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Soziales / Stadtteilarbeit Urteil für den Personenkreis nach SGB XII liegt vor WAV vom Bundessozialgericht nicht bestätigt Von Regina Schödl Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 17. Oktober 2013 die Wohnaufwendungenverordnung (WAV) Berlin für Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII für unwirksam geurteilt. Dies betrifft rund 75 000 Empfänger von Sozialhilfe, allen voran behinderte Menschen und Rentner deren Rente zu gering ist und die ergänzende Grundsicherung beziehen. Die WAV sieht z.B. vor, dass bei Menschen über 60 in besonders begründeten Einzelfällen bis zu 10 Prozent über der Mietobergrenze die Kosten der Unterkunft (KdU) übernommen werden. Das Bundessozialgericht sieht in diesem Wert eine juristisch nicht nachvollziehbare Schätzung, daher wurde die Geltung der WAV für SGB-XII-Empfänger mit dem Urteil verneint. Die Senatsverwaltung für Soziales möchte nun zuerst die Urteilsbegründung des BSG abwarten, mit welcher in ca. vier bis sechs Wochen zu rechnen ist. Dann wird die Verwaltung überprüfen müssen, wie hoch die zusätzlichen Mietkosten für Empfänger von Sozialhilfe nach dem SGB XII tatsächlich sein dürfen. In Folge dessen ist mit einer entsprechenden Überarbeitung der WAV zu rechnen. Alte Werte haben vorerst weiter Bestand In einem Rundschreiben der Senatsverwaltung für Soziales an die Sozialämter der Bezirke geht hervor, dass bis dahin die alten Werte vorerst weiterhin Bestand haben. Die in der Pressemitteilung der Senatsverwaltung vom 18.10.2013 veröffentlichte Aussage, dass „die Kosten für Unterkunft und Heizung für Empfängerinnen und Empfänger nach dem SGB XII, insbesondere also Ältere und voll Erwerbsgeminderte, (….) auf der Rechtsgrundlage des SGB XII weiterhin in Höhe der vom BSG nicht kritisierten Richtwerte erbracht“ (werden) lässt sich mit dem Urteil des BSG nicht halten. Die getroffene Aussage stellt vielmehr eine Fortsetzungen der Ausgrenzungs- und Verarmungsstrategie der Berliner Verwaltung dar. Wichtiger Hinweis Da es mit dem Urteil des BSG für Berlin nun keine wirksame Angemessenheitsgrenze für SGB XII Empfänger gibt, müssen alle gekürzten Unterkunfts- und Heizkosten bis zur tatsächlichen Höhe nachgezahlt werden. Auch wenn es die Senatsverwaltung für Soziales in der Pressemitteilung anders darstellt, so sollten betroffenen SGB XII - Leistungsbezieher, deren Unterkunfts- und/oder Heizkosten bisher nicht in tatsächlicher Höhe übernommen wurden, bis Ende Dez. 2013 einen Überprüfungsantrag bei ihrem zuständigen Sozialamt stellen. Nur wenn der Antrag in diesem Jahr noch gestellt wird, besteht Anspruch auf eine rückwirkende Nachzahlung der zu Unrecht nicht übernommenen Unterkunfts- und Heizkosten bis längstens Mai 2012. Der Überprüfungsantrag muss dieses Jahr noch gestellt werden, da er immer auf das Beginn des jeweiligen Jahres zurückgerechnet wird und dann bis maximal ein Jahr zurückreicht (§ 37 S. 1 SGB I iVm § 116a SGB XII iVm § 44 Abs. 1, 4 SGB X). Ein Überprüfungsantrag kann in folgenden Fällen gestellt werden: • unangemessen gekürzte Mieten • unangemessen gekürzte Betriebskostennachforderungen • unangemessen gekürzte Heizkostennachforderungen • unangemessen abgelehnte Umzugs- oder Wohnungsbeschaffungskosten • Bezieher von Sozialhilfe, die eine KdU-Kürzung aus dem SGB II erfahren haben, die nach dem Übergang in den Bezug von Sozialhilfe nach SGB XII fortgesetzt wurde Muss das Berliner Sozial- und Grundsicherungsamt nach Überprüfung des Antrags die Unterkunftskosten nachzahlen, dürfen diese im SGB XII nicht als Einkommen berücksichtigt werden (§ 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII). Ist die jeweilige Behörde länger als sechs Monate säumig, müssen die nachzuzahlenden Beträge zusätzlich noch mit 4 Prozent verzinst werden (§ 44 Abs. SGB I), das dürfte in den meisten Fällen Anwendung finden. Für den Personenkreis nach SGB II liegt noch kein Urteil vor, auch wenn die Senatsverwaltung in ihrer Pressemitteilung etwas anderes behauptet. Die WAV wurde mit dem Urteil vom 17.10.2013 alles andere als vom Bundessozialgericht bestätigt. Das Verfahren für den Bereich des SGB II steht noch aus, wir werden Sie informieren, sobald ein Urteil vorliegt. Az: 14AS 70/12 R schoedl@paritaet-berlin.de November 2013 31
