Kunst, Kultur, Erwachsenen- bildung
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Schwerpunkt <strong>Kunst</strong>, <strong>Kultur</strong>, <strong>Erwachsenen</strong><strong>bildung</strong><br />
einfache Wiedergabe angesammelten Wissens hinausgehen.“<br />
Kreativität wird gebraucht und ökonomisiert. Schon<br />
Guilford meinte in den 1950er-Jahren, dass der Weg ökonomisch,<br />
technische Höchstleitungen zu erbringen über<br />
die Kreativität führe. (Vgl. Reckwitz: 2012, 222) Einen<br />
ähnlichen Gedanken verfolgt Richard Florida Anfang<br />
dieses Jahrtausends: In Zukunft brauche es kreative Köpfe,<br />
um die anstehenden Aufgaben der Gesellschaft zu bewältigen.<br />
Florida sieht einen Zusammenhang zwischen<br />
der ökonomischen Stärke einer Region und der Anwesenheit<br />
von kreativen Menschen, die für ihn gemeinsam<br />
mit Kapital und Wirtschaft zu den wesentlichen Faktoren<br />
für ökonomische Entwicklung zählen. Kreativität und<br />
Produktivität werden in einen engen Zusammenhang<br />
gebracht: Es braucht Kreativität, um in der Arbeitswelt<br />
zu bestehen, und die Arbeitswelt braucht sie als wichtige<br />
Ressource. (Florida: 2002)<br />
Wann erlebt ihr euch als besonders kreativ?<br />
a. f.: Als erstes erinnere ich mich an eine Aufgabe an der<br />
<strong>Kunst</strong>uni. Wir waren im Material total eingeschränkt und<br />
mussten eine Aufgabe lösen. Das ist mir sehr gut gelungen. Der<br />
Lehrer war begeistert.<br />
m. o.: Ich denke an meine Aufnahmeprüfung an der<br />
Schauspielschule. Ich hatte das Gefühl, so wie ich den Text<br />
spreche, ist er sehr langweilig. Die Prüfung war am nächsten<br />
Tag, ich war unter Druck, etwas zu finden, und ich habe es<br />
gefunden. Es war toll. Ich wurde dafür sehr gelobt.<br />
b. w.: Da gibt es also einen Zusammenhang zur Bewertung,<br />
zur Reaktionen von außen? Sie hilft Kreativität zu entwickeln.<br />
m. o.: Ja, Bestätigung ist wichtig.<br />
Kreativitätsforscher wie Lowenfeld und Guilford sind<br />
der Meinung, dass Kreativität durch Lernen entwickelt<br />
werden kann. Es gibt einen Unterschied: Guilford meint,<br />
dass das Gebiet in dem Kreativität trainiert wird, keine<br />
Rolle spielt, Lowenfeld hingegen zieht aus seinen Untersuchungen<br />
den Schluss, dass das Training der künstlerischen<br />
zur allgemeinen Kreativität führt.<br />
Guilford entwickelte die Begriffe „convergent thinking“<br />
(Konvergenzdenken) und „divergent thinking“ (Divergenzdenken).<br />
Er meint, dass es der bis etwa 1950 gängigen<br />
Intelligenzforschung nur um Konvergenzdenken<br />
ging, also darum, logische Operationen richtig ausführen<br />
zu können, letztlich – um Reproduktion. Kreativität ist<br />
Divergenzdenken, d.h. die Fähigkeit zur Entwicklung alternativer<br />
Perspektiven und Lösungsansätze. (vgl. Reckwitz:<br />
2012, 224) Divergenzdenken wird durch ganz bestimmt<br />
Lernprozesse gefördert. Sozialisationspraktiken<br />
und Unterrichtsverfahren bei denen die Fremdkontrolle<br />
und -steuerung im Mittelpunkt stehen, bei denen die<br />
Auswahl der Inhalte, Abfolge der Schritte und Beurteilung<br />
der Ergebnisse fremdbestimmt erfolgen, lassen für<br />
die Aus<strong>bildung</strong> kreativen Verhaltens wenig Raum. Lernprozesse<br />
hingegen, bei denen das zu sozialisierende Individuum<br />
beteiligt wird, oder diese selbst entwirft, erhöhen<br />
die Chance der Kreativität. (Vgl. Stockhammer 1983)<br />
Diesen Anspruch verwirklichen unterschiedliche<br />
Lernansätze, einer davon ist die konstruktivistische<br />
