einem im<br />
Bundesarchiv in Bern lagernden Dokument<br />
vom <strong>März</strong> 1942 heisst.<br />
Wie umfangreich die Lieferungen aus der<br />
Schweiz waren, zeigt das Beispiel der Werkzeugmaschinenfabrik<br />
Oerlikon, die im Laufe<br />
des Jahres 1943 sage und schreibe 1195<br />
Stück Flab-Kanonen sowie 4506 Ersatzläufe<br />
nach Deutschland lieferte – und dafür 44,4<br />
Millionen Franken fakturierte.<br />
Mosquito-Luftbrücke als Gegenleistung<br />
Die Spitfire-Trumpfkarte sollte auch in<br />
einem weiteren Poker mit der Schweiz<br />
zum lang ersehnten Durchbruch verhelfen:<br />
der Realisierung einer regelmässigen<br />
Flugverbindung zwischen den beiden Ländern.<br />
Downing Street war seit dem Fall von<br />
Frankreich fasziniert von einer Luftbrücke<br />
in die von den Achsenmächten umzingelte<br />
Schweiz. Dies aus handfestem Grund – von<br />
ihrer Shopping-Tour ins neutrale Herz Europas<br />
wären die für diese Missionen vorgesehenen<br />
Mosquitos vollgestopft mit sensiblen<br />
Rüstungsgütern schweizerischer Provenienz<br />
oder valablen Geheimdienstinformationen<br />
zurückgekehrt. Es war wohl die Natur<br />
dieser Flüge, welche Bundesbern in der<br />
Frage der Landebewilligung zaudern liess<br />
– wohl die Repressalien des damals noch<br />
militärisch überaus potenten Dritten Reiches<br />
fürchtend.<br />
Weniger Respekt vor dem Drohfinger der<br />
Herren in Berlin zeigte das ebenfalls neutrale<br />
Schweden. Ab dem 4. Februar 1943 pendelten<br />
die zivil immatrikulierten De Havilland<br />
DH 98 Mosquito der BOAC zwischen<br />
der schottischen Luftwaffenbasis Leuchars<br />
und dem Stockholmer Zivilflughafen Bromma.<br />
Dank dieser Nabelschnur nach Kontinentaleuropa<br />
war es den Briten möglich,<br />
die heiss ersehnten Kugellager aus schwedischer<br />
Produktion, Agenten oder wichtige<br />
Post zu befördern.<br />
Auf ein Schiffkatapult gesetzt, sollten die sowjetischen Spitfire die nach Murmansk fahrenden<br />
Geleitzüge vor feindlichen Bomben schützen.<br />
Eine Frage des Transports<br />
Dass England durchaus willens war, eine<br />
grössere Anzahl von Spitfire mit kooperationswilligen<br />
neutralen Staaten zu teilen,<br />
zeigten die Beispiele von Portugal und der<br />
Türkei. Das Land am Bosporus erhielt während<br />
des Zweiten Weltkrieges 234 Einheiten,<br />
Portugals Luftstreitkräfte waren mit<br />
108 Maschinen ausgerüstet.<br />
Waren diese Maschinen auf dem Seeweg<br />
problemlos in ihr Bestimmungsland zu<br />
verschiffen, erwies sich die Transportfrage<br />
im Bezug auf die Schweiz als eine kaum zu<br />
stemmende Herkulesaufgabe. Im Sommer<br />
1943 waren die Eidgenossen komplett von<br />
den Erzfeinden Englands umzingelt. Immerhin<br />
erlaubten die Achsenmächte die<br />
Ausfuhr von marginalen Mengen Kriegsmaterial<br />
an die Alliierten – als Kompensation<br />
importierte die Schweiz grösstenteils<br />
Lebensmittel wie etwa Südfrüchte.<br />
Das Air Ministry schmiedete den verwegenen<br />
Plan, die für die Schweiz bestimmten<br />
Spitfire zur Ablieferung nach Spanien zu<br />
überführen. Auf der Balearenhalbinsel hätten<br />
die Eidgenossen dann ihr neustes geflügeltes<br />
Schwert in Empfang genommen und<br />
über das von Deutschland besetzte Frankreich<br />
in die Heimat geflogen. Kaum denkbar<br />
allerdings, dass das Dritte Reich in Form<br />
einer Überflugsgenehmigung ihren Segen<br />
erteilt hätte.<br />
Mit grösster Wahrscheinlichkeit hat die<br />
ungelöste Transportfrage den Schweizer<br />
Wunsch nach der Spitfire noch im Sommer<br />
1943 wie eine Seifenblase zerplatzen<br />
lassen. Dies ungeachtet der Tatsache, dass<br />
Premier Winston Churchill ein Schreiben<br />
ans Air Ministry mit den Worten schloss:<br />
«Wenn Sie die Lieferung von Spitfire an die<br />
Schweiz als nötig erachten, dann sage ich<br />
ausdrücklich Ja.»<br />
Hans-Heiri Stapfer<br />
Foto: Zdenek Hurt<br />
Zum Zeitpunkt der<br />
SpitfireVerhandlungen<br />
der Schweiz mit<br />
dem Herstellerland<br />
befand sich die Baureihe<br />
Spitfire Mk. IX<br />
in Produktion. Die in<br />
der Royal Air Force<br />
kämpfenden tschechoslowakischen<br />
Piloten<br />
kehrten nach<br />
Kriegsende mit genau<br />
solchen Spitfire<br />
Mk. IX in ihre Heimat<br />
zurück.<br />
Verfasser und Verlag bedanken sich beim Bundesarchiv<br />
in Bern für die Überlassung von Unterlagen.<br />
Foto: Sammlung Stapfer