26.12.2013 Aufrufe

Jahresbericht stiftung netzwerk 2012

Jahresbericht stiftung netzwerk 2012

Jahresbericht stiftung netzwerk 2012

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Was war <strong>2012</strong> eure grösste<br />

Sorge? Und was hat euch<br />

im Gegenzug zuversichtlich<br />

gestimmt?<br />

Christoph Bangert: Ich mache mir nicht so viele Sorgen;<br />

Sorgen bringen einen nicht weiter. Trotzdem<br />

ist natürlich auch mein Leben nicht sorgenfrei. <strong>2012</strong><br />

war ich im Vergleich zu anderen Jahren viel zu Hause<br />

und nicht auf Reisen. Dafür gab es zwei Gründe: Ich<br />

schaute vermehrt zu unseren Kindern, die eineinhalb<br />

und dreieinhalb Jahre alt sind. Und ich arbeitete<br />

mit meiner Frau zusammen an einem Buch für<br />

den Verlag National Geographic: «Africa Overland»<br />

dokumentiert unsere Reise durch 36 Länder Afrikas<br />

mit einem alten Land Rover. Was den Aufwand anbelangt,<br />

war das Buch viel anspruchsvoller als gedacht.<br />

Ich bin Legastheniker, das Schreiben geht mir also<br />

nicht leicht von der Hand. Ich habe zeitweise mit<br />

mir gekämpft, doch am Ende ist alles gut gegangen.<br />

Das Fotobuch ist Anfang Jahr herausgekommen, was<br />

eine grosse Entlastung war. Im Sommer davor hatte<br />

ich wirklich eine Krise, da nicht viele Aufträge reinkamen<br />

und es finanziell knapp wurde. Manchmal frage<br />

ich mich schon: Habe ich alles falsch gemacht? Wie<br />

soll ich als Mensch leben? Und was ist, wenns schiefgeht?<br />

Nicolas Müller: Mich hat diese Handy-Geschichte<br />

zunehmend beunruhigt. Dass alles immer<br />

mehr und schneller wird: 3G, 4G, 5G. Das geht ja alles<br />

durch die Luft, und die Gefahren für unseren Körper<br />

werden kaum thematisiert. Ich hatte 15 Jahre lang ein<br />

Handy, seit ein paar Jahren hat mich dieses Ding aber<br />

zunehmend genervt, vor allem das SMSen. Als mir<br />

dann im letzten Sommer mein Handy gestohlen wurde,<br />

dachte ich: Das ist ein guter Moment, jetzt kündige<br />

ich mein Abo. Ich kommuniziere nun via E-Mail<br />

und benutze das Festnetz, ab und zu bin ich auch auf<br />

Facebook. Zuversicht gibt mir nun dieses neue, relaxtere<br />

Leben. Dass ich Leute wieder spontan treffen<br />

kann und auch wieder mehr Zeit für mich habe.<br />

Bangert: Was mir gut gefällt, Nicolas: Du sagst ja<br />

nicht, dass du nicht mehr kommunizieren willst, sondern<br />

wieder bewusster wählen willst, wann und mit<br />

wem du kommunizierst. Menschen, die erfolgreich<br />

sind, sind oft sehr fokussiert. Sie konzentrieren sich<br />

auf eine Sache und geben da Vollgas. Dieses Fokussieren<br />

geht aber verloren, wenn man mehrere Dinge<br />

gleichzeitig machen will. Müller: Ja, man ist überall,<br />

aber nicht dort, wo man wirklich sein will. Unser<br />

Körper ist genial, der steckt das wahrscheinlich sogar<br />

weg. Der Geist aber wird darunter leiden.<br />

Nicolas, du bist Profi-<br />

Snowboarder. Du,<br />

Christoph, Fotograf und<br />

Rallyefahrer, als Fotograf<br />

warst du auch in<br />

Kriegsgebieten, im Irak<br />

und Afghanistan. Wie<br />

fing bei euch alles an?<br />

Bangert: Ich komme aus einem kleinen Ort im<br />

Westen von Deutschland: Daun. Das ist so richtiges<br />

Hillbilly-Land, und Rallyefahren ist da so der<br />

Bauernsport. Ich habe als Kartfahrer angefangen.<br />

