FRÜHLINGSERWACHEN - Hindenburger Stadtzeitschrift für ...
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BorUSSIA<br />
Wo und Wann endet<br />
dIe „FahrstuhlmentalItÄt“?<br />
Borussia biegt auf die Zielgerade der Bundesliga ein, mit Hoffnung, mit<br />
Sorgen und mit Trainer Lucien Favre.<br />
36<br />
Lucien Favre ist zweifellos ein sympathischer Mensch, freundlich,<br />
höflich, und beinahe wirkt er ein bisschen scheu. Bei der<br />
turnusmäßigen Pressekonferenz vor einem Bundesligaspiel hat<br />
man sich an das langgezogene „Guten Tag“ des noch immer<br />
recht neuen Borussentrainers bereits etwas gewöhnt – die meisten<br />
Medienvertreter haben es regelrecht lieb gewonnen. Womit<br />
sie aber noch nicht ganz so zurechtkommen, ist die Art und<br />
Weise, wie der Schweizer ihre Fragen beantwortet. Lächelnd<br />
und plaudernd, aber allzu oft ohne großen Aussagewert reagiert<br />
Favre, und lässt<br />
die Journalisten im<br />
So viele Antworten<br />
“wie offene Fragen?<br />
Zweifel, ob er die<br />
Frage zuvor richtig<br />
verstanden hat.<br />
Will er nicht, kann<br />
er nicht? Ganz egal,<br />
mag der VfL-Fan sagen:<br />
Hauptsache, die Mannschaft versteht ihn! Und es gibt<br />
reichlich Indizien da<strong>für</strong>, dass die Spieler genaue Anweisungen<br />
erhalten, die sie verstehen und umzusetzen versuchen, auch<br />
wenn nicht jedes Endergebnis in der Liga ein Beweis da<strong>für</strong> ist.<br />
Und so gibt es nach wie vor viele offene Fragen beim VfL und<br />
jeder Anhänger hofft, dass der abstiegsbedrohte Bundesligist<br />
mindestens so viele Antworten parat hat. Favre kümmert sich<br />
nicht um die Vergangenheit, wohlwissend, dass er mit der Zukunft<br />
mehr als nur genug zu tun hat. Er mag noch nicht jedes<br />
Wort verstehen und kann sich vielleicht in seinem mit reichlich<br />
französischem Akzent durchtränkten deutschen Wortschatz<br />
noch nicht immer so ausdrücken wie gewünscht; Fakt ist, der<br />
Mann hat etwas zu sagen. Auf dem Trainingsplatz und an der<br />
Seitenlinie zeigt sich die Akribie, die Energie, mit der der 53-<br />
Jährige versucht, den VfL vor dem abermaligen Absturz in die<br />
Zweite Liga zu retten. Mit seinen personellen Änderungen vor<br />
und Auswechslungen während der Spiele und den taktischen<br />
Umstellungen bei Bedarf, trifft er die Befindlichkeiten der Fans<br />
und liegt mit den „tausenden Trainern“ auf der Tribüne des BO-<br />
RUSSIA-PARK oft genug auf einer Wellenlänge. Neben den charakterlichen<br />
Eigenschaften scheint der Fußballlehrer langfristig<br />
das Zeug dazu zu haben, seinen Fußballverstand bei Borussia<br />
einzubringen. Dass er ein Fachmann ist, hat er bei Hertha BSC<br />
Berlin und in der schweizerischen Heimat bewiesen, aber hilft<br />
das dem VfL in dieser Saison noch?<br />
Den Ausdruck Schickssalspiele mag Sportdirektor Max Eberl<br />
überhaupt nicht und insofern war das Spiel gegen den 1. FC<br />
Kaiserslautern Ende März vor der Länderspielpause auch keine<br />
(Vor-) Entscheidung im Kampf um den Klassenverbleib. Borussia<br />
hat sich herangekämpft, ist zurückgefallen, wieder rangekommen<br />
und dabei immer auf dem Abstiegsplatz geblieben.<br />
Aber auch über die Relegation (19. und 23. Mai) ist die Rettung<br />
noch drin und in dieser verrückten Saison vermag ohnehin niemand<br />
zu sagen, was an den verbleibenden sieben Spieltagen<br />
geschehen wird. Aber<br />
was passiert, wenn<br />
es dann doch nicht<br />
reicht? Dann bleibt<br />
die Erkenntnis, dass<br />
es gewiss schlimmere<br />
Dinge als einen Abstieg<br />
aus der Fußball-<br />
Bundesliga gibt, dann bleibt die Erinnerung, dass die Zweite<br />
Liga doch gar nicht so schlimm war, die Stimmung gut und die<br />
Borussen gefühlt immer auf dem ersten Platz standen, dann<br />
bleibt Favre und mit ihm die Hoffnung, nach dem „unvermeidlichen“<br />
Wiederaufstieg die Fahrstuhlmentalität endlich ablegen<br />
zu können.<br />
Aber was passiert,<br />
“wenn es nicht reicht?<br />
Text: Ingo Rütten · Fotos: Dieter Wiechmann