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Der Gefangene - Wo sind die Lügen dieser Welt?

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Die Jerusalemer wundern sich, als sie Kaiphas wie gefangen sehen und weichen<br />

ängstlich aus. Die Besseren flüstern es sich zu: "<strong>Der</strong> Tribun ist gut, der hat <strong>die</strong><br />

Mutter Jesu vor dem Hohen Rat geschützt."<br />

"Richte deine Sachen", mahnt Cornelius. Maria eilt, reicht auch den Legionären,<br />

<strong>die</strong> sie samt Haus bewachen, Brot und Wein und gutes Fleisch. Tags zuvor<br />

hatten Freunde sie damit versorgt. Die Wächter lassen sich im Scharten vor der<br />

Türe nieder und genießen gern <strong>die</strong> gute Kost. "Bei <strong>die</strong>ser Frau darf niemand<br />

rein, nur der Tribun und dessen Hauptmann."<br />

Cornelius läßt im Beisein des Venitrius und zehn seiner besten Leute den Templer<br />

vor sich führen, absichtlich frei. Er setzt sich an den Richtertisch, legt eine<br />

Rolle auf und schreibt. Kaiphas sieht gelassen drein, hochmütige Falten im<br />

Gesicht, innerlich aber brennt und brodelt es. Wie eine Schlange kriecht <strong>die</strong><br />

Angst ins Herz. Was er wohl schreiben mag? Endlich, nach einer Stunde, ist der<br />

Römer fertig, schiebt <strong>die</strong> Rolle dem Zenturio hin und befiehlt? "Lies vor, was<br />

ich geschrieben habe!"<br />

Venitrius darf als Augenzeuge es nicht tun. So ist dann nicht zu sagen, es würde<br />

alles anders dargestellt. <strong>Der</strong> Zenturio überfliegt <strong>die</strong> ersten Zeilen, sieht den<br />

Templer an und den Tribun. "Lies!" heißt es abermals. Unheimlich kommt's den<br />

Römern vor, daß so etwas geschehen kann. Sie kamen jetzt erst mit Cornelius<br />

her und wissen nichts von einer Kreuzigung und was daraus geschah. So <strong>sind</strong> sie<br />

an sich unbeteiligt; um so unbeeinflußter denken sie.<br />

Nach der Verlesung unterschreiben Cornelius und Venitrius, auch der Zenturio,<br />

weil er den Tatbestand im Beisein des Inhaftierten vorgelesen hat. Daß <strong>die</strong>ser<br />

freigelassen würde, hätte der Zenturio nie gedacht. Cornelius kennt gut seinen<br />

Mann; später hilft er ihm politisch auf <strong>die</strong> Sprünge. Er steht auf und spricht sehr<br />

hart, der liebe Brausekopf möchte wieder 'brausen'. Diesmal bezähmt er sich,<br />

darum wirken seine <strong>Wo</strong>rte wie <strong>die</strong> Schläge eines Schwertes.<br />

"Im Namen des römischen Gesetzes verurteile ich den Hohenpriester Kaiphas<br />

von Juda-Jerusalem zu zehntausend Silberlingen! Das Geld ist binnen einem<br />

Mond an mich abzuführen. Zu der Zeugen Beruhigung: es kommt nicht in meine<br />

Kasse!" Daß er für viele Jesu-Leute, wie er gern sagt, das Bußegeld verwenden<br />

will, wird er dem Kaiser melden. Dieser hatte später zugebilligt.<br />

"Du kannst gehen, Kaiphas. Laß dich nicht gelüsten, irgendwo <strong>die</strong> Summe<br />

aufzutreiben. Du wirst von nun an überwacht! Geh', solch ein Gewürm mag ich<br />

nimmer sehen, es ekelt mich!" Er dreht jenem seinen Rücken zu. Als der den<br />

Raum verläßt, tun es alle Römer nach. <strong>Der</strong> größte Schimpf, der je dem Templer<br />

widerfahren ist.<br />

Am Nachmittag muß er eine zweite bittere Pille schlucken. Sogar das Volk wird<br />

gegen ihn erbost. Wieder hat Cornelius zwei Kohorten aufgeboten, <strong>die</strong> Jerusalemer<br />

aufgefordert, friedlich vor dem Tempel zu erscheinen, jeder stünde unter<br />

seinem Schutz. Man kommt gern, er ist fast der einzige Römer, zu dem man<br />

Vertrauen hat und — man hört wohl etwas Neues.<br />

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