Berlin.Friedrichstraße Ausgabe 2/2013 (Vorschau)
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Die <strong>Friedrichstraße</strong> bei Nacht, rechts das Kaffeehaus »Imperator«, links das Weinrestaurant »Faun«. Postkarte.<br />
bekleidete Weiße. Sexuell schien der Sieg der<br />
Schwarzen zum Ausdruck zu kommen. Der<br />
Polizeipräsident untersagte den Auftritt. Im<br />
»Weidenhof« trat 1926 auch die erste und<br />
einzige Damen-Jazzband, Hilda-Wards-Band<br />
von Covent Garden London, auf.<br />
Musikalisch drehten auch die Männer auf:<br />
Zum Beispiel das Orchester James Kok im<br />
»Moka Efti«, Nr. 59/60 Ecke Leipziger Straße<br />
(heute Atrium). 1927 gegründet, spielte es<br />
mit fünfzehn Mann amerikanischen Swing-<br />
Jazz. Das Orchester des aus Rumänien stammenden<br />
Geigers galt als eines der besten.<br />
Das Kaffeehaus »Imperator« (Nr. 67, Ecke<br />
Mohrenstraße, heute Friedrichstadt-Passagen,<br />
Quartier 205) veranstaltete seit 1929<br />
Tanztees. Mit dem Jazzmusiker Kurt »Kutte«<br />
Widmann wandelte sich 1933 das Familiencafé<br />
zum Treffpunkt der Swingbegeisterten<br />
und Tanzwütigen. Das Haus war stets überfüllt.<br />
Widmann trat mit einem zehnköpfigen<br />
Orchester auf. Er selbst spielte Posaune und<br />
wurde der populärste <strong>Berlin</strong>er Tanzkapellenleiter.<br />
Beim »Tiger-Rag« zog er einen Tigerkopf<br />
über. Den Zweizentner-Mann nannte<br />
man wegen seiner Luftsprünge auch springender<br />
Gummiball.<br />
Zurück zum Kabarett: »Bei Steinmeier, das<br />
ist bekannt, ist täglich Tanz und allerhand!«<br />
hieß es in der Eigenwerbung des Hauses, geführt<br />
vom »König der <strong>Friedrichstraße</strong>«, Gustav<br />
Steinmeier – der »Ball schöner Frauen«.<br />
Das Café Steinmeier in der Nr. 96 (heute NH<br />
Hotel) war berühmt-berüchtigt, ein vor allem<br />
von alleinreisenden Herren aus der Provinz<br />
besuchtes Etablissement. Es war ein Tanzlokal<br />
(Kabarett), aber die eigentlichen Attraktionen<br />
waren »die schönsten Frauen in Badetrikots«<br />
(Werbung). Steinmeier war selbst »sein aktivster<br />
Gast«, »tanzte mit den hübschen Mädchen,<br />
es blies das Saxophon in der Kapelle, er<br />
hielt an der Bar den durstigen Stammgästen<br />
stand.« 1891 entstand ein prachtvoller Eckbau<br />
Nr. 41/42 zur Kochstraße mit dem Café<br />
Friedrichshof (heute Bäckerei Kamps). Im<br />
Anschluss existierte hier bis 1932 das Tanzkabarett<br />
Bonbonniere, mit »Tanz und Poesie<br />
und Erotik in der Praxis, handgreiflich vorgeführt«<br />
– ein dunkles Kabarett mit kleiner<br />
Bühne und wenig Licht.<br />
Das Hotel »The Westin Grand« steht an der<br />
Stelle der früheren Kaisergalerie. Die erste<br />
<strong>Berlin</strong>er Passage war 128 Meter lang und<br />
führte von der Friedrich-/Ecke Behrenstraße<br />
bis zum Boulevard Unter den Linden. Eine<br />
der Attraktionen war das Passage-Theater<br />
(1901-26). Unter der Direktion von Theodor<br />
Rosenfeldt bot es Varieté, Kabarett und Akrobatik.<br />
Täglich zwischen 17 und 23 Uhr gab<br />
es 14 bis 16 Nummern. Ab 1915 wurde dem<br />
Varieté das Linden-Kabarett angegliedert,<br />
in dem Claire Waldoff nachts um halb Zwei<br />
ihre frechen Lieder sang. Sie spielte und sang<br />
mit Lucie Berber, Else Ward, Senta Söneland<br />
und ihrer Freundin Gussy Holl. Nachtleben<br />
gab es auch auf der anderen Seite der Behrenstraße<br />
in der Nr. 165 (heute Boss). Rudolf<br />
Nelson, der Revue-König von <strong>Berlin</strong>, eröffnete<br />
hier 1907 das eigene Kabarett »Chat<br />
Noir«. Es befand sich im Pschorr-Bräu-Haus<br />
und hatte von 23 bis 2 Uhr geöffnet. Seine<br />
Revue wählte nur ein einziges durchgängiges<br />
Thema oder einen Schauplatz, der als Hintergrund<br />
mehrerer Themen diente. Mit dem<br />
»Chat Noir« war das Kabarett »hoffähig«<br />
geworden. Der Kabarettist Willi Schaeffers<br />
erinnert sich: »Jede Nacht halb zwölf sah<br />
man hier ein interessantes Publikum, meist<br />
in Frack und großer Toilette. Es waren die<br />
Menschen der großen <strong>Berlin</strong>er Gesellschaft,<br />
die Diplomaten, die Herren aus den Ministerien,<br />
die von ihren offiziellen Diners kamen<br />
und sich hier noch zwei Stunden geistvoll<br />
unterhalten wollten«.<br />
<strong>Berlin</strong>.<strong>Friedrichstraße</strong> Nr. 2 <strong>2013</strong> 39