Kunst, Kultur, Erwachsenen- bildung
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Bildungsthemen aktuell<br />
Pendeln, Betreuungspflichten u.a.), was Investitionen in<br />
die Weiter<strong>bildung</strong> kaum möglich macht.<br />
Neben diesen strukturellen Faktoren beeinflussen<br />
auch individuelle Wahrnehmungen und Deutungen die<br />
Entscheidung für eine Weiter<strong>bildung</strong>. „Bildungsbenachteiligte<br />
Personen nehmen sich oft nicht als lernendes Individuum<br />
wahr und erkennen nicht die Möglichkeiten, mit<br />
neu gelernten Fähigkeiten etwas bewirken zu können.“<br />
(Wagner/Steiner: 2011, S. 4.)<br />
Entscheidet sich also eine Person gegen eine Bildungsteilnahme,<br />
begründet sich dies vielfach in fehlender Zeit,<br />
fehlendem Geld (Belastungssyndrom) oder fehlenden<br />
positiven Erwartungen, dass sich die Arbeits- oder Lebensbedingungen<br />
nach der „Lernanstrengung“ verbessern werden<br />
(Sinnlosigkeitssyndrom). (Vgl. Faulstich: 2006, S. 1 ff.)<br />
Ein Beispiel dafür ist die Aussage von Frau H., einer<br />
45-jährigen Burgenländerin, die nach einer Zeit der Kinderbetreuung<br />
überlegte, eine Aus<strong>bildung</strong>smaßnahme zu<br />
absolvieren, um so ihre Chancen für einen beruflichen Wiedereinstieg<br />
zu erhöhen: „Dann bin ich mal d´ran gegangen,<br />
mich zu erkundigen, wo es die Aus<strong>bildung</strong> gibt, was das<br />
kostet, natürlich war sie sehr teuer. Da kommen dann auch<br />
Überlegungen wie: ‚Soll ich mir das leisten, kann ich mir<br />
das leisten? Und wenn ich sie dann hab´ die Aus<strong>bildung</strong>,<br />
was mach‘ ich dann damit?’“ (Jakowitsch: 2010, S. 35.)<br />
Dazu kommen unter Umständen auch noch negative<br />
Schulerfahrungen und Versagensängste, die den Aufbau<br />
eines positiven Verständnisses von Lernen erschweren.<br />
So erinnert sich Herr J., der in der Schule nie richtig Lesen<br />
und Schreiben erlernte und sich erst mit 60 Jahren entschloss,<br />
einen Alphabetisierungskurs bei den Burgenländischen<br />
Volkshochschulen zu besuchen, an eine demütigende<br />
Situation in seiner Schulzeit: „Die Lehrerin holte<br />
einen viel Jüngeren in die Klasse, damit er mir vorliest.<br />
Das vergesse ich nie.“ (Kery-Erdely: 2009, S. 17.)<br />
Regionale Benachteiligung als Bildungsbarriere<br />
Neben den sozioökonomischen und kulturellen Faktoren<br />
wirkt sich auch der Wohnort nach wie vor deutlich<br />
auf die individuellen Bildungschancen aus. Wenn<br />
man von regionaler Benachteiligung in einer ländlichperipheren<br />
Region spricht, muss man auch vom regionalen<br />
Brain-Drain sprechen. Während früher ein<br />
stärkeres Stadt-Land-Gefälle hinsichtlich der formalen<br />
Qualifikation sichtbar war, lässt sich heute diese Form der<br />
Bildungsbenachteiligung nicht mehr primär nach Stadt/<br />
Land differenzieren, sondern eher nach Milieus und<br />
sozialen Lagen. Das insgesamt niedrigere durchschnittliche<br />
Bildungsniveau in benachteiligten Regionen kommt<br />
vor allem dadurch zustande, dass Menschen mit formal<br />
höheren Abschlüssen vielfach in Ballungsräume ziehen,<br />
weil es dort auch entsprechende Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
gibt. Nachdem mit steigendem formalem<br />
Bildungsniveau die Teilnahme an Weiter<strong>bildung</strong> ebenfalls<br />
steigt, erklärt das auch die Dynamik der geringeren<br />
Beteiligung an Weiter<strong>bildung</strong> von Menschen aus peripheren<br />
Regionen. (Steiner/Pessl/Wagner/Plate: 2010, S. 71 f.)<br />
Das zeigt sich besonders im Burgenland, das im Besuch<br />
von Aus- und Weiter<strong>bildung</strong>seinrichtungen nicht<br />
