10.01.2014 Aufrufe

Regel und Ausnahme - Archiv - Personalwirtschaft

Regel und Ausnahme - Archiv - Personalwirtschaft

Regel und Ausnahme - Archiv - Personalwirtschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

BETRIEBLICHE ALTERSVERSORGUNG<br />

BetrAVG-Kommentar<br />

finanzierte Entgeltumwandlung entfällt<br />

die Prüfung, wenn die Zusage nach dem<br />

31.12.2000 erteilt wurde. Der Arbeitgeber<br />

ist stattdessen verpflichtet, die laufenden<br />

Leistungen um wenigstens ein<br />

Prozent jährlich anzupassen. Bedient er<br />

sich der Durchführungswege Pensionskasse<br />

<strong>und</strong> Direktversicherung, müssen<br />

erwirtschaftete Überschussanteile zur<br />

Verbesserung der Versorgung verwendet<br />

werden.<br />

Reallohnbezogene Obergrenze<br />

Die Anpassungsprüfungspflicht gilt<br />

als erfüllt, wenn die Anhebung nicht<br />

geringer ausfällt als der Anstieg der Nettoeinkommen<br />

vergleichbarer Arbeitnehmergruppen<br />

des Unternehmens im Prüfungszeitraum.<br />

Prüfungszeitraum ist auch<br />

hier nicht der dreijährige Prüfungsrhythmus,<br />

sondern die seit Rentenbeginn verstrichene<br />

Zeit (BAG v. 19.6.2012 – 3 AZR<br />

464/11, NZA 2012, 1291). Will der Arbeitgeber<br />

seinen Betriebsrentnern einen vollen<br />

Teuerungsausgleich wegen einer<br />

ungünstigen Reallohnentwicklung ganz<br />

oder teilweise versagen, sind Probleme<br />

vorprogrammiert. Denn er kann dann<br />

nicht alle laufenden Betriebsrenten um<br />

einen einheitlichen Prozentsatz anheben,<br />

weil die Prüfung individualisiert vorzunehmen<br />

ist. Die Nettoeinkommensentwicklung<br />

<strong>und</strong> die Geldentwertungsrate<br />

sind für jeden Betriebsrentner individuell<br />

zu ermitteln. Je nachdem, wann der einzelne<br />

Betriebsrentner in den Ruhestand<br />

getreten ist, kann sich deshalb eine Vielzahl<br />

unterschiedlicher Erhöhungssätze<br />

ergeben.<br />

Ist zum Beispiel in einem Unternehmen<br />

in den letzten 30 Jahren in jedem Kalendermonat<br />

ein Mitarbeiter pensioniert worden,<br />

gibt es 360 verschiedene Nettoentgeltentwicklungen<br />

<strong>und</strong> ebenso viele<br />

Geldentwertungsraten. Der so verursachte<br />

Verwaltungsaufwand überfordert viele<br />

Unternehmen. Erfahrungsgemäß sind<br />

oftmals auch gar nicht mehr die Lohndaten<br />

greifbar, die benötigt werden, um die<br />

Nettoentgeltentwicklung über 20 oder 30<br />

Jahre nachzuweisen. Allein diese Hürde<br />

führt deshalb häufig dazu, dass Arbeitgeber<br />

einen vollen Teuerungsausgleich<br />

gewähren, obwohl sie dies bei objektiver<br />

Betrachtung gar nicht tun müssten.<br />

Wirtschaftliche Lage des<br />

Unternehmens<br />

Eine Anpassung muss nicht vorgenommen<br />

werden, wenn die wirtschaftliche<br />

Lage des Arbeitgebers das nicht zulässt.<br />

Dabei ist eine Prognose vorzunehmen,<br />

die in der <strong>Regel</strong> aus der Entwicklung in<br />

den drei Jahren vor dem Anpassungsstichtag<br />

zu ziehen ist. Es geht darum,<br />

dass durch die Erhöhung der Betriebsrenten<br />

das Unternehmen nicht übermäßig<br />

belastet <strong>und</strong> seine Wettbewerbsfähigkeit<br />

nicht gefährdet werden darf. Eine<br />

Anpassung ist deshalb nur geschuldet,<br />

wenn sie aus dem Wertzuwachs oder den<br />

Erträgen des Unternehmens finanziert<br />

werden kann. Die Substanz muss dafür<br />

