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Jahresbericht stiftung netzwerk 2012

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Was war <strong>2012</strong> Ihre grösste<br />

Sorge? Und was hat Sie im<br />

Gegenzug zuversichtlich<br />

gestimmt?<br />

Antoinette Hunziker-Ebneter: Sorge bereitet mir<br />

die zunehmende Verschuldungssituation, besonders<br />

in den Ländern rund um uns herum. In diesem<br />

Jahr der Fall Zypern, wo Regierungen vorerst entschieden<br />

haben, dass Menschen, die bis zu 100 000<br />

Euro auf ihrem Konto angespart hatten, ohne rechtliche<br />

Grundlage enteignet werden. Solche Enteignungen<br />

und die absolute Rechtsunsicherheit in<br />

diesem Zusammenhang sind bedenklich. Zuversichtlich<br />

stimmt mich, dass es immer mehr Leute<br />

gibt, die verantwortungsbewusst mit Ressourcen<br />

umgehen wollen. Mit den Ressourcen Mensch, Natur,<br />

Geld. Gabriela Manser: Mich beunruhigt, dass<br />

das Gleichgewicht zusehends gestört ist. Wir sind<br />

als KMU, die nur in der Schweiz tätig ist, nicht direkt<br />

vom Euro abhängig. Im vergangenen Jahr haben<br />

wir aber viel Geld für eine grosse und moderne<br />

Maschine ausgegeben. Da frage ich mich: Wird<br />

es uns gelingen, diese Maschine zu amortisieren?<br />

Wie stark sind wir vom ganzen System abhängig?<br />

Zuversichtlich bin ich dennoch. Ich weiss und<br />

habe erfahren, dass das Leben gelebt werden will.<br />

Im Kleinen finde ich auch immer wieder den Mut<br />

für das Grosse. Sei es während eines interessanten<br />

Gesprächs oder wenn ich eine Blume sehe, die zwischen<br />

zwei Steinen zum Blühen kommt.<br />

Ein Jahrzehnt enthemmter<br />

Finanzmarktökonomie hat<br />

den «Homo oeconomicus»<br />

hervorgebracht, der nur<br />

wirtschaftlich denkt. Ist das<br />

wahrhaft «Menschliche»<br />

jetzt das Ökonomische?<br />

Manser: Es ist sicher gefährlich, dass diese Gier<br />

akzeptiert wird als eine Art Kavaliersdelikt. Offenbar<br />

schämt sich niemand, wenn er ein überrissenes<br />

Gehalt bezieht. Wie wir als Gesellschaft<br />

da wieder rauskommen, ist mir nicht klar. Es<br />

braucht wohl einen gewissen Leidensdruck. Erst<br />

wenn der Mensch leidet, lässt er Veränderung zu.<br />

Hunziker-Ebneter: Bei diesen Menschen zählt nur<br />

eins: Lohn und Boni. Darum laufen sie mit diesen<br />

Dollarzeichen durchs Leben. Da ist nicht dieses<br />

Gefühl von «Leben will gelebt werden», wie Sie das<br />

vorher so treffend formuliert haben, Frau Manser.<br />

Es gibt aber auch Bankangestellte, die sagen:<br />

Ich will das nicht. Ich will meinen Kunden keine<br />

hochmargigen Produkte verkaufen, die sie gar<br />

nicht brauchen. Und wenn ich das nicht machen<br />

muss, verzichte ich im Gegenzug auf den Bonus.<br />

Nur wird das so von den Banken nicht akzeptiert.<br />

Einige dieser ehemaligen Bankangestellten arbeiten<br />

heute zum Teil für uns. Wir zahlen keine Boni<br />

– auch der Geschäftsleitung nicht. Wir zahlen ein<br />

gutes Fixum. Bei einer Bank würden die Leute aber<br />

sicher 20 bis 50 Prozent mehr verdienen. Trotzdem<br />

haben wir keine Mühe, qualifiziertes Personal zu<br />

finden. Natürlich führen wir heute einen anderen<br />

Lebensstil. Als Börsenchefin oder Investmentbankerin<br />

habe ich mehr verdient. Aber die Frage ist<br />

doch: Wie viel Geld brauchen wir für einen guten<br />

Fussabdruck? Ich habe zehn Jahre lang im Investmentbanking<br />

gearbeitet und dort etliche unglückliche<br />

reiche Leute gesehen. Damals habe ich mir<br />

geschworen: Wenn ich eine Firma gründe, gibt es<br />

kein Bonussystem, wo im Voraus berechnet werden<br />

kann, wie hoch der Bonus sein wird, wenn ich<br />

mich so und so verhalte. Manser: Als ich die Firma<br />

übernahm, zahlte ich mir noch lange einen Kindergärtnerinnenlohn.<br />

Heute zahle ich gute Löhne,<br />

und ich habe in meinem Betrieb auch eine Gewinnbeteiligung<br />

eingeführt. Ich tat dies aus tiefster<br />

Überzeugung, dachte, wenn es der Firma gut geht,<br />

sollen auch die Mitarbeitenden etwas davon haben.<br />

Aber ich frage mich, ob der Entscheid richtig war.<br />

Die Leute werden paradoxerweise unzufriedener.<br />

Hunziker-Ebneter: Wenn Sie Gewinn verteilen, ist<br />