nur im Vergleich zu den städtischen Regionen, sondern<br />
mit einer Weiter<strong>bildung</strong>sbeteiligung von 10,4 Prozent<br />
auch im Bundesländervergleich (der Österreich-Durchschnitt<br />
ist 13,4 Prozent) am schlechtesten abschneidet.<br />
(Statistik Austria: 2013, S. 119.)<br />
Eine individuelle Benachteiligung aufgrund der regionalen<br />
Gegebenheiten entsteht auch dadurch, dass für<br />
die Teilnahme an bestimmten (Weiter-)Bildungsangeboten<br />
auch räumliche Distanzen überwunden werden<br />
müssen. Das bedeutet, dass aufgrund des mangelnden<br />
öffentlichen Verkehrsnetzes auch pkw und Führerschein<br />
vorhanden sein müssen, für manche Personen ist dieser<br />
Umstand eine fast unüberwindbare Bildungsbarriere.<br />
In einer Studie für das Bundesministerium für Unterricht,<br />
<strong>Kunst</strong> und <strong>Kultur</strong> werden die Faktoren für Bildungsbarrieren<br />
in Bezug auf regionale Benachteiligung, die sich<br />
in Wechselwirkung verstärken, zusammengefasst: „Eine<br />
Person wäre nicht aufgrund ihres Wohnortes benachteiligt,<br />
sondern weil sie in einer peripheren Region wohnt<br />
und kein geeignetes öffentliches Verkehrsnetz vorhanden<br />
ist und sie auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen wäre<br />
und sich Bildungsanbieter aus der Region zurückziehen,<br />
weil die Nachfrage zu gering ist. Dadurch wird die geographische<br />
Distanz hin zum nächsten Angebot wieder größer<br />
[…].“ (Steiner/Pessl/Wagner/Plate: 2010, S. 73.)<br />
Chancengleichheit – eine Illusion?<br />
Dass Bildung nützt, ist evident. Wem und wie viel, das<br />
hängt allerdings von mehreren Bedingungen ab. Nachdem<br />
unser Bildungssystem die Lebenschancen bereits<br />
sehr frühzeitig reguliert, „müssten die Gegenmaßnahmen<br />
um ein möglichst hohes Maß an Chancengleichheit<br />
im Weiter<strong>bildung</strong>ssystem herstellen zu können, finanzstark<br />
und großflächig sein“. (Egger: 2006, S. 10.)<br />
Gerade <strong>bildung</strong>sbenachteiligte Personen bräuchten in<br />
einem hohen Ausmaß flankierende Angebote und Unterstützungsstrukturen,<br />
wobei auch Unterprivilegierte<br />
Zugang zu privilegiertem Lernen bekommen müssten.<br />
Ihnen sollte auch ermöglicht werden, möglichst lange<br />
zweckfrei lernen zu können.<br />
Wenn auch ein Großteil der Motive zur Teilnahme an<br />
Weiter<strong>bildung</strong> darin liegt, einen Job zu finden, aufrecht<br />
zu erhalten oder die berufliche Position zu verbessern,<br />
darf das nicht zur Folge haben, dass bloß beruflich verwertbare<br />
Bildung angeboten werden soll. Bildung wirkt<br />
jenseits von Beruf und Karriere auch positiv auf Persönlichkeit<br />
und Gesellschaft. (Wagner/Steiner: 2011, S. 10.)<br />
Um die Bildungsbeteiligung zu erhöhen, bedarf es daher<br />
eines vielfältigen, kontinuierlichen und regional nahen,<br />
kostengünstigen Grundangebotes. Darüber hinaus sind<br />
zielgruppenspezifische Schwerpunktprogramme mit<br />
einer entsprechenden Öffentlichkeits- und Sensibilisierungsarbeit<br />
anzubieten, die zur Teilnahme motivieren,<br />
indem Nutzen und Wert einer Teilnahme individuell erkennbar<br />
werden. (Wagner/Steiner: 2011, S. 4.)<br />
Methodisch sind die Entwicklung und Umsetzung von<br />
innovativen und niederschwelligen Lernangeboten und<br />
Lernformen zur Gewinnung <strong>bildung</strong>sferner bzw. <strong>bildung</strong>sbenachteiligter<br />
Zielgruppen, die bislang in den Bildungsangeboten<br />
unterrepräsentiert sind, zu forcieren, wobei<br />
auch zu berücksichtigen ist, dass individuelle Lernprozesse<br />
DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 03-2013 · NR. 249 — 37