nicht herhalten.<br />

Deshalb gesteht das BAG dem Arbeitgeber<br />

eine bestimmte Mindestverzinsung<br />

des Eigenkapitals zu, die eine Anpassung<br />

ausschließt, wenn sie nicht überschritten<br />

wird. Sie besteht aus einem Basiszinssatz,<br />

der der Umlaufrendite öffentlicher<br />

Anleihen entspricht. Hinzu kommt ein<br />

Zuschlag von zwei Prozent für das Risiko,<br />

dem das im Unternehmen investierte<br />

Kapital ausgesetzt ist (BAG v. 26.10.2010<br />

– 3 AZR 502/08, AP BetrAVG § 16 Nr. 71).<br />

Die Rechtsprechung akzeptiert auch, dass<br />

ein Unternehmen über eine hinreichende<br />

Eigenkapitalausstattung verfügen<br />

muss. Deshalb ist dem Arbeitgeber zuzubilligen,<br />

dass er nach Eigenkapitalverlusten<br />

oder einer Eigenkapitalauszehrung<br />

zunächst die verlorene Vermögenssituation<br />

wieder aufbaut. Bis dahin kann er<br />

von Anpassungen der Betriebsrenten absehen<br />

(BAG v. 30.11.2010 – 3 AZR 754/08,<br />

AP BetrAVG § 16 Nr. 72).<br />

Maßgeblich für die Bewertung dieser Fragen<br />

sind die handelsrechtlichen Unternehmensabschlüsse<br />

des Versorgungsschuldners.<br />

Abschlüsse nach anderen<br />

<strong>Regel</strong>ungen, zum Beispiel IFRS, sind für<br />

die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage<br />

des Arbeitgebers ungeeignet (BAG v.<br />

21.8.2012 – 3 AZR 20/10).<br />

Nachholende Anpassung<br />

Wer einen Ausgleich des Kaufkraftverlustes<br />

versagt, muss das bei folgenden<br />

Anpassungsstichtagen nachholen, es sei<br />

denn, er ist auch dann nicht hinreichend<br />

wirtschaftlich leistungsfähig oder kann<br />

sich weiterhin auf eine ungünstige Nettolohnentwicklung<br />

berufen. Eine <strong>Ausnahme</strong><br />

vom Nachholgebot besteht nur dann,<br />

wenn der Arbeitgeber aus wirtschaftlichen<br />

Gründen nicht imstande war, den Teuerungsausgleich<br />

zu bewirken. Allerdings<br />

gibt es auch hier einen Haken: Er muss<br />

dem Betriebsrentner in nachvollziehbarer<br />

Weise schriftlich aufzeigen, aus welchen<br />

Gründen er nicht in der Lage ist, die<br />

Anpassung zu bezahlen. Dabei muss die<br />

fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit<br />

so detailliert beschrieben werden,<br />

dass der Versorgungsempfänger die Entscheidung<br />

seines Arbeitgebers auf ihre<br />

Plausibilität überprüfen kann (BAG v.<br />

11.10.2011 – 3 AZR 732/09, NZA 2012,<br />

337). Wer hier nicht sorgfältig vorgeht<br />

oder „mauert“, wird dafür die Zeche später<br />

bezahlen müssen.<br />

Fazit<br />

Nur solange der Arbeitgeber stets einen<br />

vollen Teuerungsausgleich vornimmt,<br />

kann nichts passieren. Sobald er aber<br />

wegen einer ungünstigen wirtschaftlichen<br />

Entwicklung seines Unternehmens oder<br />

einer geringeren Nettoentgeltentwicklung<br />

der aktiven Arbeitnehmer dahinter<br />

zurückbleibt, drohen Probleme. Eine solche,<br />

den vollen Kaufkraftausgleich versagende<br />

Anpassungsentscheidung will<br />

deshalb sorgfältig vorbereitet sein. Das<br />

wird häufig verkannt, mit dann unter<br />

Umständen schmerzhaften Folgen.<br />

Autor<br />

Dr. Johannes Schipp,<br />

Sozius der Kanzlei<br />

Tschöpe/Schipp/Clemenz,<br />

Gütersloh,<br />

johannes.schipp@t-s-c.eu<br />

30<br />

Sonderheft 07 | 2013<br />

www.personalwirtschaft.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!