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Istanbul im Kontext der Europäischen Stadt - TU Wien

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352 Katharina Sucker<br />

bensweise bedingen sich <strong>der</strong>art, dass man schwer unterscheiden kann, ob die<br />

Erste sich einer Formierung durch die Zweite unterzog o<strong>der</strong> genau an<strong>der</strong>s herum“<br />

(S<strong>im</strong>mel 2002: 13).<br />

In <strong>der</strong> postmo<strong>der</strong>nen, neoliberalen <strong>Stadt</strong> befindet sich die Regulierung durch<br />

die öffentliche Hand nun auf dem Rückzug. Wirtschaftswachstum kann in diesem<br />

fortgeschrittenen Stadium des Kapitalismus fast nur noch durch die Produktion<br />

<strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>, den Urbanisierungsprozess selber gewährleistet werden. In <strong>der</strong><br />

neoliberalen <strong>Stadt</strong> also kommt es zu einer Umkehrung, indem die Stärke des<br />

Wirtschaftswachstums die Geschwindigkeit des Zerfalls <strong>der</strong> urbanen Lebensweise<br />

best<strong>im</strong>mt (vgl. Häußermann 2004: 26): „Der Siegeszug urbaner Lebensweise<br />

ging von Anfang an einher mit seiner Aushöhlung.“<br />

Dieser Zustand gilt für alle Städte, welche den Kapitalismus als Grundlage<br />

ihres Wirtschaftssystems haben, nämlich für jene Nationen, in denen Urbanisierung<br />

nur aufrecht erhalten werden kann, solange das wirtschaftliche System eine<br />

Basis <strong>der</strong> ökonomischen Integration durch stetiges Wirtschaftswachstum sichert<br />

(vgl. Häußermann 1995: 95)).“so lange es mit <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> insgesamt<br />

aufwärts ging, konnte die <strong>Stadt</strong> eine Integrationsmaschine sein,…“<br />

Ein zweiter Aspekt, den es zu beachten gilt, betrifft die öffentliche Sphäre<br />

als Raum zivilgesellschaftlichen Handelns. Zu Beginn <strong>der</strong> Republik ist in <strong>Istanbul</strong><br />

eine mutwillige Zerstörung des öffentlichen Raumes und mit ihm ein fortschreiten<strong>der</strong><br />

Verfall <strong>der</strong> öffentlichen Sphäre festzustellen. Bewertet man dieses<br />

Phänomen aus dem Blickwinkel <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Stadt</strong>, lassen sich hier wie<strong>der</strong>um<br />

Antworten auf Grundlage <strong>der</strong> Rolle erkennen, die dem öffentlichen Raum<br />

als politischem Ort zukommt. Mit <strong>der</strong> Republikanischen Volkspartei, die 1923<br />

die Macht übernahm, war dem Staat eine Exekutive unterstellt, welche aus den<br />

Reihen des Staates sein Personal bezog: „Der Staat hielt in <strong>der</strong> Gesellschaft die<br />

absolute Macht inne und die Republikanische Volkspartei (RPP) war ihm direkt<br />

unterstellt.“ (Atasoy 2005: 49) Die Einheit aus Staat und Regierung führte zur<br />

absoluten Autonomie und Macht <strong>der</strong> Republik auf kleinster Ebene und erlaubte<br />

fortan keine außer-parteiliche politische Aktivität. Die Einhaltung <strong>der</strong> Regeln<br />

machte sich bemerkbar in <strong>der</strong> Repression potentieller Opposition, dem Verbot<br />

von Versammlungen in öffentlichen Räumen sowie <strong>der</strong> Strafbarkeit des Zeigens<br />

politisch abweichen<strong>der</strong> Symbole. Die Einbindung <strong>der</strong> Zivilgesellschaft in die<br />

<strong>Stadt</strong>entwicklung war demzufolge anfangs unterbunden, was sich auch an den<br />

<strong>der</strong>zeitigen <strong>Stadt</strong>entwicklungsstrategien zeigt. Mit fortschreiten<strong>der</strong> Liberalisierung<br />

allerdings etabliert sich die öffentliche <strong>Stadt</strong> nicht wie<strong>der</strong> neu, wie dies in<br />

West-Europa nach autogerechter Sanierung und Fordismus <strong>der</strong> Fall gewesen ist,<br />

son<strong>der</strong>n verkümmert als dekoratives Überbleibsel <strong>im</strong> Diskurs einer <strong>Stadt</strong>entwicklung,<br />

die durch internationales Kapital als Hauptakteur des heutigen<br />

Trends vorangetrieben wird.

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