Konsumräume
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EINLEITUNG<br />
Die Thematik der Drogenkonsumräume spiegelt sich in den Medien und in der<br />
wissenschaftlichen Literatur in recht gebrochener Weise.<br />
Zum einen werden Drogenkonsumräume als sinnvolle Ergänzung des bestehenden<br />
Drogenhilfesystems bezeichnet, die sowohl der Überlebenshilfe dienen als auch der<br />
Möglichkeit der Entwicklung von individuellen Lebensperspektiven mit und ohne Drogen<br />
dienstbar gemacht werden kann. In diesem Verständnis gelten Drogenkonsumräume als ein<br />
Teil eines umfassenden Ansatzes der Risikominimierung und Schadensbegrenzung im Feld<br />
des Drogengebrauches und der drogenbezogenen Problembereiche. Gestützt wird diese<br />
Einstellung davon, dass bestimmte Zielvorgaben im Europäischen Aktionsplan zur<br />
Drogenbekämpfung ohne radikale Umsetzung von risikominimierenden Strategien kaum<br />
erfüllbar scheinen. Dieser Aktionsplan verweist explizit auf den Artikel 152 des Vertrages<br />
von Amsterdam (1997) um eine um neue Aufgaben erweiterte Kooperation zwischen<br />
Mitgliedsstaaten zu eröffnen, die zusätzlich zur traditionellen Kooperation im Feld der<br />
Prävention auf die Begrenzung drogenbedingter Gesundheitsschäden gerichtet sein soll.<br />
Strategien der Risikominimierung, unter ihnen die Angebote der überwachten Konsumation,<br />
sollten unter dieser Perspektive auf zunehmende Akzeptanz hoffen dürfen.<br />
Zum anderen stehen den positiven Zuschreibungen seitens der BefürworterInnen 1 derartiger<br />
Einrichtungen immer noch Auffassungen wie jene der Internationalen Drogenkontrollbehörde<br />
entgegen, dass die Einrichtung von Drogenkonsumräumen unheilvoll sei, da sie das<br />
Rechtsbewusstsein schmälere, dem illegalen Drogenhandel Vorschub leiste und den<br />
Drogengebrauch und die mit ihm verbundenen Rechtsbrüche toleriere.<br />
Vertreter der Schadensreduktion erkennen der Einrichtung von <strong>Konsumräume</strong>n den Wert zu,<br />
ein weiterer, wichtiger Schritt zur Normalisierung im Umgang mit Gebrauchern illegalisierter<br />
Substanzen zu sein, der eventuell dazu führt, dass ein selbstkontrollierter und gesellschaftlich<br />
und kulturell integrierter Drogenkonsum erlernt und praktiziert werden kann.<br />
Von diesem utopischen Anspruch fühlen sich die Verfechter der alternativen Utopie einer<br />
drogenfreien Gesellschaft bedroht und leiten für sich die Verpflichtung ab, der Einrichtung<br />
von <strong>Konsumräume</strong>n Widerstand zu leisten.<br />
In der daraus resultierenden Auseinandersetzung gehen die realen Konturen der Struktur<br />
„<strong>Konsumräume</strong>“ und ihre reale gesellschaftliche Bedeutung innerhalb der Gesundheits-,<br />
Sozial- und Sicherheitspolitik verloren. Sie gewinnen eine mythische Position und werden<br />
leicht zu Sündenböcken im Feld der drogenpolitischen Auseinandersetzung.<br />
Diese mythische Positionierung geht umso leichter von statten, als die wissenschaftliche<br />
Literatur über <strong>Konsumräume</strong> äußerst dünn gesät ist. Dieses Problem stellte sich auch bei der<br />
Abfassung der vorliegenden Expertise. Es war nicht möglich, bei der Auswahl der<br />
Datenquellen selektiv vorzugehen und etwa jenen Publikationen Vorrang zuzuordnen, die in<br />
Top-Ranking-Zeitschriften erschienen sind oder die in Datenbanken, wie medline und so<br />
weiter vertreten sind. Diese Medien durchforstet man umsonst. Selbst in Abstract-Werken ist<br />
die Literatur zu <strong>Konsumräume</strong>n nur spärlich vertreten. Eine Quelle für verwertbare Literatur<br />
ist die ARCHIDO-Bibliographie an der Hochschule von Bremen, die allerdings unselektiv<br />
1 Hinsichtlich der Bezeichnung von Berufs- und anderen Personengruppen wird in der Folge der besseren<br />
Lesbarkeit wegen in der Regel nur die männliche Form verwendet.<br />
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