Der Gefangene - Wo sind die Lügen dieser Welt?
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hastig um; wie er erschüttert ist, soll Joanus nicht sehen. Dieser lächelt. 'Ich sehe<br />
es, Tribun, mit dem Herzen, das nicht Rom geboren hat!' —<br />
Als sich der Kerker öffnet, starren <strong>die</strong> Piraten haßerfüllt <strong>die</strong> Römer an. Einer<br />
schreit: "Du kannst uns töten, wir <strong>sind</strong> bereit!" Cornelius sagt, mit Absicht<br />
scheinbar hart: "Rom bestimmt, was mit euch geschieht, nicht ich! Wer ist von<br />
euch schwer verwundet? Ihr könnt euch melden, es geschieht euch nichts." Einer<br />
kriecht am Boden mühsam vor. <strong>Der</strong> Tribun nimmt ihm <strong>die</strong> Fesseln ab. Zwei<br />
Legionäre tragen ihn nach oben. Als man seine Wunden sieht, sagt der Hauptmann<br />
leise, damit es der Verwundete nicht hört: "Dem wäre besser, er drückt <strong>die</strong><br />
Augen zu — für immer."<br />
Maria beugt sich nieder und flößt dem Armen Wasser ein. Er trinkt gierig und<br />
sieht dabei in reine, wundersame Augen. Da ist's, als kehre sich in seiner Seele<br />
etwas um. Noch ist's kaum ein Funke, der ihn durchzuckt: 'Nie hätte ich dem<br />
Weibe etwas angetan, nie!' Maria muß ihn trösten. "Dein Bein ist nicht zu retten,<br />
aber deine Seele. Willst du das?" Fremde <strong>Wo</strong>rte, unverständlich der Begriff, und<br />
doch eine weiche Flut, <strong>die</strong> ihn durchdringt. Er sieht Maria an und sie liest in<br />
seinem Blick das Unverständnis und ein 'ja'. Da legt sie ihre Hände auf sein<br />
Haupt.<br />
Einer aus des Hauptmanns Truppe, der in Rom von einem Arzt sich manches<br />
zeigen ließ, trennt den zertrümmerten Unterschenkel ab. Eine Operation mit<br />
primitiven Mitteln. Ohnmacht tötet <strong>die</strong>sen Schmerz. Die Lichtkraft, <strong>die</strong> Jesu<br />
Jünger und Maria geben, helfen ihm nach Tagen, das Bitterste zu überwinden.<br />
Noch ein paar schwere Fälle kommen an <strong>die</strong> Reihe; von denen geht keiner<br />
wieder von der Insel fort; rund ein Dutzend bleiben. Mit den anderen <strong>Gefangene</strong>n<br />
fährt Cornelius nach Rom, er will so bald als möglich wiederkommen. Er<br />
entdeckt erst auf dem Schiff, daß er <strong>die</strong> Rollen bei sich hat, deretwegen er nach<br />
Patmos kam. "Bei mir <strong>sind</strong> sie gut verwahrt, und es gab wirklich keine Zeit,<br />
Joanus sie auszuliefern", sagt er zu sich selbst.<br />
Es geht alles rascher, als gedacht. Ein Sieg wird noch bewertet. Sechs Galeeren<br />
laufen aus, das Nest der Piraten auszuräuchern. Mit dem Kaiser hat Cornelius<br />
eine Unterredung. "Kannst viel verlangen", sagt jener gnädig, "wenn ich mich<br />
auch erst gewundert habe, was du so oft auf Patmos tust.<br />
Gut war, ein paar Juden in den Schutz zu nehmen, so sieht <strong>die</strong>ses störrischste<br />
Volk, daß wir ja Helfer <strong>sind</strong> und keine Unterdrücker." Cornelius schweigt dazu.<br />
"<strong>Der</strong> Hauptmann war sehr tapfer?" "Ja, er und andere <strong>sind</strong> verwundet", bestätigt<br />
der Tribun. "Leider gibt es auf der Insel keinen Arzt, obgleich schon öfter<br />
Patmos überfallen worden ist."<br />
"So? Ich habe mehrere am Hof, einen gebe ich der Insel ab. <strong>Der</strong> Hauptmann ist<br />
von nun an frei; er kann auch nach Rom zurück, wenn er will." "Er will auf<br />
Patmos bleiben, kennt rundum das Meer. Nur freilich wird der Dienst als Freier<br />
ihm mehr Freude machen." "Ich gebe dir <strong>die</strong> Rolle mit. Die Piraten laß ich töten,<br />
ist nicht schad' um das Ge<strong>sind</strong>el."<br />
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