Kunst, Kultur, Erwachsenen- bildung
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Einführung in die <strong>Erwachsenen</strong><strong>bildung</strong> – Buchtipps, Geschichte<br />
Sigrid Nolda: Einführung in die Theorie der<br />
<strong>Erwachsenen</strong><strong>bildung</strong><br />
2., durchges. Auflage, Darmstadt:<br />
Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2012,152 Seiten.<br />
(= Grundwissen Erziehungswissenschaft.)<br />
Werner Lenz<br />
Seit Beginn der 1970er-Jahre hat sich <strong>Erwachsenen</strong><strong>bildung</strong><br />
vorwiegend als Teildisziplin<br />
der Erziehungswissenschaft an deutschsprachigen<br />
Universitäten etabliert. Aus diesem<br />
Fachbereich präsentiert Sigrid Nolda, Professorin<br />
an der Universität Dortmund, bisher<br />
gewonnen Einsichten, Erkenntnisse und<br />
Forschungsergebnisse – übersichtlich, lesefreundlich,<br />
zum Weiterlesen und Mitdenken<br />
anregend.<br />
Ausgangspunkt sind die begrifflichen Erläuterungen<br />
zu den Bezeichnungen Volks<strong>bildung</strong>,<br />
lebenslanges Lernen, <strong>Erwachsenen</strong><strong>bildung</strong><br />
und Weiter<strong>bildung</strong>. Wenn auch die<br />
beiden letzten Begriffe synonym verwendet<br />
werden, bevorzugt die Autorin <strong>Erwachsenen</strong><strong>bildung</strong>.<br />
Diese umfasst nämlich ihrer<br />
Meinung nach den allgemeinbildenden und<br />
den anwendungsbezogenen Aspekt.<br />
Im Hinblick auf historische Konzepte<br />
und aktuelle Theorien behandelt die Autorin<br />
Ziele und Begründungen sowie verschiedene<br />
Sichtweisen auf <strong>Erwachsenen</strong><strong>bildung</strong>: deutungsanalytische,<br />
systemtheoretische, diskursanalytische<br />
sowie modernisierungs- und<br />
machttheoretische.<br />
Im Abschnitt „Forschungsfelder und<br />
Handlungsbereiche“ wird auf die Teilnehmenden,<br />
das Lernen Erwachsener, ihr Wissen<br />
und ihre Kompetenzen, auf Institutionen<br />
und Lernorte eingegangen. Nicht zuletzt<br />
werden berufliches Handeln, Berufsrollen,<br />
Berufsverhältnisse und die Profession von<br />
<strong>Erwachsenen</strong>bildner/innen erörtert.<br />
Sigrid Nolda zeigt auch Widersprüche<br />
und Paradoxien auf. So etwa den gern gebrauchten<br />
Gegensatz zwischen allgemeiner<br />
und beruflicher Fort<strong>bildung</strong> oder den zwischen<br />
der oft beschworenen Bedeutung und<br />
der realpolitischen Vernachlässigung von <strong>Erwachsenen</strong><strong>bildung</strong>.<br />
Das Buch enthält kompaktes Orientierungswissen,<br />
das für Studierende und Praktiker/innen<br />
eine gute Basis für weitere Aktivitäten<br />
in der <strong>Erwachsenen</strong><strong>bildung</strong> abgibt. //<br />
Lernort-Innovation<br />
Das erste Abendvolkshochschulgebäude<br />
Die 1901 gegründete Volkshochschule „Volksheim“ konnte am 5. November<br />
1905 ein eigenes Haus eröffnen und damit die Lernortfrage nicht nur neu<br />
stellen,sondern völlig neu beantworten<br />
Wilhelm Filla<br />
In der <strong>Erwachsenen</strong><strong>bildung</strong> spielt die Lernortfrage<br />
seit jeher eine wichtige, oft unterschätzte<br />
Rolle. Im 19. Jahrhundert und noch<br />
lange danach fand <strong>Erwachsenen</strong><strong>bildung</strong><br />
vielfach in Amtsgebäuden, Schulen, verrauchten<br />
Hinterzimmer von Gasthäusern<br />
und in Sälen statt, die für unterschiedlichste<br />
Zwecke benutzt wurden. <strong>Erwachsenen</strong>- und<br />
<strong>bildung</strong>sgerecht waren diese Räume allesamt<br />
nicht. Mit der Eröffnung eines eigenen Hauses,<br />
das der Arbeiterdichter Alfons Petzold als<br />
Haus mit „hundert hellerleuchteten Fenstern“<br />
rühmte, wurde ein völlig neuer Lernort ausschließlich<br />
für Bildungszwecke geschaffen.<br />
Damit brach ein neues Kapitel in der <strong>Erwachsenen</strong><strong>bildung</strong>sgeschichte<br />
an. Das Haus<br />
des Volksheims gilt üblicherweise als erstes<br />
Abendvolkshochschulgebäude Europas. Die<br />
nordeuropäischen Heimvolkshochschulen<br />
verfügten aber bereits mehr als ein halbes<br />
Jahrhundert zuvor über eigene Häuser und<br />
in Berlin nahm die 1888 als naturwissenschaftliche<br />
Bildungsstätte gegründete Urania<br />
schon 1889 ihr eigenes Haus in Betrieb.<br />
Konkurrenzvorteil<br />
Das eigene Haus verschaffte dem Volksheim<br />
einen erheblichen Vorteil gegenüber der<br />
enormen Konkurrenz, der Bildungsaktivitäten<br />
beispielsweise durch Branntweinstuben<br />
und Beisln „ums Eck“ ausgesetzt waren. Das<br />
Haus bot seinen Besuchern, von denen viele<br />
in desolaten Wohnverhältnissen lebten –<br />
Lungenerkrankungen galten um die vorletzte<br />
Jahrhundertwende als „Wiener Krankheit“<br />
– , viel Licht, im Winter Wärme und vor allem<br />
die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten zu<br />
treffen, auszutauschen und ohne Alkoholkonsum<br />
Geselligkeit zu pflegen. Die Gaststätte<br />
im Volksheim wurde vom Verein abstinenter<br />
Frauen betrieben. Im Vordergrund<br />
stand jedoch immer der Bildungserwerb.<br />
Alles zusammen hat eine spezifische Atmosphäre<br />
hervorgerufen, die auch für „Lehrende“<br />
attraktiv war.<br />
Das Volksheim war jenseits des Gürtels<br />
am heutigen Ludo-Hartmann-Platz in Wien-<br />
Ottakring situiert und damit in einem städtischen<br />
Bereich, in dem Bildung und <strong>Kultur</strong><br />
noch kaum einen Platz hatten. Wien war in<br />
einer heute kaum mehr nachvollziehbaren<br />
Weise sozial-kulturell segregiert. Christian<br />
H. Stifter hat seine analytische Geschichte<br />
der Wiener Volkshochschulen daher treffend<br />
mit „Geistige Stadterweiterung“ betitelt.<br />
Durch die Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
war das neue Haus gut erreichbar, wenngleich<br />
der größte Teil seiner bald sehr zahlreichen<br />
Besucher/innen „per pedes“ kamen.<br />
DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 03-2013 · NR. 249 — 45