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Istanbul im Kontext der Europäischen Stadt - TU Wien

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350 Katharina Sucker<br />

dem neuen, auf Privateigentum basierenden Modell. Einerseits sah sich <strong>der</strong> Staat<br />

gezwungen, staatlichen Boden für die Urbanisierung zur freien Verfügung zu<br />

stellen, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite jedoch war er durch das Bewusstsein geprägt, dass<br />

die Überwindung <strong>der</strong> global-wirtschaftlichen Randposition nur durch eine kapitalistisch<br />

geprägte Boden-Wirtschaft zu gewährleisten sei (vgl. Atasoy 2005: 80;<br />

Sengül 2005: 82): „Das Eindringen <strong>der</strong> Siedler auf urbanen Grund und Boden<br />

mit <strong>der</strong> Absicht, ihn dauerhaft zu nutzen, stellte die Autorität des Staates als<br />

Hüter von Privateigentum und marktförmigem Tausch in Frage.“ (Atasoy 2005:<br />

80)<br />

In diesem Spannungsfeld begann <strong>der</strong> Staat damit, für einzelne Gebiete o<strong>der</strong><br />

Häuser Bauverbote o<strong>der</strong> Abrissmaßnahmen zu verhängen und damit eine Situation<br />

<strong>der</strong> permanenten sozialen Unsicherheit zu schaffen, die einen Prozess <strong>der</strong><br />

Anpassung an die Regeln <strong>der</strong> kapitalistischen Marktwirtschaft forcierte. Ohne<br />

die Existenz effektiver Planungsinstrumente zur Steuerung <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

durch dezentrale Kommunalpolitik (vgl. Siebel 2004: 17) begann <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong><br />

Politisierung <strong>im</strong> kleinen Maßstab. „Sie organisierten sich schnell in Ortsverbänden<br />

politischer Parteien, zeigten ein reges Interesse an Lokalpolitik und verstanden<br />

es, ihre Wahlst<strong>im</strong>men gegen urbane Errungenschaften wie fließendes Wasser,<br />

Strom, Kanalisation, Straßen und nicht zuletzt Legalisierung auf dem besetzten<br />

Grund auszuhandeln.“ (Esen 2005b: 39)<br />

Ausschlaggebend für die Zielsetzung des vorliegenden Beitrages ist dabei in<br />

erster Linie die systematische Etablierung einer starken Kommunalpolitik, welche<br />

durch das neue Wählerpotential innerhalb <strong>der</strong> Migranten an Einfluss gewann<br />

und als Gegenleistung dafür sorgte, dass aus den Neuankömmlingen eine aufsteigende,<br />

politisch emanzipierte Mittelschicht wurde. Die Verteilung <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Ressource ‘Grund und Boden’ und ihre Bereitstellung für den Markt <strong>der</strong><br />

reinen Kapitalakkumulation sorgte für eine erfolgreiche Integration mehrerer<br />

Generationen armer Bauern und beför<strong>der</strong>te die neue, anatolisch-stämmige Klasse<br />

direkt in das Zentrum nationaler Politik. Die Gecekondu-Bewohner <strong>der</strong> ersteren<br />

Migrationswellen, die es in das Grundbuch geschafft hatten, kamen <strong>der</strong> Nachfrage<br />

<strong>der</strong> weiterhin wachsenden <strong>Stadt</strong>bevölkerung nach Wohnraum nach, indem sie<br />

auf ihren Grundstücken mehrgeschossige Apartmenthäuser errichteten. Dies war<br />

durch ein 1961 verabschiedetes Gesetz zur Legalisierung von Geschosseigentum<br />

möglich geworden und erfolgte ohne die Substitution des Staates durch ein System<br />

<strong>der</strong> „Baudienstleistung <strong>im</strong> Tausch gegen Stockwerke“ (mehr dazu in: Esen<br />

2005a: 40-43).<br />

Dabei erhielt <strong>der</strong> Baudienstleistende als Bezahlung eine vereinbarte Zahl an<br />

Stockwerken, die er anschließend verkaufte.<br />

Mit <strong>der</strong> Etablierung dieses so genannten Yapsat-Modells, welches das Gecekondu-Modell<br />

ablöste, vollzog sich die „Emanzipation des Wirtschaftsbürgers,

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