Recht / Pinnwand Wichtige Entscheidungen und Urteile Recht und Rat Die Paritätische Tarifgemeinschaft informiert über interessante Gesetze, Verordnungen, Urteile und Entscheidungen. Gleichstellung von Krankheit und Behinderung? Europäischer Gerichtshof vom 11. April 2013 – Az. C 335/11 und C 337/11 Sachverhalt: Anlässlich zweier Schadensersatzklagen von Arbeitnehmerinnen aus Dänemark hatte der EuGH den Begriff der Behinderung im Sinne der Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/ EG zu klären. Die Begriffsdefinition hat im deutschen Recht z.B. Auswirkungen darauf, wann ein Diskriminierungsverbot nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) besteht. Die Entscheidung: Das Gericht stellte zunächst fest, dass neben den unheilbaren auch heilbare Krankheiten unter dem Begriff „Behinderung“ der genannten Richtlinie fallen können. Beide müssen „eine Einschränkung mit sich bringen, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können.“ Außerdem muss Paritätisches Personalforum Die nächsten Weiterbildungen des Paritätischen Personalforums • 15.11.2013: Datenschutz-Frühstück • 19.11.2013: Compliance (Transparenz) • 26.-27.11.2013: Herbstrunde Arbeitsrecht • 28.11.2013: Jahresendtagung-Ausblick 2014 • 03.12.2003: Die ersten 100 Tage als Datenschutzbeauftragter • 05.12.2013: Jahresendtagung-Ausblick 2014 Eine Anmeldung ist erforderlich. Nähere Informationen zu unseren Seminaren erhalten Sie unter www.paritaetisches-personalforum. de oder (030) 55 17 41 02. diese Einschränkung von langer Dauer sein. Konsequenzen für die Praxis: Entgegen der teilweise in der Presse und auch Fachliteratur geäußerten Meinungen entwickelt der EuGH den Begriff der Behinderung im Anwendungsbereich der betroffenen Richtlinie nur konsequent fort. Keineswegs sind die Begriffe der „Krankheit“ und der „Behinderung“ gleichzusetzen. Es kommt auf die genannten Voraussetzungen an, insbesondere auf eine lange Dauer der Einschränkung. Es wird außerdem bestätigt, dass beide Zustände gleichzeitig vorliegen können. Wirkliche Neuigkeiten bringt die Entscheidung daher nicht, Personalpraktiker sollten sich von entsprechenden Presseberichten nicht irritieren lassen. Der vom EuGH entschiedene Fall gibt unter Hinweis auf den Wertungsspielraum der nationalen Gesetzgeber keine Veranlassung, das deutsche System zum Schutz für Schwerbehinderte oder diesen gleichgestellten Personen in Frage zu stellen. Wegen rechtlicher Fragen oder einer ersten kostenfreien Beratung können sich Mitgliedsorganisationen des Paritätischen LV Berlin wenden an die: Paritätische Tarifgemeinschaft e. V. Geschäftsstelle Berlin Rechtsanwalt Gerd Luttmann Kollwitzstr. 94-96 10435 Berlin Tel. 423 8806, Fax 3159 1929 E-Mail info@ptg-berlin.org www.ptg-berlin.org neuhland-Fortbildungsakademie Veranstaltungen im November 2013 14.11.2013 9 - 17 Uhr und 15.11.2013 9 - 17 Uhr Sicherheit gewinnen im Umgang mit destruktiven Seiten von Klienten. Oder: Welchen Nutzen hat Aggression? 28.11.2013 9 - 17 Uhr und 29.11.2013 9 - 17 Uhr Professioneller Umgang mit Menschen mit psychotischem Erleben Die Fortbildungen finden am Nikolsburger Platz 6, 10717 Berlin statt. Für viele Fortbildungen können Fortbildungspunkte bei der Psychotherapeutenkammer beantragt werden. Weitere Informationen und Anmeldung über die Webseite http://www.neuhland.net/index.php/fortbildungsakademie-neuhland/programm 32 November 2013
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