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IT ProfessIonal<br />

KommuniKation<br />

nommen. Offizieller Sprachgebrauch wurde<br />

auch die Abkürzung I heart ... (Ich liebe ...), bei<br />

der man statt dem Wort love (lieben) ein Herzchen<br />

malt. Im Deutschen hat der Duden Abkürzungen<br />

aus dem Web noch nicht offiziell akzeptiert,<br />

was aber vielleicht noch kommen könnte.<br />

Die Sprachwissenschaftlerin Christa Dürscheid<br />

vermutet ebenfalls, dass die Web-Sprache<br />

Einfluss auf unser Kommunikationsverhalten<br />

Im Gegensatz zum Oxford English Dictionary<br />

(OED) kennt der Duden LOL nur als Abkürzung<br />

und noch nicht als eigenständiges Wort.<br />

haben werde. Sie hat in ihrer Studie (siehe<br />

Interview) zwar noch keinen Einfluss der Web-<br />

Sprache auf die Texte von Schülern feststellen<br />

können. Die Jugendlichen könnten sehr gut<br />

zwischen verschiedenen Textsorten unterscheiden<br />

und ihren Stil je nach persönlichen<br />

sprachlichen Fähigkeiten anpassen. Trotzdem<br />

habe sich die Art, wie wir <strong>mit</strong>einander kommunizieren,<br />

geändert. Während man früher<br />

viele Dinge mündlich diskutiert habe, gebe<br />

es heute viel mehr schriftliche Kommunikation<br />

per E-Mail, SMS oder über andere Medien.<br />

Diese neue Schriftlichkeit werde Auswirkungen<br />

auf das soziale Verhalten und möglicherweise<br />

auch auf den Sprachgebrauch haben.<br />

Fazit<br />

Die Sprachwissenschaft ist sich weitgehend<br />

einig, dass sich im Web neue Textarten bilden,<br />

die meist eine Mischung aus Mündlichkeit<br />

und Schriftlichkeit sind. Maßstäbe etwa<br />

aus der Buch- oder Briefsprache anzulegen,<br />

sei unangemessen, da die dort verwendeten<br />

Stil<strong>mit</strong>tel in den neuen Medien nicht funktionierten.<br />

So dient die Verwendung der in förmlichen<br />

Texten verpönten Umgangssprache<br />

oder das Schreiben im Dialekt als Zeichen von<br />

Nähe zwischen den Kommunikationsteilnehmern.<br />

Einen Einfluss auf die Alltagssprache<br />

und andere Textsorten ist derzeit nicht festzustellen.<br />

Langfristig, so die Meinung einiger<br />

Forscher, könnte unser verändertes Kommunikationsverhalten<br />

aber auch Auswirkungen<br />

auf die Standardsprache haben.<br />

tr<br />

<strong>PC</strong> <strong>Magazin</strong> 10/2011 www.pc-magazin.de<br />

Interview<br />

Prof. Dr. Christa Dürscheid<br />

hat einen Lehrstuhl für Germanistische Sprachwissenschaft<br />

an der universität Zürich. in einer<br />

Studie hat sie das Sprachverhalten von Schülern<br />

im Web und in der Schule untersucht.<br />

<strong>PC</strong> <strong>Magazin</strong>: Sie haben SMS-Texte, Instant-Messaging-<br />

Dialoge, E-Mails und Texte auf Social-Messaging-Sites<br />

(IM) von Schülern <strong>mit</strong> deren schulischen Texten verglichen.<br />

Gab es einen Einfluss der Web- und SMS-Texte<br />

auf die schulischen Arbeiten?<br />

Christa Dürscheid: Wir haben in unserem Projekt<br />

jeweils über 1000 Texte (Schul- und Freizeittexte) ausgewertet, um festzustellen,<br />

ob es Kontaktphänomene gibt, ob sich also in den schulischen Arbeiten Merkmale<br />

finden, die man aus der Handy- und Internetkommunikation kennt (z.B. durchgängige<br />