Lerntheorie und Didaktik. Diese versteht Lernen nicht<br />
als passives Aufnehmen und Abspeichern von Informationen<br />
und Wahrnehmungen, sondern als aktiven Prozess<br />
der Wissenskonstruktion, der Menschen befähigt,<br />
in unterschiedlichsten Situationen die erworbenen Fertigkeiten<br />
und Fähigkeiten zu nutzen, was nicht zuletzt<br />
bedeutet, mit ihnen kreativ umzugehen. Lernen ist so zu<br />
denken, dass es individuelles, selbstgesteuertes Überarbeiten<br />
und Erweitern der vorhandenen Sicht auf Welt adressiert,<br />
das Entwickeln kreativer Lösungsansätze anregt<br />
und dadurch das Verhaltensrepertoire im Umgang mit<br />
der Welt erweitert. Divergenzdenken wird somit herausgefordert.<br />
„Ein Lehrender sollte möglichst reichhaltige, multimodale<br />
und kommunikationsorientierte Umgebungen<br />
schaffen (und Lernsettings so wählen, dass sie) […] die<br />
subjektiven Erfahrungsbereiche ansprechen und gleichzeitig<br />
neue ‚Rätsel‘ enthalten, die pragmatisch, interaktiv<br />
und kreativ zur Selbstorientierung einladen …“ 5 .<br />
Hier ergibt sich die erste Verbindung zum Feld der<br />
<strong>Kunst</strong>. Die Beschäftigung mit <strong>Kunst</strong> fördert Unterricht als<br />
kreatives Geschehen zu verstehen, ermöglicht Lehrenden<br />
entsprechende Haltungen einzunehmen, ein Gefühl für<br />
Lernatmosphären zu bekommen, Lernräume sinnlich zu<br />
gestalten, durch künstlerisch-kreative Impulse interessante<br />
Lernprozessen anzustoßen, vielfältige Methoden<br />
einzusetzen.<br />
Das Kompetenzfeld Kreativität und Gestaltung im<br />
Rahmen des Pflichtschulabschlusses in der <strong>Erwachsenen</strong><strong>bildung</strong><br />
oder Prozesse der <strong>Kunst</strong>vermittlung bieten<br />
vielfältige Möglichkeiten, Kreativität aufzugreifen und<br />
anzuregen. In der zeitgenössischen <strong>Kunst</strong>pädagogik<br />
wird allerdings im Moment kaum von Kreativität gesprochen<br />
– möglicherweise auch, um sich vom inflationären<br />
Gebrauch des Kreativitätsbegriffs in anderen Kontexten<br />
abzusetzen. Hier steht der Begriff der ästhetischen Erfahrung<br />
im Zentrum.<br />
Wo findet ihr Kreativität?<br />
b. w.: Kreativität entsteht also zwischen den Menschen?<br />
Die anderen bestimmen mit, was kreativ ist?<br />
a. f.: Ich erinnere mich an kreative Prozesse mit anderen.<br />
s. f.: Ich als Schauspielerin, Performerin und Regisseurin<br />
brauch sowieso die anderen, um Ideen umzusetzen. Meine<br />
Frage ist oft, mit wem will ich an meinen Ideen arbeiten.<br />
a. f.: Aber das ist es nicht nur. Ich verspüre auch eine Freude,<br />
wenn ich das Gefühl habe, mir ist etwas Tolles eingefallen.<br />
Dann fühle ich mich gut.<br />
j. l.: Ich erlebe mich als kreativ, wenn mir formal etwas<br />
gelingt: Die Verknüpfung von Bildern im Filmschnitt. Wenn<br />
ich Strukturen finde, Zusammenhänge und Verknüpfungen<br />
erkenne.<br />
b. w.: Das ist es auch für mich. Es ist ein gutes Gefühl,<br />
wenn es den Moment gibt, in dem man etwas verknüpft oder<br />
ineinander liest.<br />
e. d.: Für mich ist man kreativ, wenn man auf Vorgefundenes<br />
reagiert, Dinge verbindet, die bisher noch nicht verbunden<br />
waren, neue Blicke auf Dinge ausprobiert.<br />
a.m: Kreativität ist eine Fähigkeit, die z. B. die Künstler/<br />
innen in einem besonderen Feld – der <strong>Kunst</strong> – einsetzen.<br />
5 http://de.wikipedia.org/<br />
wiki/Konstruktivistische_<br />
Didaktik.<br />
DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 03-2013 · NR. 249 — 17