Als Jugendlicher kaufte ich mir jeden Sommer ein<br />

InterRail-Ticket. Mit dem reiste ich quer durch Europa,<br />

ganz alleine, mit meiner Kamera. Mit 16 wollte<br />

ich nur noch weg. Aber ich wusste nicht, was ich mit<br />

meinem Leben anfangen soll. Zuerst wollte ich Ingenieur<br />

werden und Autos bauen. Doch in meinem<br />

Studiengang mit 200 Studenten gab es gerade mal<br />

fünf Frauen. Ich fühlte mich unwohl, merkte schnell:<br />

Das ist nicht meine Welt. Dann studierte ich Fotografie,<br />

ging nach New York, lernte coole Leute kennen.<br />

Müller: In Aarau fuhr ich zuerst viel Skateboard.<br />

Später faszinierte mich das Snowboarden so sehr,<br />

dass ich irgendwann nur noch Snowboarden wollte.<br />

Mit 16 Jahren begann ich die Ausbildung an der<br />

Akad, weil meine Mutter das auch so gemacht hat;<br />

weit gekommen bin ich aber nicht. Ich hatte damals<br />

schon ein paar Sponsoren, verdiente um die 600 Dollar<br />

pro Monat. Seither bin ich in den Snowboard-Ferien,<br />

genauer gesagt seit 14 Jahren. Ich habe nie eine<br />

Lehre gemacht, obwohl meine Eltern schon wollten,<br />

dass ich einen Abschluss mache. Aber irgendwann<br />

erkannte ich, dass dies nicht mein Problem ist.<br />

Bangert: Ich habe übrigens auch nie einen Abschluss<br />

gemacht, aber bis ich meinem Vater beigebracht<br />

hatte, dass ich das nicht wirklich brauche, dauerte<br />

es eine Weile. Müller: Ja, ich habe mir auch immer<br />

viel anhören müssen. Als ich meinem Klassenlehrer<br />

sagte, dass ich Snowboarder werden wolle, sagte der:<br />

«Das ist kein Beruf, und mit solchen Flausen im Kopf<br />

landest du in der Fabrik.» Bangert: Uh, ja, die Fabrik,<br />

der absolute Horror für einen Lehrer. Meine Lehrer<br />

sagten, dass ich nie was mit Schreiben am Hut haben<br />

werde. Meine Aufsätze und Diktate sahen immer aus<br />

wie ein Blutbad wegen meiner Legasthenie. Meinem<br />

damaligen Lehrer habe ich jetzt übrigens ein Buch<br />

geschickt, er hat sich aber nicht gemeldet.<br />

Worauf fokussiert ihr im<br />

täglichen Leben? Wo<br />

macht ihr keine Kompromisse?<br />

Müller: Ich mache immer weniger Kompromisse<br />

bei der Ernährung. Als Snowboarder muss ich fit<br />

sein, die Ernährung ist wichtig. Ich bin Vegetarier,<br />

Weizen esse ich ganz selten, dafür Dinkelbrot, Dinkelmehl,<br />

Dinkelpasta. Weil es fein ist und aus politischen<br />

Gründen: Ich will unsere Bauern unterstützen<br />

und keine Multis wie Monsanto und Nestlé.<br />

Ich kaufe meine Lebensmittel vorwiegend im Bioladen.<br />

Selbst in Alaska muss ich auf den Einkauf im<br />

Bioladen nicht verzichten. Bei der Ernährung bin<br />

ich inzwischen so kompromisslos, dass ich nicht<br />

mehr überallhin reise. Vitalität brauche ich beim<br />

Snowboarden, und wenn ich mich nicht mehr richtig<br />

ernähre, geht auf dem Berg schnell mal alles<br />

den Bach runter. Es hängt also zu viel davon ab.<br />

Die Beziehung zu mir selber zählt, meine Intuition.<br />

In Alaska auf dem Berg ist es wichtig, dass alles<br />

stimmt, da nützt mir die beste Versicherung nichts.<br />

Bangert: Ich mache keine Kompromisse bei der<br />

Wahl meiner Arbeitgeber. Als Fotojournalist arbeite<br />

ich wie ein Journalist, einfach mit der Kamera.<br />

Meine Auftraggeber sind Tageszeitungen, Magazine,<br />

journalistische Produkte. Viele Kollegen fotografieren<br />

