Istanbul im Kontext der Europäischen Stadt - TU Wien
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356 Katharina Sucker<br />
Bebauung sowie ein kulturell verankertes Bewusstsein für Gut und Recht <strong>der</strong><br />
Öffentlichkeit zu einem Fortbestand ihrer Struktur, weit über ihre soziale Gültigkeit<br />
hinaus, beigetragen hat. Für eine <strong>Stadt</strong>, welche neue soziale Ungleichheiten<br />
und Konflikte durch die Produktion ihrer Räume produziert, ist die Beschaffenheit<br />
dieser Räume best<strong>im</strong>mend für die Integration von Mechanismen zur einer<br />
gerechteren und flexibleren Verteilung öffentlicher Ressourcen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Seite jedoch sind die bildhaften Qualitäten dieser Räume selber zur Handelsware<br />
des fortgeschrittenen Kapitalismus geworden wodurch das Bild <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> an sich<br />
viel von seiner Aussagefähigkeit über Potentiale dieser Art eingebüßt hat.<br />
<strong>Istanbul</strong> zeigt in diesem Sinne, wie akut das Problem neo-liberaler Produktionsmechanismen<br />
ist, während die strukturelle Erhaltung europäischer Städte<br />
ihre <strong>Stadt</strong>väter in vermeintlicher Sicherheit wiegt – doch es ist nicht alles Gold,<br />
was glänzt. <strong>Istanbul</strong> demonstriert das Verschwinden von Handlungsgrundlagen<br />
urbanen Zusammenlebens zugunsten kommodifizierter Gruppenzugehörigkeiten<br />
sowie die Risiken, die sich aus <strong>der</strong> Manipulierbarkeit <strong>der</strong> Gruppenidentitäten<br />
durch ihre Verkoppelung mit dem Medien- und Marketing-Sektor ergeben.<br />
Es erscheint müßig, über eine partizipative, sozial-integrative Urbanisierung<br />
nachzudenken, solange das wirtschaftliche Überleben <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> an die nachhaltige<br />
Produktion sozialer Ungleichheit gekoppelt ist. So ist die erfolgreiche Integration<br />
einer sich verzehnfachenden Bevölkerung durch eine nicht-geldwerte Form<br />
<strong>der</strong> Urbanisierung à la <strong>Istanbul</strong> eben auf die Logiken <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> als Ort <strong>der</strong> Kapitalakkumulation<br />
zurückzuführen.<br />
Die Idee, die es aus <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>Istanbul</strong> zu beziehen gilt,<br />
sollte darum eine sein, welche den Diskurs außerhalb von Verteilung öffentlicher<br />
Mittel bewegt, nämlich die Bewertung städtischer Räume gemäß ihres Nutzwertes.<br />
Die informelle, durch menschliche Ressourcen erbaute <strong>Stadt</strong> mag den Ansprüchen<br />
globaler Repräsentationsarchitektur nicht genüge zu tun. Dennoch hält<br />
die Produktion von <strong>Stadt</strong> durch das Potential <strong>der</strong> unteren Einkommensschichten<br />
den unbezahlbaren Wert <strong>der</strong> Möglichkeit zur Aneignung von Raum auf Basis<br />
eigener Nutzungskonzepte und Bedürfnisse bereit, und somit die Basis, <strong>Stadt</strong> als<br />
Wechselwirkung sozialer Realitäten und physischer Räume neu zu erfinden.