Krise des Kapitalismus und Neuorientierung der Wirtschaftspolitik

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Krise des Kapitalismus und Neuorientierung der Wirtschaftspolitik Die Autoren Inhalt Werner G. Seifert ist seit 1993 Vorsitzender des Vorstands der Deutsche Börse AG. 1978 bis 1986 war er Unternehmensberater bei McKinsey & Company, seit 1982 als Partner. 1987 bis 1993 leitete er als Mitglied der Konzernleitung der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft das Erstversicherungsgeschäft. Seifert lehrt an der European Business School Kapitalmarkt und Börse. Hans-Joachim Voth ist Associate Professor am Economics Department, Universitat Pompeu Fabra, Barcelona, und Associate Director des Centre for History and Economics, King’s College, Cambridge. Zuvor war er Research Fellow am Clare College, Cambridge, hat als Berater bei McKinsey & Company gearbeitet und hatte Gastprofessuren in Stanford und am Massachusetts Institute of Technology inne. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1. Kursverluste, Konkurse, „Kapital“verbrechen – Für eine Allianz von aufgeklärten Bürgern und starkem Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Die heimliche Abkehr von der Aktie – Realwirtschaftliche Ursachen der Kapitalmarktkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3. Schluss mit der Politik der Ausreden – Unter Schröder entwickelte sich die deutsche Wirtschaft so schlecht wie seit den Ölkrisen nicht mehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4. Eine Bundesliga für die Bundesländer – Wirtschaftsföderalismus als Wettbewerbsveranstaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 © 2002 Werner G. Seifert und Hans-Joachim Voth. Gestaltung und Satz: F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbH Mainzer Landstraße 195, D-60326 Frankfurt am Main Die Artikel geben ausschließlich die Meinungen und Einschätzungen der Autoren wieder, unabhängig von den Standpunkten irgendwelcher Institutionen oder Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten. 5. Die etwas andere Teilung – Zweierlei Wirtschaft in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 6. Gerechtigkeit und Risiko – Überlegungen zur Förderung der „neuen“ Aktienkultur in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2
Einleitung Deutschland in der doppelten Vertrauenskrise: Die Enttäuschung über die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung nimmt zu, das Vertrauen in die Marktwirtschaft, besonders in die Kapitalmärkte, nimmt ab. Die Regierung Schröder, die mit einem Programm zur Erhaltung des alten bundesrepublikanischen Sozialstaats angetreten war, hat sich zwar nach dem Rücktritt Oskar Lafontaines einer unternehmensfreundlicheren Politik zugewendet. Doch die erhofften Ergebnisse bleiben weit gehend aus. Besonders die hartnäckig hohe Arbeitslosigkeit und das schwache Wachstum lassen Kritik immer lauter werden. Die Wahlchancen der Regierungskoalition scheinen dahinzuschwinden. Gleichzeitig wird die Krise des Kapitalismus heraufbeschworen, da das Vorbild Amerika in einer überraschend heftigen Rezession steckt und die Anleger ihr Vertrauen in Aktien verlieren, deren Kurse, besonders bei den Wachstumswerten, in den letzten zwei Jahren erheblich gefallen sind. Da wirkt die breitere Anwendung marktwirtschaftlicher Prinzipien für viele nicht mehr als überzeugende Alternative zum bundesrepublikanischen Modell, Ratlosigkeit und diffuse Ablehnung nehmen zu, und ein bekanntes Hamburger Nachrichtenmagazin spricht bereits vom drohenden „Raubtierkapitalismus“. Im Vorfeld der Bundestagswahl soll unsere Aufsatzsammlung zur wirtschaftspolitischen Diskussion beitragen. Sie baut auf Daten und Fakten auf, analysiert Ausmaß und Ursachen der gegenwärtigen Vertrauenskrise, bewertet die Leistungen der Regierung Schröder und zeigt ethische Implikationen der jüngsten Entwicklungen in den OECD- Volkswirtschaften und Kapitalmärkten auf. Einige Kernaussagen der sechs Aufsätze: > Die Gefahr einer „Rebellion gegen den Markt“ und einer zunehmenden Repolitisierung von Wirtschaftsprozessen wächst. In der Tat zeigen die Entwicklungen der letzten drei Jahre, dass Märkte weniger sich selbst überlassen bleiben dürfen als bisher. Die richtige Antwort ist jedoch mehr Staat – und weniger Politik. > Die Krise an den Kapitalmärkten ist nur zum Teil durch spekulative Übertreibungen und kriminelle Machenschaften verursacht – sie ist vor allem auch eine Schuldenkrise der Unternehmen, die in guten Jahren massive Verbindlichkeiten aufgehäuft haben. > Kurzfristige Konjunkturausschläge drohen zu verhindern, dass die Strukturprobleme in Deutschland angegangen werden. Ein Blick auf die entscheidenden wirtschaftlichen Kennzahlen zeigt, dass der „Gegenwind“ des weltweiten Konjunktureinbruchs nicht für die schlechte Lage in Deutschland verantwortlich ist. Vielmehr ist – auch im europäischen Vergleich – mangelnde „Leidenschaft für den Markt“ zu beklagen. > Stoiber ist in Fragen der wirtschaftlichen Performance schlechter als sein Ruf. Wir vergleichen die Entwicklung in den Bundesländern unter verschiedenen Ministerpräsidenten und finden nur begrenzte Unterschiede zwischen den beiden Spitzenkandidaten. Die großen Parteien und die von ihnen geführten Landesregierungen hingegen unterscheiden sich erheblich bei den Erfolgen ihrer Wirtschaftspolitik. Diese deutlichen Performanceunterschiede zwischen den Bundesländern könnten für die Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland genutzt werden, wenn sich föderaler Wettbewerb mehr lohnen würde. > Wirtschaftlich ist Deutschland tief gespalten. Doch die Bruchlinie verläuft nicht entlang der ehemaligen Zonengrenze – sondern mitten durch die Unternehmenslandschaft. Der an den Börsen gelistete Teil der Volkswirtschaft ist hochgradig erfolgreich und schlägt sich auch als Motor der Beschäftigung hervorragend; derjenige Teil jedoch, dem der „Stachel der Kapitalmärkte“ fehlt, eilt von Problem zu Problem. So betrachtet hat selbst der verlustreiche Neue Markt preiswertere Arbeitsplätze generiert als die öffentlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. > Eine neue Ethik für das Wirtschafsleben ist dringend notwendig. Dabei muss der Schwerpunkt der Diskussion von der Einkommens- auf die Risikoverteilung verlagert werden. Hierzu gehören Transparenz und Ehrlichkeit, aber auch eine Abkehr von der ex-post- Betrachtung der Vermögensverteilung als Zeichen der „Gerechtigkeitslücke“. Unsere Beiträge sind keine Abrechnung mit der Wirtschaftspolitik der Regierung Schröder, und sie sollen auch nicht die Notwendigkeit eines Regierungswechsels demonstrieren. Nicht so sehr die Antwort auf die Frage „Schröder oder Stoiber?“ entscheidet über den wirtschaftlichen Erfolg. Wir möchten vielmehr die wirtschaftliche Diskussion zur Bundestagswahl 2002 nutzen, um mit einigen Missverständnissen über die Ursachen der gegenwärtigen Krise aufzuräumen. Dass Deutschland eine andere Wirtschaftspolitik braucht, gehört allerdings zu unseren Thesen. Unsere Analysen zeigen, dass es durchaus Lösungsmöglichkeiten jenseits von rechts und links gibt. 3
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