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Martin Ingenfeld - Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft

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Nur vor dem Hintergrund dieser innerkatholischen Debatten, zumal während der<br />

Jahre des Konzils, ist die besondere Erwähnung, welche die katholische Religion in<br />

den Ausführungen Böckenfördes findet, zu verstehen. Hinzu kommt, dass der Text<br />

vornehmlich das historische Phänomen der Säkularisierung behandelt, während die<br />

These der Nichtgarantierbarkeit der vorpolitischen Grundlagen der freiheitlichen<br />

Demokratie dort eher am Rande vorgetragen wird. Das Diktum selbst allerdings<br />

nennt die Religion nicht, sondern geht nur allgemein auf die „bindenden Kräfte“ einer<br />

Gesellschaft ein: Die hervorhebende Berücksichtigung des Katholizismus lässt sich<br />

daher allenfalls als illustrierendes Beispiel verstehen <strong>für</strong> eine Religion, die aus<br />

eigenem Antrieb und eigenen Ressourcen zur Herstellung der benötigten politischen<br />

Homogenität der Bürger beiträgt. Ein religiöses oder sonstiges weltanschauliches<br />

Fundament der Demokratie kann diesem Ziel jedoch nicht dienen und wird von<br />

Böckenförde ausdrücklich zurückgewiesen. 29<br />

Auf weit größere und skeptischere Aufmerksamkeit als Böckenfördes Beiträge zur<br />

innerkatholischen Debatte der Nachkriegszeit ist allerdings die vermeintliche Geburt<br />

des Diktums aus dem Geiste Carl Schmitts und der so genannten Ritter-Schule<br />

gestoßen, welcher Böckenförde ebenso entstammt wie etwa der bereits erwähnte<br />

Hermann Lübbe. 30 In seiner umfangreichen Studie zur „liberalkonservativen<br />

Begründung der Bundesrepublik“ hat Jens Hacke das Böckenförde-Diktum als<br />

typisches Beispiel <strong>für</strong> das Staatsverständnis der Ritter-Schule angeführt und auf<br />

deren vermittelnde Stellung zwischen Ritter und der auf Hegel zurückreichenden<br />

Tradition einerseits, der liberalen Theorie andererseits hingewiesen. 31 Analoges lässt<br />

sich auch <strong>für</strong> den Einfluss Carl Schmitts auf Böckenförde konstatieren. Böckenförde<br />

ist zu jenen Juristen der Nachkriegszeit zu zählen, die nicht nur engen Kontakt<br />

hielten zu dem in Plettenberg lebenden einstigen „Kronjuristen des Dritten Reiches“,<br />

Vatikanische Konzil den überlieferten katholischen Staatsbegriff verwarf und die Kirche auf den Boden der<br />

Religionsfreiheit stellte.“<br />

29<br />

Der etwa von Hartmut Kreß erhobene Vorwurf eines „kirchlich-apologetischen Akzent[s]“ ist daher<br />

überzogen: „Sein Diktum lief darauf hinaus, das katholische Christentum könne den modernen säkularen<br />

Staat akzeptieren, da dieser nach wie vor von christlichen katholischen Voraussetzungen abhängig bleibe.“<br />

(Kreß 2008b, S. 294) Gerade das ist nicht Böckenfördes Position, der Kirche und Christen lediglich auf die<br />

Möglichkeiten hinweist, welche sich ihnen unter der Anerkennung der Religionsfreiheit durch ihre Freigabe<br />

aus politischer Einbindung bietet (vgl. auch Böckenfördes Replik auf Kreß: Böckenförde 2008).<br />

30<br />

Diese Anspielung auf Nietzsche findet sich bei Dirsch 2009. Vgl. als jüngere Überblicksdarstellungen zur<br />

Ritter-Schule Hacke 2006 bzw. zur Nachwirkung Carl Schmitts in Politik, Philosophie und Staatsrechtslehre<br />

Müller 2008.<br />

31<br />

Vgl. Hacke 2006, S. 166.<br />

12

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