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Konsumräume

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können, ebenso eindrücklich entnommen werden, wie die unheilvolle Verflechtung<br />

gesundheits- und sozialpolitischer Vorstellungen und Zielsetzungen mit tagespolitischer<br />

Praxis.<br />

Die Schweizer Autoren wiesen bereits damals darauf hin, dass Fixerräume keine Patentlösung<br />

für das Drogenproblem darstellen, dass sie aber ein Hilfsangebot darstellen, das kurzfristig<br />

negative Folgen der drogenpolitischen Ausgrenzung der Abhängigen zu lindern vermag,<br />

umfassendere soziale und psychosoziale Hilfsangebote aber nicht ersetzen könne.<br />

Den Experimenten in Bern und Basel folgten Eröffnungen von Injektionsräumen in St. Gallen<br />

(1989), in Luzern und in Zürich (1992). Zunächst wurden Injektionsräume ausschließlich in<br />

Städten der deutschsprachigen Schweiz eingerichtet. Erst im Dezember 2001 wurde in Genf<br />

der erste Konsumladen in der französischsprachigen (Romandie) Schweiz installiert. In der<br />

italienischsprachigen Schweiz (Ticino) wurden bislang keine Injektionsräume eröffnet.<br />

Insgesamt existierten 2002 in der Schweiz 13 Anlaufstellen in 8 Städten.<br />

2.1.1. Die politische Auseinandersetzung um die ersten Versuche in der Schweiz<br />

Bereits im Juli 1988 hatte der Generalprokurator des Kantons Bern Rahmenbedingungen für<br />

das Betreiben einer Fixerstube erlassen. Danach durfte in einer derartigen Einrichtung kein<br />

Handel mit Betäubungsmitteln stattfinden und es durften auch keinerlei<br />

Vermittlungsgeschäfte angebahnt werden. Der Konsum wurde unter § 19a Ziffer 3 des<br />

Schweizer Betäubungsmittelgesetzes (BetMG) unter folgenden Bedingungen zugelassen: Es<br />

musste ständig eine entsprechend kompetente Betreuungsperson zugegen sein und es musste<br />

Schulpflichtigen der Zugang zur Einrichtung verwehrt werden.<br />

Das grundlegende Rechtsgutachten: Im November 1988 wurde dann vom Bundesamt für<br />

Gesundheitswesen Prof. Hans Schultz mit der Erstellung eines Gutachtens bezüglich der<br />

rechtlichen Zulässigkeit des Betreibens von derartigen Einrichtungen betraut. Auch dieses<br />

Rechtsgutachten interpretiert den § 19a, Ziffer 3 BetMG in gleicher Weise wie der<br />

Generalprokurator. Schultz interpretierte die Injektionsräume ebenfalls als Behandlungsräume<br />

und wies darauf hin, dass in diesem Artikel des Gesetzes explizit die Möglichkeit erwähnt<br />

wird, dass der Konsum von Drogen „unter ärztlich betreuter Beobachtung“ straffrei bleibt.<br />

Der Konsum selbst wird in der Schweiz ohnehin nur als Übertretung gesehen, die mit Haft<br />

oder Bußgeld bestraft wird. Injektionsräume seien keine Orte in einem rechtsfreien Raum. In<br />

ihnen gelten sowohl das Bundesrecht, wie auch die jeweiligen kantonalen und kommunalen<br />

Rechtsvorschriften. Das bloße Betreiben eines Injektionsraums könne auch nicht als<br />

Aufforderung zum Konsum gesehen werden, da der Raum ohne äußere Kennzeichnung<br />

betrieben werde und damit nur dem Personenkreis bekannt sei, der auf ihn angewiesen ist.<br />

Dieses Gutachten repräsentiert bis heute die rechtliche Grundlage für das Betreiben von<br />

<strong>Konsumräume</strong>n in der Schweiz.<br />

Somit ist der rechtliche Rahmen für <strong>Konsumräume</strong> in der Schweiz gegeben. Dieser Umstand<br />

konnte es nicht verhindern, dass Standortsprobleme und Sicherheitsprobleme<br />

beziehungsweise Probleme der öffentlichen Ordnung eintraten. Die Betreiber der<br />

Einrichtungen orteten einen direkten Zusammenhang zwischen der allgemeinen Drogenpolitik<br />

und den Standortsproblemen. Die Behörden befürworteten die Einrichtungen, weil sie<br />

erwarteten, dass dadurch die „offenen Szenen“ verschwinden würden. Polizeiaktionen gegen<br />

die offene Szene führten dazu, dass die Abhängigen in die Injektionsräume gedrängt wurden.<br />

Dadurch wieder büßten diese ihre Funktionalität ein. Es kam zu mehr oder minder<br />

unkontrollierbaren Verhältnissen.<br />

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