Die Stufe 142
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gesetzt. Im Herbst 1964 hat Fahrbach die Fuchsfarm gekauft.<br />
STUFE: Sie sagten, dass sie zur Schwäbischen Albvereinsjugend<br />
gekommen sind um „rauszukommen“?<br />
Koch: Ich kam von der evangelischen Jungschar, die einmal<br />
jährlich eine Freizeit veranstaltete. Daneben wanderte ich mit<br />
meinen Eltern nach traditioneller Art. Meistens Ältere.<br />
STUFE: Inwieweit wurde dabei auf Bedürfnisse der Jugend<br />
eingegangen?<br />
Koch: In der Ortsgruppe Stuttgart gar nicht. <strong>Die</strong> Jugendgruppe<br />
wurde 1960 gegründet. Wir trafen uns im Jugendhaus Mitte.<br />
Wir haben Wanderungen nach alter traditoneller Art gemacht.<br />
Samstag fuhren wir weg, sind gewandert, ohne Schnitzeljagd<br />
oder andere Spiele, übernachteten in der Jugendherberge und<br />
spielten abends dort Gesellschaftsspiele. Um die Fahrtkosten<br />
niedrig zu halten fuhren wir per Bahn mit einer Gruppenfahrkarte,<br />
dem "Viehschein", bis zum Fuß der Alb.<br />
STUFE: Fahrbach hat also bestimmt was die Jugend macht?<br />
Koch: Als Jugendleiter war man damals überfordert. Man<br />
musste Jugendleiter einer Jugendgruppe sein, man musste Wanderungen<br />
bei den Erwachsenen führen und bei Naturschutzbegehungen<br />
Streife zu gehen war Pflicht. Volkstanz kam dazu.<br />
Fischer: Gab es damals schon in Stuttgart so viele Angebote<br />
dass der Albverein „unterging“ und Jugendarbeit auf dem Land<br />
einfacher war?<br />
Koch: Das war zu meiner Jugendzeit in Stuttgart schon schwierig.<br />
Höschele: Das Problem ist doch so alt wie wir. <strong>Die</strong>se Gründe<br />
wurden schon immer vorgeschoben wenn man eine negative<br />
Entwicklung darstellen wollte. In Städten gab es schon immer<br />
ein breiteres Angebot, wenn auch nicht so exzessiv wie heute<br />
und in Form elektronischer Medien.<br />
STUFE: Der Albverein hat doch lange Zeit an Mitgliederzahlen<br />
zugelegt.<br />
Höschele: In dieser Zeit gab es ein Bevölkerungswachtum.<br />
Auch andere Vereine haben von dieser Entwicklung profitiert.<br />
In den Siebziger Jahren erlebte die Jugendarbeit einen Boom,<br />
der ungefähr bis Mitte der Achtziger Jahre anhielt.<br />
Koch: 1979 veranstaltete die Albvereinsjugend ein Pfingstzeltlager,<br />
zu dem sich 600 Personen anmeldeten. Wir mussten in<br />
zwei Schichten kochen.<br />
STUFE: Wenn man einige Jahre Abstand hat, nimmt man<br />
Veränderungen aufmerksamer wahr. Was waren die maßgebenden<br />
Veränderungen, wenn Sie ihre zwei Zeltlagerepochen<br />
vergleichen?<br />
Koch: In den Siebziger Jahren gab es erstmals Disco, davor<br />
haben wir Volkstanz gemacht...<br />
STUFE: ...und selber Musik gemacht?<br />
Koch: Solange ich das Zeltlager geleitet habe, haben wir abends<br />
zur Gitarrenbegleitung gesungen. <strong>Die</strong> Disco, zu der sich viele<br />
herausgeputzt haben, gab's einmal in der Woche nach der<br />
großen Wanderung. Es wurde viel mehr gewandert, es war<br />
ja ein Albvereins-Zeltlager. Ich war der Ansicht, dass Disco<br />
nichts mit dem Albverein zu tun hatte. Zu den Discos gab es als<br />
Alternativangebot eine Nachtwanderung, an der ungefähr ein<br />
Drittel teilgenommen hat. <strong>Die</strong> Technik hat Einzug gehalten. <strong>Die</strong><br />
Fuchsfarm erhielt zu der Zeit eine Telefonanlage.<br />
STUFE: Wie war das bei dir?<br />
Höschele: Ich hatte ein schockierendes Erlebnis als der neue<br />
Fuchsstall geplant wurde. Als ich erfuhr, dass jeder Raum Internetzugang<br />
bekommen sollte, dachte ich, jetzt ist es aus mit der<br />
Albvereinsjugend; in ein paar Jahren bekommt dann jedes Zelt<br />
einen eigenen Internetzugang. <strong>Die</strong> Entwicklung lief glücklicherweise<br />
anders, aber vor 8 bis 10 Jahren<br />
empfand ich es als einen unkritischen<br />
Umgang mit den modernen Medien.<br />
Koch: Wir haben viel mit Naturmaterialien<br />
gebastelt, haben Wurzeln und Tannenzapfen<br />
gesucht. Bastelmaterialien<br />
wie Krepppapier haben nicht wir in dem<br />
Maße wie später angeschafft. Das Team<br />
bestand aus Leuten, die im Albverein<br />
verwurzelt waren und sich bereits mit<br />
Themen wie Naturschutz beschäftigt<br />
hatten. 1973 hat mir das schon gefehlt.<br />
Damals bereitete ein Bildungsreferent<br />
das Zeltlager vor, der zur linken Szene<br />
Günter Koch:<br />
gehörte. Der Referent musste gehen<br />
"Überforderte Jugendleiter"<br />
und mit ihm ging ein Teil der Linken.<br />
Sonst wäre das Zeltlager abgeglitten in<br />
ein politisch motiviertes Zeltlager.<br />
Höschele: Anfang der Achtziger Jahre ist die politische Auseinandersetzung<br />
ziemlich intensiv geworden. Als die Grünen<br />
gegründet wurden, hatte das schon einen Einfluss auf die AG<br />
KNS („Kusterdingen-Neuffen-Stuttgart“, Anm. d. Red.).<br />
Koch: Mit denen hatte ich zu kämpfen.<br />
Höschele: Erkennungszeichen waren lange Haare, die im<br />
Albverein sehr gern gesehen waren. (lacht)<br />
Koch: Ich habe die AG KNS aufgefordert, sich in den Jugendbeirat<br />
wählen zu lassen. Einige haben es geschafft, was für<br />
mich kein Problem war, und die AG KNS hat sich aufgelöst.<br />
Wir haben diskutiert, dass wir parteipolitisch neutral sind und<br />
keine Zeltlager veranstalten, um die Jugend in eine bestimmte<br />
politische Richtung zu lenken.<br />
Höschele: Ich muss an dieser Stelle widersprechen. Man<br />
empfindet etwas nur als politische Lenkung, wenn man von<br />
der anderen Seite politisch beeinflusst ist. Der Albverein hat<br />
schon immer Politik betrieben mit seiner Art, eine Freizeit zu<br />
gestalten und zu dieser Zeit kam der politische Gegenpol hinzu<br />
und dazu noch aus der Jugend. Das war nicht gern gesehen und<br />
damit hatte ich auch noch zu kämpfen. <strong>Die</strong> richtig aggressive<br />
Generation war eine halbe Generation vor mir und ich durfte<br />
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