FWF info-Magazin #86 (3/2013)
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FOKUS » Der <strong>FWF</strong> nimmt<br />
sich unter die Lupe<br />
Studie II: Does Gender Matter?<br />
» In der zweiten Studie gehen Mutz,<br />
Bornmann und Daniel (2012b) der<br />
Frage nach, ob die Begutachtung<br />
sowie die letztliche Antragsentscheidung<br />
(Bewilligung oder Ablehnung der Projektförderung)<br />
beeinflusst werden durch das<br />
Geschlecht der Gutachtenden und der<br />
Antragstellenden.<br />
Mit Blick auf die Begutachtung von Anträgen<br />
sind die Resultate sehr eindeutig:<br />
Resultat 1: Für die in Gutachten vergebene<br />
Gesamtnote für einen Antrag (0–100<br />
Punkte) ist es ohne Bedeutung, ob das Gutachten<br />
von einem Mann oder einer Frau<br />
verfasst wird.<br />
Resultat 2: Ebenso wirkt sich keine der vier<br />
Kombinationen (Frauen begutachten Frauen,<br />
Männer begutachten Frauen etc.) in der Antragsbewertung<br />
als besonders vor- oder<br />
nachteilig aus. Die Gutachtennote ist von<br />
diesen Zusammenstellungen unbeeinflusst.<br />
Resultat 3: Anträge von Frauen werden im<br />
Durchschnitt geringfügig schlechter bewertet<br />
als Anträge von Männern. Diese Abweichung<br />
ist jedoch aus Sicht der Autoren<br />
zu klein, als dass sie als Beleg für einen<br />
Einfluss des Geschlechts gelten kann.<br />
Resultat 4: Die oben genannten Resultate<br />
sind unabhängig vom Zeitraum (Jahr) und<br />
auch vom Fachgebiet des Antrags.<br />
Hinsichtlich der letztlichen Entscheidung<br />
über einen Antrag (Bewilligung oder Ablehnung)<br />
sind die Resultate ebenfalls eindeutig,<br />
inhaltlich jedoch etwas problematischer:<br />
Resultat 1: Für die Entscheidung über einen<br />
Antrag spielt es generell keine Rolle,<br />
ob der Antrag und die Gutachten von Männern<br />
oder von Frauen stammen.<br />
Resultat 2: Allerdings hat die Zusammensetzung<br />
der Gruppe der Gutachtenden einen<br />
Einfluss auf die Antragsentscheidung: Bei<br />
gleich vielen oder mehr Gutachten von Frauen<br />
zu einem Antrag sinkt die Wahrscheinlichkeit<br />
der Bewilligung. Dies ist unabhängig davon,<br />
ob der Antrag von einem Mann oder einer<br />
Frau stammt, und auch unabhängig vom Zeitraum<br />
(Jahr) und vom Fachgebiet des Antrags.<br />
Es liegt hier also ein sehr genereller Einfluss<br />
vor („the effect can be called robust“, Mutz,<br />
Bornmann & Daniel, p. 128).<br />
Resultat 3: Der geschilderte Einfluss ist am<br />
größten bei Anträgen, die in den Gutachten<br />
etwas mehr als 80 Punkte erhalten: Diese<br />
Anträge haben – falls gleich viele oder<br />
mehr Gutachten von Frauen vorliegen – eine<br />
um 10 % geringere Bewilligungswahrscheinlichkeit<br />
als andere Anträge. Dieses<br />
Phänomen tritt also insbesondere in jenem<br />
Benotungsbereich auf, wo sich die Gutachten<br />
nicht eindeutig für oder gegen die Bewilligung<br />
aussprechen.<br />
Resultat 4: Warum oder wie dieser Effekt<br />
zustande kommt, kann die Studie nicht klären.<br />
Möglicherweise gelten im uneindeutigen<br />
Benotungsbereich Gutachten von<br />
Frauen dann schlichtweg weniger („female<br />
ratings are viewed as less valid?“, Mutz,<br />
Bornmann & Daniel, p. 128)?<br />
Externe Analysen wie die hier berichteten<br />
sind für den <strong>FWF</strong> selbstverständlich äußerst<br />
wertvolle Informationsquellen. Die<br />
Befunde und insbesondere die Empfehlungen<br />
der internationalen Experten dienen<br />
dem <strong>FWF</strong> als Impulse für interne Diskussionen,<br />
ob und wenn ja, welche Anpassungen<br />
in den Entscheidungsverfahren vorgenommen<br />
werden sollen und auch vorgenommen<br />
werden können. So bedarf etwa der Befund<br />
der geringen Übereinstimmung zwischen<br />
Gutachten zu einem Antrag sicherlich einer<br />
breiten Debatte, ob Gegenmaßnahmen<br />
überhaupt gesetzt werden sollen. Es erscheint<br />
doch fraglich, ob durch einen noch<br />
weiter erhöhten Grad der Formalisierung in<br />
den Gutachten die Verschiedenheit der Bewertungen<br />
substanziell reduziert werden<br />
kann. Letztlich ist es die Entscheidung<br />
(oder auch der „Stil“) der einzelnen Gutachtenden,<br />
ob sie eher konservativ oder<br />
eher progressiv über einen Antrag urteilen.<br />
Möglicherweise ist die Verschiedenheit von<br />
Gutachten auch sinnvoll, da sie unterschiedliche<br />
Facetten sowie Stärken und<br />
Schwächen eines Antrags belegt. Die Interpretation<br />
von Gutachten ist nicht nur unabdingbar,<br />
sondern auch fruchtbar – und vielleicht<br />
gefährden perfekt kongruente Benotungen<br />
die seriöse Auseinandersetzung mit<br />
Gutachten, da sie zu einer nur oberflächlichen<br />
Interpretation verführen. «<br />
Mutz, R., Bornmann, L. &<br />
Daniel H.-D. (2012b).<br />
Does Gender Matter in<br />
Grant Peer Review? An<br />
Empirical Investigation Using the<br />
Example of the Austrian Science<br />
Fund. Zeitschrift für Psychologie,<br />
220 (2), 121–129.<br />
© Shutterstock, NATURE<br />
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