Regel und Ausnahme - Archiv - Personalwirtschaft
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als 1500 Euro im Monat weder eine Riester-Rente<br />
noch eine betriebliche Altersversorgung<br />
abgeschlossen haben. Nur durchschnittlich<br />
vier Prozent der gesamten<br />
Altersbezüge stammen heute in Deutschland<br />
aus Betriebsrenten – weitere fünf Prozent<br />
aus der privaten Vorsorge.<br />
Diese Fakten sprechen für sich. Der Plan,<br />
die Bürger durch staatliche Förderung zu<br />
substantieller Eigenvorsorge zu bewegen<br />
<strong>und</strong> die Bezieher geringer Einkommen besser<br />
abzusichern, ist gescheitert. Für die<br />
Alterssicherung in Deutschland ergibt sich<br />
daraus eine gefährliche Gemengelage. Mit<br />
einem Anteil von knapp 90 Prozent dominiert<br />
nach wie vor die gesetzliche Rentenversicherung.<br />
Doch die Rentenreformen<br />
der jüngsten Vergangenheit führen dazu,<br />
dass das Rentenniveau bei nahezu unverändertem<br />
Rentenbeitrag <strong>und</strong> höherem Renteneintrittsalter<br />
weiter sinkt (siehe Abbildung<br />
2).<br />
Netto-Ersatzquote für Lebensstandardsicherung im Alter Abbildung 1<br />
lebensstandardsichernde Netto-Ersatzrate<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
65 66 66<br />
mortalitätsgewichteter Durchschnitt: 74% bis 75%<br />
korrigiert um Effekte der Inflation: 87%<br />
68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80<br />
Alter<br />
Lineares Fixed-effects-Modell<br />
95%-Konfidenzgrenzen<br />
• Die Konfidenzgrenzen geben an, in welchem Bereich der Wert mit 95%-iger Wahrscheinlichkeit liegt.<br />
• Ein lineares Fixed-effects-Modell ist ein statistisches Modell mit dem dieselben Individuen über<br />
mehrere Zeitperioden hinweg beobachtet werden.<br />
Um den gewohnten Lebensstandard halten zu können, benötigen Rentner monatlich nicht, wie<br />
üblich angenommen, 70 Prozent, sondern durchschnittlich 87 Prozent des letzten Nettoeinkommens<br />
vor Renteneintritt.<br />
Quelle: Dudel, Ott <strong>und</strong> Werding (2013)<br />
Staatliche Versprechen werden<br />
zurückgenommen<br />
Nachdem der Staat in den zurückliegenden<br />
wirtschaftlichen <strong>und</strong> demografischen<br />
Boom-Zeiten der B<strong>und</strong>esrepublik die Sozialleistungen<br />
großzügig ausgebaut <strong>und</strong><br />
damit hohe Erwartungen geschürt hat,<br />
muss er seine Versprechen nun zurücknehmen.<br />
Dies zu akzeptieren, fällt vielen<br />
schwer. So mag die Tradition staatlicher<br />
Vollversorgung auch die zögerliche Haltung<br />
der B<strong>und</strong>esbürger bei der Eigenvorsorge<br />
erklären. Die Deutschen sind im<br />
internationalen Vergleich noch immer eine<br />
ausgesprochene Sparernation – einerseits.<br />
Andererseits sind sie bei der Geldanlage<br />
eher vorsichtig. Für ihre Altersvorsorge<br />
bevorzugen sie die eigene Immobilie,<br />
Lebens- <strong>und</strong> Rentenversicherungen, Festgelder,<br />
Sparbücher <strong>und</strong> festverzinsliche<br />
Wertpapiere. Aktien <strong>und</strong> aktienbasierte<br />
Investmentfonds folgen erst mit weitem<br />
Abstand. Dieses Bedürfnis nach Sicherheit<br />
hat einen hohen Preis, denn mehr als<br />
85 Prozent des Geldvermögens deutscher<br />
Haushalte ist mittlerweile durch finanzielle<br />
Repression bedroht. Die Niedrigzinspolitik<br />
etwa der Europäischen Zentralbank<br />
hat dazu geführt, dass zehnjährige B<strong>und</strong>esanleihen<br />
Anfang 2013 lediglich eine Rendite<br />
vor Steuern von etwa 1,5 Prozent erzielen<br />
konnten. Bei einer Inflationsrate von<br />
gut zwei Prozent bedeutet dies effektiv<br />
einen Verlust für die Anleger.<br />
Sanfter Druck muss sein<br />
Private <strong>und</strong> betriebliche Altersvorsorge<br />
kommen trotz staatlicher Förderung, massiver<br />
Werbung <strong>und</strong> Aufklärung in den<br />
Medien nur schleppend voran. Die Gründe<br />
dafür sind vielfältig. Überforderung<br />
<strong>und</strong> Desinteresse spielen eine Rolle. Hinzu<br />
kommt, dass immer weniger Bürger<br />
unter dem Eindruck der vergangenen Krisenjahre<br />
gewillt sind, lang laufende Rentenverträge<br />
einzugehen. Vielen fehlt auch<br />
schlicht das Geld. Doch es gibt einen Ausweg<br />
aus dem Dilemma: Die betriebliche<br />
Altersversorgung bietet dafür eine konstruktive<br />
Lösung an. Dass sie in Deutschland<br />
nur eine geringe Rolle spielt, ist nicht<br />
nachzuvollziehen.<br />
In den Niederlanden stammen bereits ein<br />
Drittel, in Dänemark immerhin 17 Prozent<br />
der Altersbezüge aus Betriebsrenten. Auch<br />
in Deutschland muss die betriebliche<br />
Altersvorsorge zum zweiten Standbein der<br />
Altersvorsorge ausgebaut <strong>und</strong> zusammen<br />
mit der staatlichen Rente auf die Deckung<br />
eines vordefinierten Vorsorgeniveaus ausgerichtet<br />
werden. In Zukunft müsste die<br />
betriebliche Altersvorsorge in Deutschland<br />
25 bis 30 Prozent zum Alterseinkommen<br />
beisteuern, um damit den gewohnten<br />
Lebensstandard zu sichern. Dieses Ziel<br />
wird man mit dem bloßen Rechtsanspruch<br />
auf Entgeltumwandlung, wie er aktuell<br />
existiert, allein jedoch nicht erreichen.<br />
Automatische Entgeltumwandlung<br />
Gesetzgeber, Arbeitgeber <strong>und</strong> Tarifparteien<br />
sollten daher jetzt einen entscheidenden<br />
Schritt weiter gehen <strong>und</strong> die<br />
automatische Entgeltumwandlung mit<br />
Ausstiegsmöglichkeit einführen. Bei diesem<br />
Modell zahlt jeder Arbeitnehmer automatisch<br />
einen bestimmten Prozentsatz<br />
seines Bruttogehalts in die betriebliche<br />
Altersversorgung ein – es sei denn, er<br />
spricht sich ausdrücklich dagegen aus.<br />
Derzeit ist es in den allermeisten Fällen<br />
genau umgekehrt: Wer eine Betriebsrente<br />
abschließen möchte, muss selbst aktiv<br />
werden, von alleine passiert nichts. Die<br />
Sonderheft 07 | 2013 www.personalwirtschaft.de 25