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cher. Was die positiv christlich gerichteten Literatenkreise an Angriffslust<br />
und ästhetischer Streitfreu<strong>de</strong> erübrigten, wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />
letzten Jahren lei<strong>de</strong>r fast gänzlich aufgezehrt in zwar gewiß nicht<br />
ergebnislosen, aber immerhin die Stimmung weiter Kreise lähmen<strong>de</strong>n,<br />
herben, oft allzu herben Polemiken untereinan<strong>de</strong>r und<br />
kritischen Selbstbespiegelungen .... Die Kunststätten Wiens sind<br />
ein einziges Emporium <strong>de</strong>s Literaturju<strong>de</strong>ntums gewor<strong>de</strong>n. Die Clique<br />
herrscht so gut wie unumschränkt und hat alle Zugänge zum<br />
Publikum unter strengste Klausur gestellt. Wer nicht das Freimaurerzeichen<br />
weiß, wird nicht durchgelassen ....<br />
So horcht man <strong>de</strong>nn aus dieser Trostlosigkeit erfreut auf, so oft<br />
die satirischen Flegel <strong>de</strong>s unverdrossenen Dreschers Kraus erbarmungslos<br />
auf die Köpfe und Hohlköpfe <strong>de</strong>s verhaßten Usurpatorentums<br />
nie<strong>de</strong>rprasseln. Der da drischt, kommt nicht aus <strong>de</strong>m Reiche<br />
<strong>de</strong>r christlichen Weltanschauung. im eigenen Wal<strong>de</strong> ist <strong>de</strong>n<br />
Literaturvögten die Zuchtrute herangewachsen, die nun Ihre<br />
Rücken erbarmungslos peitscht. Ihr eigenes Fleisch ist — und vielleicht<br />
liegt gera<strong>de</strong> darin das Wirksamste <strong>de</strong>r Erscheinung — da rebellisch<br />
gewor<strong>de</strong>n gegen <strong>de</strong>n maßlosen Übermut <strong>de</strong>r geistigen<br />
Knechter Wiens. Fernab <strong>de</strong>r christlichen Ethik eilen oft Kraus' Gedankengänge.<br />
Das offenbart sich am aufdringlichsten in <strong>de</strong>r Behandlung<br />
<strong>de</strong>s immer wie<strong>de</strong>r aufgerollten erotischen Problems, das<br />
allerdings <strong>de</strong>n Satirikern aller Jahrhun<strong>de</strong>rte eine nicht min<strong>de</strong>r beliebte<br />
als ergiebige Schaffensquelle war. Überdies darf bei Kraus,<br />
wer seine Lebensauffassung und manche seiner Äußerungen erklären<br />
will, <strong>de</strong>n unverkennbaren Zug zur Ungebun<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r<br />
Bohème nicht übersehen, dieser gesellschafts—ästhetischen Reaktion<br />
gegen bürgerlichen Durchschnitt und reglementierte Philisterei.<br />
Unter diesen ausdrücklichen Vorbehalten gegenüber <strong>de</strong>r Geistesrichtung<br />
braucht kein Be<strong>de</strong>nken eine Würdigung <strong>de</strong>s in seiner Art<br />
ganz einzigen Kampfes an dieser Stelle zu unterdrücken, <strong>de</strong>n Karl<br />
Kraus seit zwanzig Jahren .... mit erstaunlichem Talente, unerbittlicher<br />
Konsequenz und seltener persönlicher Tapferkeit führt. Die<br />
unerschrockene Auflehnung dieses Einen gegen das Duo von Clique<br />
und Claque, <strong>de</strong>r Einsatz einer ganzen Persönlichkeit in diesem<br />
Krieg, aus <strong>de</strong>m nun langsam mit <strong>de</strong>r unüberwindlichen Sieghaftigkeit<br />
<strong>de</strong>s Genius <strong>de</strong>r Verfemte und Totgeschwiegene als Sieger,<br />
als Verfolger seiner Verfolger und Ächter seiner Verleum<strong>de</strong>r<br />
hervorgeht, das ist ein Schauspiel, so interessant und reich an ästhetischen<br />
Reizen als irgend eines, das während dieser Zeit <strong>de</strong>n<br />
Wienern auf ihren Bühnen geboten wur<strong>de</strong>. An Polemikern und Satirikern,<br />
die mit Papiermessern vor <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s geuzten Publikums<br />
Scheingefechte ausführten und hinter <strong>de</strong>r Szene einan<strong>de</strong>r<br />
mit englischen Pflästerchen aushalfen, litt Wien keinen Mangel, es<br />
durfte daher <strong>de</strong>m Neuling mit abwarten<strong>de</strong>m Mißtrauen begegnen.<br />
Als ihn aber <strong>de</strong>r bloßgestellte Häuptling <strong>de</strong>rer, die selbst <strong>de</strong>n Applaus<br />
untereinan<strong>de</strong>r gewissenhaft kontingentieren, vor <strong>de</strong>n Kadi<br />
schleppte, als man ihn zweimal in öffentlichen Lokalen überfallen<br />
und tätlich mißhan<strong>de</strong>ln ließ, um <strong>de</strong>n gefährlichen Spötter in ewiges<br />
Schweigen zu schrecken, und all das mit negativem Erfolg —<br />
da war es klar, daß hier einer re<strong>de</strong>te, <strong>de</strong>r es mit seinem Gelächter