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Krise des Kapitalismus und Neuorientierung der Wirtschaftspolitik

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4. Eine Bun<strong>des</strong>liga für die Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> –<br />

Wirtschaftsfö<strong>der</strong>alismus als Wettbewerbsveranstaltung<br />

Stoiber wird in seinen Fertigkeiten als „Macher“ in Bayern überschätzt;<br />

berücksichtigt man die Startvorteile <strong>des</strong> Freistaates, so schneiden Stoiber<br />

<strong>und</strong> Schrö<strong>der</strong> ähnlich erfolgreich bei <strong>der</strong> <strong>Wirtschaftspolitik</strong> ab. Deutliche<br />

Unterschiede zeigen sich jedoch bei den Parteien – die SPD regiert<br />

immer dann, wenn die Arbeitslosigkeit ansteigt <strong>und</strong> das Wachstum<br />

einbricht. In <strong>der</strong> unterschiedlichen Performance <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> liegt<br />

eine Chance für einen stärkeren Fö<strong>der</strong>alismus in <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>republik;<br />

um sie zu nutzen, ist mehr Wettbewerb zwischen den Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n<br />

erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Im Jahr 2002 ist Wirtschaftskompetenz das zentrale<br />

Wahlkampfthema schlechthin. Das Gefühl <strong>der</strong> lähmenden<br />

<strong>Krise</strong>, das in den langen Jahren <strong>des</strong> „Reformstaus“ unter<br />

Kohl langsam wuchs, hat unter Kanzler Schrö<strong>der</strong> enorme<br />

Dimensionen erreicht. Ob bei <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit o<strong>der</strong> den<br />

Wachstumsraten, bei <strong>der</strong> Produktivität o<strong>der</strong> den Aktienkursen<br />

– kaum eine makroökonomische Kennziffer, die<br />

den Beobachter nicht zur Schwarzseherei verleiten würde.<br />

Das einstige Wirtschaftsw<strong>und</strong>erland <strong>der</strong> Adenauer-Jahre,<br />

die „Lokomotive <strong>der</strong> Weltwirtschaft“ unter Schmidt, belegt<br />

mittlerweile immer häufiger den letzten Platz beim Wirtschaftswachstum<br />

in <strong>der</strong> Europäischen Union. Keine<br />

Frage, in Deutschland muss dringend die richtige <strong>Wirtschaftspolitik</strong><br />

gemacht werden. Die Wähler wissen es,<br />

<strong>und</strong> suchen nach Kandidaten mit „Wirtschaftskompetenz“.<br />

Doch wie kann dieser schwammige Begriff mit Bedeutung<br />

gefüllt o<strong>der</strong> gar gemessen werden?<br />

Unser Artikel versucht zweierlei. Erstens stellen wir dar,<br />

wie <strong>der</strong> Erfolg <strong>und</strong> das Scheitern von <strong>Wirtschaftspolitik</strong><br />

auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> angemessen bewertet<br />

werden kann. Zweitens diskutieren wir, wie die fö<strong>der</strong>ale<br />

Struktur besser zur Wie<strong>der</strong>gewinnung von Wachstums<strong>und</strong><br />

Beschäftigungsdynamik genutzt werden kann. Hier<br />

gibt es eine einfache <strong>und</strong> relativ schmerzlose Gelegenheit,<br />

unseren Vorschlag „Mehr Erhard, Gerhard!“ (siehe Kasten<br />

Seite 36) umzusetzen.<br />

Nationale <strong>Wirtschaftspolitik</strong> ist Zufällen aller Art ausgesetzt;<br />

bisweilen scheinen Kanzler <strong>und</strong> Finanzminister<br />

regelrecht vom Pech verfolgt. Für Einbrüche, wie sie den<br />

Ölschocks beispielsweise folgten, kann kein Kanzler. Vergleiche<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftsentwicklung unter verschiedenen<br />

Regierungsparteien sind damit konzeptionell schwierig.<br />

In <strong>der</strong> öffentlichen Debatte wird auch <strong>des</strong>halb immer<br />

wie<strong>der</strong> gern die Leistung von Kanzlerkandidaten während<br />

ihrer Zeit als Ministerpräsident als Vergleichsmaßstab herangezogen.<br />

Stoibers Befürworter betonen die boomende<br />

Biotechnologie in Bayern, den erfolgreichen Verkauf von<br />

Staatsbeteiligungen, die hohen Investitionen in Bildung<br />

<strong>und</strong> Infrastruktur. Wie Edm<strong>und</strong> Stoiber auf dem CDU-<br />

Bun<strong>des</strong>parteitag in Frankfurt verkündete: „Ich bin <strong>und</strong><br />

war <strong>der</strong> bessere Ministerpräsident als Schrö<strong>der</strong>, <strong>und</strong> ich<br />

werde <strong>der</strong> bessere Bun<strong>des</strong>kanzler sein.“ Kritiker hingegen<br />

verweisen auf die Kirch-Pleite <strong>und</strong> die staatliche Einflussnahme<br />

bei <strong>der</strong> Kreditvergabe – kurz das, was Kritiker als<br />

bajuwarischen Filz bezeichnen. Wie<strong>der</strong>holt wird beispielsweise<br />

dann versucht, die Leistungen Stoibers als Ministerpräsident<br />

mit denen Schrö<strong>der</strong>s in Nie<strong>der</strong>sachsen zu vergleichen.<br />

Tabelle 1: Wachstum <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit in den Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n, 1976 bis 2001, nach Parteizugehörigkeit <strong>des</strong><br />

Ministerpräsidenten<br />

Alle Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> Alte Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> Neue Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong><br />

Wachstumsrate SPD 2,08% 1,84% 3,22%<br />

CDU 3,07% 2,46% 5,18%<br />

CSU 2,97%<br />

Arbeitslosenquoten SPD 10,72% 9,56% 18,24%<br />

CDU 9,50% 6,88% 16,86%<br />

CSU 6,15%<br />

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