nicht nur für die Presse, sondern auch im<br />

Auftrag von Credit Suisse, Migros, Alliance Suisse.<br />

Der Grund: In diesen kommerziellen Jobs verdient<br />

ein Fotograf ungefähr zehnmal mehr. Ich bin da<br />

stur, fotografiere nur für die Presse – keine Modestrecken,<br />

keine <strong>Jahresbericht</strong>e für Multis, keine<br />

Handtaschen. Ich will als Journalist und Fotograf<br />

ernst genommen werden. Natürlich muss das jeder<br />

für sich entscheiden, es ist eine Gratwanderung.<br />

Nicolas, du hast auch<br />

Deals mit solchen Riesenfirmen:<br />

Nike, Burton. Wo<br />

setzt du die Grenzen?<br />

Müller: Das ist eine gute Frage, ich kann nicht hinter<br />

allem stehen. Ich bin zum Beispiel einer der<br />

wenigen Actionsportler, die nicht für synthetische<br />

Energy-Drinks Werbung machen. Das Marketing<br />

ist mir zu aggressiv. Aber auch hier muss jeder für<br />

sich selbst entscheiden: Will ich das oder nicht?<br />

Eine Ausnahme habe ich gemacht. Und zwar war<br />

ich beim Snowboardfilm «The Art of Flight» dabei,<br />

zu dem Redbull 20 Millionen Franken beigesteuert<br />

hatte. Ich habe das aber wegen Travis Rice<br />

gemacht, der einfach seine Lieblingsfahrer dabeihaben<br />

wollte. Nike ist natürlich auch ein Riesenkonzern,<br />

aber ich habe mir gesagt: Wenn ich ein<br />

Teil davon bin, kann ich vielleicht auch etwas verändern.<br />

Man kann sich nicht nur zurückziehen,<br />

so verändert man nichts. Ich habe auch das Headquarter<br />

in Portland besucht und gesehen, dass dort<br />

gute Leute arbeiten. Und Nike merkt allmählich:<br />

Was dem Planeten nicht gut tut, tut auch uns nicht<br />

gut. Ausserdem gebe ich zu, dass mit dem Vertrag<br />

mit Hauptsponsor Nike ein Bubentraum in Erfüllung<br />

gegangen ist. Roger Federer, Michael Jordan,<br />

das sind grosse Namen.<br />

Seid ihr Abenteurer?<br />

Braucht ihr den Kick?<br />

Müller: Abenteurer ja, Adrenalinjunkie nein. Beim<br />

Boarden habe ich alles in der Hand, ich weiss genau,<br />

was ich mache, ich schaue mir alles genau an.<br />

Ich bin eher der, der immer alles dreimal im Kopf<br />

durchgeht und sich für die sichere Variante entscheidet.<br />

Der Style ist mir ebenfalls wichtig, die<br />

Art, wie ich etwas mache. In Alaska kommt immer<br />

auch ein Bergführer mit. Und wir tragen alle ein Lawinensuchgerät<br />

auf uns. Ich fahre aber ohne Helm,<br />

weil ich das immer so gemacht habe. Die meisten<br />

Filmer und Fotografen, mit denen ich arbeite, kenne<br />

ich seit langem. Das ist wichtig für die Stimmung.<br />

Bangert: Bei uns ist der Bergführer der «Fixer».<br />

Er ist der, der die Termine festlegt, der übersetzt,<br />

manchmal auch fährt. Ich trage immer ein Satellitentelefon<br />

auf mir. Meistens reise ich noch mit<br />

einem Journalisten. In der sehr kleinen Unterkategorie<br />

Kriegsfotografie gibt es zwei Typen: Cowboys,<br />

die in irgendeinen Krieg ziehen, unheimlich viele<br />

Fotos knipsen und die Fotografie als Vorwand benutzen,<br />

um etwas Wahnsinniges zu tun. Und dann<br />

gibt es die anderen, die auch nicht frei sind vom<br />

Kick. Ich zähle mich zur zweiten Gattung. Im Irak<br />

hatte ich diesen Riesenauftrag für die «New York<br />

Times» und das mit 26. Es war mein erster gros ser<br />

Auftrag überhaupt, ein Riesenschritt nach vorne.<br />

16 17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!