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Krise des Kapitalismus und Neuorientierung der Wirtschaftspolitik

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5. Die etwas an<strong>der</strong>e Teilung –<br />

Zweierlei Wirtschaft in Deutschland<br />

Ein tiefer Riss geht durch die deutsche Wirtschaft. Doch er trennt<br />

nicht Ost- von Westdeutschland, son<strong>der</strong>n den börsennotierten vom restlichen<br />

Teil. Deutschlands Aktiengesellschaften haben weit überdurchschnittlich<br />

zum Beschäftigungswachstum <strong>und</strong> zur Steigerung <strong>des</strong><br />

Bruttosozialprodukts beigetragen; Insolvenzwelle, Wachstumskrise <strong>und</strong><br />

Stagnation <strong>der</strong> Beschäftigung betreffen vor allem die nicht dem Druck<br />

<strong>der</strong> Kapitalmärkte ausgesetzten Firmen <strong>und</strong> den öffentlichen Dienst.<br />

Wir machen Vorschläge, wie das erwiesene Erfolgsrezept breitere<br />

Anwendung erfahren kann.<br />

Die Arbeitslosenzahl ist wie<strong>der</strong> über vier Millionen gestiegen,<br />

so informierte die Bun<strong>des</strong>anstalt für Arbeit im<br />

Juli. Gleichzeitig las man im Spiegel über den Beschäftigungsabbau<br />

bei den DAX-Unternehmen, während das<br />

manager magazin die Gier <strong>der</strong> Bosse <strong>und</strong> ihre überzogenen<br />

Gehälter geißelt. Die Risse im F<strong>und</strong>ament <strong>des</strong> <strong>Kapitalismus</strong><br />

scheinen sich Woche um Woche mit jedem<br />

neuen Skandal <strong>und</strong> jedem neuen Bankrott zu vergrößern.<br />

Die Ankündigung von Arbeitsplatzverlusten wie beispielsweise<br />

jüngst bei Telekom, Siemens <strong>und</strong> Bayer trägt wie<br />

kein an<strong>der</strong>er Faktor zum diffusen Unbehagen bei. Wie<br />

kann ein System überleben, das steigende Massenarbeitslosigkeit<br />

mit satten Gewinnen für Spitzenmanager kombiniert,<br />

so fragen sich viele. Die im DAX börsennotierten<br />

Firmen sind wegen ihrer Größe, ihrer internationalen<br />

Bekanntheit <strong>und</strong> <strong>der</strong> ständig verfügbaren Informationen<br />

über ihren Aktienkurs zu den Symbolen <strong>des</strong> „Raubtierkapitalismus“<br />

geworden.<br />

Die Wirklichkeit ist wie immer etwas komplexer. Die prominentesten<br />

börsennotierten Unternehmen sind nicht<br />

die Spitze eines Eisbergs, nicht einfach nur die extreme<br />

Form all <strong>der</strong> Praktiken <strong>und</strong> Probleme, die den deutschen<br />

Unternehmenssektor insgesamt betreffen. Der englische<br />

Premierminister Benjamin Disraeli prägte im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

den Begriff <strong>der</strong> zwei Nationen, um die dramatischen<br />

sozialen Gegensätze seiner Zeit zu beschreiben. Die<br />

Unterschiede in Deutschland haben ein ähnlich drastisches<br />

Bild verdient – ein tiefer Riss geht durch die deutsche<br />

Wirtschaft. Auf <strong>der</strong> einen Seite steht <strong>der</strong> börsennotierte<br />

Teil, <strong>der</strong> trotz aller Probleme insgesamt profitabel<br />

arbeitet, hochgradig stabil ist <strong>und</strong> Beschäftigung schafft.<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite steht <strong>der</strong> Rest <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft,<br />

in <strong>der</strong> Form von Kommanditgesellschaften <strong>und</strong><br />

GmbHs, kontrolliert von Familien <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Stiftungen,<br />

vom Grün<strong>der</strong> o<strong>der</strong> den Gesellschaftern. Ihnen fehlt <strong>der</strong><br />

Stachel <strong>der</strong> Kapitalmärkte, die angeblich so schädliche<br />

Hektik <strong>der</strong> täglichen Börsenbewertung <strong>und</strong> Quartalsberichte.<br />

Sie sind das Herz <strong>des</strong> „Mittelstan<strong>des</strong>“, den alle<br />

Politiker unisono als mythische Quelle <strong>der</strong> Beschäftigung<br />

<strong>und</strong> alles wirtschaftlich Guten preisen. Und gerade hier<br />

häufen sich die Pleiten, die Gewinneinbrüche <strong>und</strong> Absatzprobleme,<br />

<strong>und</strong> die Schaffung neuer Stellen lahmt.<br />

Demgegenüber hätte die ganze deutsche Wirtschaft<br />

heute 900.000 Arbeitslose weniger, wenn sie insgesamt<br />

Arbeitsplätze so erfolgreich geschaffen hätte wie die<br />

börsennotierten Unternehmen – trotz <strong>des</strong> Beschäftigungsabbaus<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Hand.<br />

Drei Aspekte verdeutlichen den tiefen Riss zwischen<br />

„Börsendeutschland“ <strong>und</strong> dem nicht börsennotierten Rest:<br />

> Börsennotierte Unternehmen wachsen schneller <strong>und</strong><br />

exportieren mehr als die deutsche Volkswirtschaft<br />

insgesamt,<br />

> sie schaffen deutlich mehr neue Arbeitsplätze,<br />

> sie sind stabiler <strong>und</strong> weniger von Konkurs <strong>und</strong><br />

Zahlungsschwierigkeiten bedroht.<br />

Stichwort Wachstum: In den Jahren 1997 bis 2001<br />

nahm die deutsche Wirtschaftsleistung (auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage<br />

<strong>der</strong> Bruttowertschöpfung) um 9,2 Prozent zu. Der Staatssektor<br />

leistete einen negativen Beitrag – die reale Wertschöpfung<br />

ging um 1,7 Prozent zurück. In <strong>der</strong> restlichen<br />

Volkswirtschaft stieg sie um insgesamt zehn Prozent an.<br />

Dabei blieb in den Jahren 1998, 1999 <strong>und</strong> 2001 die<br />

Zunahme eher gering. Der kurze Aufschwung <strong>des</strong> Jahres<br />

2000, als die Wirtschaftsleistung um 3,6 Prozent zulegte,<br />

trug fast die Hälfte zur gesamten Steigerung bei. Ganz<br />

an<strong>der</strong>s bei den börsennotierten Unternehmen. Die Entwicklung<br />

<strong>des</strong> Nettogewinns (nach Abschreibungen <strong>und</strong><br />

Steuern) zeigte zunächst steil nach oben; die Gewinne<br />

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