Aufgeräumt: In der <strong>Clienia</strong> habe ich meine Ängste hinter mir gelassen.
Gesundheit ist keine Frage des Alters Auch in einer Zeit der Veränderung nach vorne schauen Alterspsychiatrie: Auf der Privatstation behandeln wir die Erkrankung unserer Patienten – und eröffnen ihnen neue Lebensräume. «Krankheit und Alleinsein gehören halt zum Altwerden dazu.» Noch heute werden fehlender Antrieb, Traurigkeit oder Vereinsamung oft als typisch für den Alterungsprozess betrachtet und nicht als Symptome einer Erkrankung. Nicht nur von der Gesellschaft, auch ältere Menschen selbst sagen diesen Satz gerne. Vielleicht haben sie während eines langen und arbeitsreichen Lebens gelernt, Störendes zu verdrängen. Oder sie haben sich geschämt, Hilfe zu holen, wenn sie überfordert waren. Haben sie nach der Pensionierung und dem Auszug ihrer Kinder mehr Zeit, dann melden sich alte Probleme und Ängste und nehmen im Alltag immer mehr Raum ein. Gewohnt, keine Hilfe in Anspruch zu nehmen, versuchen die Betroffenen nicht selten, sich selbst zu therapieren. Der Alkohol- und Tablettenkonsum steigt, und sie ziehen sich aus ihrem Umfeld zurück, weil sie sich unsicher fühlen. Das Altern bringt auch beim so genannt gesunden Menschen grosse Veränderungen mit sich. Der Verlust eines langjährigen Lebenspartners oder enger Freunde, der Ab schied vom Arbeitsplatz, die zunehmende Überforderung im temporeichen Alltag – all dies erfordert einen grossen und manchmal schmerzlichen Anpassungsprozess. Wenn dann noch die Einschränkungen einer Krankheit hinzukommen oder ein stabiles soziales Netz fehlt, dann machen sich Angst, Hoffnungslosigkeit und Niedergeschlagenheit breit. Es braucht Mut, sich einzugestehen, dass die Dinge nicht mehr so sind wie früher, dass der Körper sich meldet oder die kognitiven Fähigkeiten abnehmen. Und je mehr sich der Lebensraum einschränkt, desto eher richtet der Mensch seinen Blick trauernd und ängstlich auf all das, was er verloren hat, und verliert all das Gute, was noch da ist, aus den Augen. Auf unsere alterspsychiatrische Privatstation kommen Menschen mit Depressionen, Medikamenten- und Alkoholmissbrauch, wahnhaften Störungen oder Psychosen. Wir begleiten sie und ihre Angehörigen durch einen Prozess, der viel Raum einnimmt. Wir müssen ihren Zustand präzise abklären und sie mit ihrer Erkrankung, eventuell mit lange hinausgeschobenen Diagnosen konfrontieren, die eine medizinische Behandlung erfordern. Während der Zeit ihres Aufenthalts auf der Station behandeln wir sie psychotherapeutisch und, wenn es angebracht ist, auch medikamentös. Wir geben ihnen den Raum, über ihre Ängste zu reden oder auch, im Wortsinn, in ihrer Vergangenheit aufzuräumen. Schliesslich ist das Alter auch darum eine interessante und herausfordernde Lebensphase, weil es nicht mehr möglich ist, Dinge auf später zu verschieben. Was noch Platz haben soll im Leben, muss ihn jetzt erhalten. Zu unse- Alterspsychiatrie <strong>Jahresbericht</strong> <strong>2012</strong> 17