Kleinschreibung, Gesprächswörter wie wow, Verwendung von Abkürzungen oder<br />

Verbformen wie *grins*, Smileys, Buchstaben- und Satzzeichenwiederholungen vom<br />

Typ „wie schaaade!!!!“ etc.). Außerdem haben wir 754 Schüler nach der Computerund<br />

Internetnutzung in ihrer Freizeit gefragt. Auf der Basis dieser Daten konnten<br />

wir keinen Einfluss des privaten auf das schulische Schreiben feststellen.<br />

<strong>PC</strong>M: Was haben Sie beobachtet?<br />

Christa Dürscheid: Praktisch alle Texte in unserem Korpus sind in einem stark<br />

informellen Deutsch verfasst – und – da die Daten in der Schweiz erhoben wurden,<br />

in einem schweizerdeutschen Dialekt (abgesehen z.B. von Profilseiten in sozialen<br />

Netzwerken oder E-Mails an den Lehrer). Oft handelt es sich um Dialoge (z.B. Chat,<br />

schnelle SMS-Wechsel). Die Schüler schreiben hier, wie sie <strong>mit</strong>einander sprechen<br />

(unvollständige Sätze, umgangssprachliche Wörter, jugendsprachliche Elemente wie<br />

„krasser Typ“) etc.). Hinzu kommen viele Merkmale , die nicht aus der gesprochenen<br />

Sprache stammen können. Das sind z.B. Inflektive wie „knuddel“ (in der<br />

Tat selten), aber auch Schreibungen aus der Rap-Szene (z statt s (z.B. „wie gatz?“),<br />

sh statt sch, f statt v (z.B. was hesh for)), Spiel <strong>mit</strong> Klein- und Großbuchstaben<br />

(geiL, LiääääB dicH), Akronyme wie hdl, durchgängige Großschreibung und Buchstabenwiederholung<br />

(GOOOOAAAL). Alle diese Merkmale kommen häufig vor, sie<br />

sind schon zu einem Marker für das Internet- und Handyschreiben geworden.<br />

<strong>PC</strong>M: Wie könnte die Internet-Sprache die Sprache insgesamt beeinflussen?<br />

Christa Dürscheid: Wir kommunizieren häufiger als früher schriftlich, häufiger<br />

auch in Situationen, in denen man früher gar nicht kommuniziert hätte (z.B.<br />

am Abend vor dem Fernseher), und häufiger <strong>mit</strong> Abwesenden, auch wenn andere<br />

Personen anwesend sind (Schüler z.B. auch während der Unterrichtsstunde). Das<br />

heißt zum einen, dass die Aufmerksamkeit nicht mehr nur den Anwesenden und<br />

der jeweiligen Situation gilt, in der man sich gerade befindet, zum anderen, dass<br />

die geschriebene Sprache immer mehr in Domänen eindringt, die früher der Mündlichkeit<br />

vorbehalten waren. Außerdem führt die Tatsache, dass wir immer erreichbar<br />

sind, zu vielen schnellen Augenblickskommunikationen. Man plant nicht mehr<br />

lange im Voraus, man schreibt oft nicht mehr explizit (der andere kann ja sofort<br />

nachfragen), man hat aber auch ständig Kontakt zu seinen Liebsten und kann,<br />

z.B. während der Arbeit, wo man nicht private Telefonate führen darf, schnelle<br />

Botschaften nach Hause schicken. Dieses neue, spontane, private, allgegenwärtige<br />

Schreiben könnte dazu führen, dass das Schreiben auch in solchen Situationen<br />

informeller wird, in denen es nicht angeraten ist, informell zu schreiben (z.B. in<br />

der Geschäftskorrespondenz). Wie ich in meinem Projekt gezeigt habe, ist das,<br />

was Schüler betrifft, bisher aber nicht der Fall – doch das heißt nicht, dass wir<br />

nicht alle sehr genau darauf achten müssen, wie wir wem schreiben. Gerade weil<br />

wir viel mehr Möglichkeiten als früher haben, werden die Anforderungen immer<br />

komplexer.

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