Istanbul im Kontext der Europäischen Stadt - TU Wien
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354 Katharina Sucker<br />
genden Akzeptanz <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>regierung rechnen konnten. Der Übergang zur Formalisierung<br />
bedeutet in jedem Falle die Angleichung an die Produktionsmechanismen<br />
<strong>der</strong> Städte westlicher Tradition auf <strong>der</strong> Stufe eines weit fortgeschrittenen<br />
Kapitalismus. Allerdings ist <strong>der</strong> Wandel von <strong>der</strong> Produktion <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> mit Nutzwert<br />
zur Produktion <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> reinen Marktwertes für <strong>Istanbul</strong> zur Endstation des<br />
Übergangs in einen europäischen Urbanisierungsdiskurs geworden. Regulierungen<br />
dieses Prozesses <strong>der</strong> Privatisierung und Hüter öffentlichen Raumes gibt es<br />
kaum, und somit steht <strong>der</strong> Zementierung gesellschaftlicher Ungleichheit durch<br />
die weitere Produktion <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> nichts <strong>im</strong> Wege.<br />
Betrachtet man diesen Prozess aus einem an<strong>der</strong>en Blickwinkel, so fällt auf,<br />
dass die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem kulturellen Erbe <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> und ihrer gesellschaftlichen<br />
Identität in die Spekulation und die Mechanismen des <strong>Stadt</strong>marketings<br />
eingebettet ist. Der Markt <strong>der</strong> Immobilienwirtschaft generiert eine enorme<br />
Anzahl an Marketing-Kampagnen, welche eine Flut von Immobilienanzeigen in<br />
allen Bereichen des Mediensektors hat entstehen lassen. Kulturelle Unterschiede<br />
und soziale Ungleichheiten sind innerhalb dieses Prozesses <strong>der</strong> Nährboden,<br />
durch den <strong>der</strong> Entwurf neuer Marketingstrategien gewährleistet ist.<br />
Dadurch wird je<strong>der</strong> Versuch sozio-kultureller Angleichung auf politischer<br />
Ebene durch die Raumproduktion gehemmt. In an<strong>der</strong>en Worten: Der Neoliberalismus<br />
führt zu einer direkten Übertragung <strong>der</strong> gesellschaftlichen Verhältnisse<br />
auf die Raumproduktion und behin<strong>der</strong>t so eine mögliche Lösung bestehen<strong>der</strong><br />
Konflikte.<br />
Die Austragung kultureller Konflikte <strong>im</strong> Raum, welche sich <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong><br />
neoliberalen Entwicklung mehr und mehr intensiviert hat, scheint gleichzeitig zu<br />
einer Überformung bestehen<strong>der</strong> Wertvorstellungen zu führen. Verfolgt man die<br />
städtebauliche Debatte, so lässt sich eine auf Opposition basierende Umformung<br />
<strong>der</strong> jeweiligen Ideale beobachten. Dort gilt es hauptsächlich das Gegenteil davon<br />
zum Ausdruck bringen zu wollen, was die an<strong>der</strong>en an Vorstellung in die <strong>Stadt</strong>produktion<br />
mit einbringen. Dabei ist „die öffentliche Präsenz, Einstellung, Haltung,<br />
Materialität und Form kulturellen Verhaltens des einen nahezu unerträglich<br />
für den an<strong>der</strong>en.“ (Esen 2005a: 123)<br />
Ein Beispiel dafür ist <strong>der</strong> Werdegang des Apartmenthauses in <strong>Istanbul</strong>. Zu<br />
Zeiten des Osmanischen Reiches Residenz <strong>der</strong> reichen, europäisch geprägten<br />
Handels-Elite, wurde es nach 1920 von <strong>der</strong> republikanischen Bourgeoisie übernommen.<br />
Viertel <strong>der</strong> Oberschicht wie Niantai entstanden nach westlichem<br />
Vorbild in <strong>der</strong> Nordstadt, während entlang <strong>der</strong> Industrieareale die Migrantenschaft<br />
mit selbst fabrizierten bescheidenen Einfamilienhäuschen vorlieb nahm. In<br />
den sechziger Jahren jedoch verkam das Apartmenthaus in Form des mehrfach<br />
aufgestockten und vermieteten Yapsat-Hauses zur standardisierten Wohnform<br />
<strong>der</strong> Arbeiterschaft. Der aus dem GeÇekondu entstandene drei- bis fünfstöckige