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Istanbul im Kontext der Europäischen Stadt - TU Wien

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<strong>Istanbul</strong> <strong>im</strong> <strong>Kontext</strong> <strong>der</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Stadt</strong> 349<br />

rung einer bürgerlich-selbstverwalteten <strong>Stadt</strong> durch die Hemmung zivilgesellschaftlicher<br />

Organisation <strong>im</strong> Osmanischen Reich gehemmt. Zweitens wurde jene<br />

osmanische Bourgeoisie mit Etablierung <strong>der</strong> Republik enteignet und durch antiliberale<br />

Paradigmen von einer Einmischung in das <strong>Stadt</strong>geschehen abgehalten.<br />

Ohne diese Voraussetzungen zum gesellschaftlichen Aufstieg waren die ersten<br />

20 Jahre <strong>der</strong> Republik eine Zeit <strong>der</strong> Stagnation. „Workers were not permitted to<br />

strike or form unions. In 1938 the association law consolidated the labour law<br />

by denying both the existence of classes and the right to establish class-based<br />

organizations.” (Atasoy 2005: 57)<br />

Es ergab sich jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg nun ein erneuter Richtungswechsel,<br />

mit dem sich <strong>Istanbul</strong> stärker als zuvor in den europäischen Entwicklungsdiskurs<br />

einzufügen begann. Die politische Lage für die Türkei während<br />

des Kalten Krieges machte die Demokratisierung des Parteiensystems erfor<strong>der</strong>lich,<br />

ein Schritt, <strong>der</strong> für den Aufstieg <strong>der</strong> Arbeiterklasse grundlegend war.<br />

Ihre auf diesem Wege erlernten Mechanismen <strong>der</strong> Integration und <strong>der</strong> Aneignung<br />

sind ausschlaggebend dafür, um hierfür eine Parallele zur <strong>Europäischen</strong> <strong>Stadt</strong><br />

hinsichtlich von Siebels zweitem Kennzeichen ziehen zu können, dem <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong><br />

als Wegbereiter wirtschaftlichen Aufstiegs und politischer Emanzipation.<br />

Beschleunigt war die Geschichte <strong>der</strong> Emanzipation durch die Entwicklungsstrategie<br />

<strong>der</strong> 50er und 60er Jahre, welche alle staatlichen Ressourcen in den industriellen<br />

Sektor fließen ließ, um dadurch eine weitestgehende Unabhängigkeit<br />

von Importen von außen zu erreichen. „Die Konsequenz für die <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

war die Min<strong>im</strong>ierung sowohl staatlicher als auch privater Investitionen in<br />

die gebaute Umwelt.“ (Sengül 2005: 82)<br />

Die <strong>Stadt</strong>bevölkerung, welche bis 1980 um mehrere Millionen Menschen<br />

anwuchs, war ohne staatliche Unterstützung o<strong>der</strong> Daseinsvorsorge auf sich selbst<br />

angewiesen. Dennoch blieb trotz des Fehlens von sozialstaatlicher Reglementierung<br />

und sozialer Wohnungspolitik, welche laut Siebel in europäischen Städten<br />

die Bildung von Slums bislang verhin<strong>der</strong>t haben, das Aufkommen <strong>der</strong>selben in<br />

<strong>Istanbul</strong> aus (vgl. Siebel 2004: 17). Der Staat stellte den neuen Bewohnern <strong>Istanbul</strong>s<br />

ein an<strong>der</strong>es Modell <strong>der</strong> Integration bereit, das darin bestand, urbanen Grund<br />

und Boden von dem Prozess <strong>der</strong> Kapitalakkumulation auszuschließen. Während<br />

staatliche Investitionen zunehmend dazu verwendet wurden, den Prozess <strong>der</strong><br />

Industrialisierung voranzutreiben, fand die Produktion <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> auf Basis einer –<br />

durch Kleinkapital und eigene Ressourcen <strong>der</strong> wachsenden Bevölkerung finanzierten<br />

– „Selbst-Bedienungsurbanisierung“ (Esen 2005b) statt.<br />

Land als öffentliche Ressource, und nicht etwa sozialer Wohnungsbau und<br />

staatlich regulierte Gehälter, bildete das Integrationsmodell für das <strong>Stadt</strong>wachstum<br />

durch Migration. Im Übergang von zentraler Umverteilung zu zivilrechtlicher<br />

Regulierung entstand eine Situation des Konflikts zwischen dem alten und

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