dies allemal besser, als wenn Sie Boni auszahlen,<br />

die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im<br />

Voraus berechnet werden können.<br />

Wie ist Ihrer Meinung<br />

nach der raubtierhafte<br />

Finanzkapitalismus zu<br />

bändigen?<br />

Hunziker-Ebneter: Ich glaube, die Veränderung<br />

wird vom Individuum angestossen werden oder<br />

von Individuen, die sich in Gruppen, Netzwerken<br />

zusammenschliessen. Ich glaube nicht, dass der<br />

Wandel von den Institutionen eingeleitet werden<br />

kann. Manser: Es geht ja um die Haltung, die geändert<br />

werden muss. Alte Muster zu ändern, ist<br />

schwierig. Das kenne ich von mir selber. Manchmal<br />

geht das nur millimeterweise. Und jeder muss zuerst<br />

einmal merken, dass er in seinem Verhaltensmuster<br />

gefangen ist.<br />

Frau Manser, Sie sind eine<br />

Quereinsteigerin, waren<br />

Kindergärtnerin, bevor Sie<br />

die Mineralquelle Gontenbad<br />

übernahmen. Wie haben Sie<br />

das alles angepackt?<br />

Manser: Bevor ich die Mineralquelle übernahm,<br />

war ich Schulleiterin und stand 50 Kindergärtnerinnen<br />

vor. Ich dachte irgendwann: Was mache<br />

ich mit meinem Leben? Und wenn ich eine Schule<br />

leiten kann, kann ich dann vielleicht auch ein Unternehmen<br />

führen? Der Punkt war: Welche Familie<br />

hat schon die Chance, mit Mineralwasser Geld zu<br />

verdienen? Aber glauben Sie mir: Vorher entzog es<br />

sich meiner Vorstellungskraft, mich als Unternehmerin<br />

zu sehen. Bevor ich überhaupt einsteigen<br />

konnte, mussten wir als Erstes eine Nachfolgeregelung<br />

finden, die für die ganze Familie stimmte, für<br />

meine Schwester, meine Eltern und mich. Das war<br />

schwierig und viel Arbeit. Die Firma schrieb damals<br />

ja auch rote Zahlen. Doch mit der Sorgfalt, die<br />

wir damals walten liessen, legten wir das Fundament<br />

für all das, was nachher kam. Ein Unternehmen<br />

führen heisst für mich vor allem: Menschen<br />

führen. Als Pädagogin habe ich genau das gelernt.<br />

Das Fachwissen eignete ich mir danach Schritt für<br />

Schritt selber an. Heute – 14 Jahre später – stehen<br />

wir als Unternehmen sicher auf den Beinen, wir<br />

sind gesund. Das Ganze war eine Herausforderung,<br />

aber auch reizvoll. Als ich dann 2005 «Unternehmerin<br />

des Jahres» wurde, hat es mir gut getan, zum ersten<br />

Mal von aussen eine Bestätigung zu bekommen.<br />

Frau Hunziker-Ebneter,<br />

Sie waren Börsenchefin,<br />

bevor Sie eine eigene<br />

Vermögensverwaltungsfirma<br />

für nachhaltige<br />

Investitionen gründeten.<br />

Warum dieser Richtungswechsel?<br />

Hunziker-Ebneter: Ich beschloss vor sieben Jahren,<br />

meine persönlichen Werte noch konsequenter<br />

zu leben, und habe eine Firma gegründet, die<br />

darauf spezialisiert ist, das Geld von Privatkunden<br />

und Stiftungen nachhaltig anzulegen. Ich will<br />

einen persönlichen Beitrag leisten, damit das Geld<br />

anders fliesst. Ich war sehr gerne Börsenchefin, da<br />

diese Stelle eine gesellschaftlich wichtige Funktion<br />

hatte. In der Schweiz setzte ich mich unter anderem<br />

für die Einführung der elektronischen Börse<br />

ein und damit verbunden für eine Demokratisierung<br />

von Information. Alle Menschen sollten zur<br />

selben Zeit zu denselben Informationen kommen.<br />

Doch ich musste feststellen, dass nach ein paar<br />

Jahren alte Machenschaften auf der elektronischen<br />

Schiene wieder eingeführt wurden. Darum musste<br />

ich gehen.<br />

Nachhaltige Anlagen<br />

verzeichnen ein überdurchschnittliches<br />

Wachstum. Wer sind<br />

die Anleger?<br />

Hunziker-Ebneter: Die Schweiz ist ein Ausnahmeland.<br />

Erst seit 2011 gibt es hier gleich viele private<br />

wie institutionelle Anleger. Vorher gab es in der<br />

Schweiz mehr private Anleger, die in nachhaltige<br />

Anlagen investierten. In Deutschland und Österreich<br />

sind es viel mehr institutionelle Anleger, die<br />

auf Nachhaltigkeit setzen. Die staatlichen Pensionskassen<br />

in Norwegen und Schweden investieren<br />

ihr Geld ausschliesslich in sozial- und umweltverträgliche<br />

Firmen. Vor allem in der Deutschschweiz<br />

hinken die Pensionskassen diesbezüglich extrem<br />

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