EINBLICKE - KHSB
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19<br />
Strukturen würden die Liebestätigkeit überflüssig machen, verbirgt<br />
tatsächlich ein materialistisches Menschenbild: den Aberglauben,<br />
der Mensch lebe ›nur von Brot‹ (Mt 4,4; vgl. Dtn 8,3)<br />
– eine Überzeugung, die den Menschen erniedrigt und gerade<br />
das spezifisch Menschliche verkennt« (Nr. 28). Insofern ist »der<br />
Liebesdienst für die Kirche nicht eine Art Wohlfahrtsaktivität,<br />
die man auch anderen überlassen könnte, sondern er gehört zu<br />
ihrem Wesen, ist unverzichtbarer Wesensausdruck ihrer selbst«<br />
(Nr. 25a; vgl. 31). Eine weitere idealtypisch unterscheidbare<br />
Dimension, welche die religiöse Programmatik mit der beruflichprofessionellen<br />
Praxis zu vermitteln sucht, nenne ich:<br />
3. Die Dimension der symbolischen Integration.<br />
Dementsprechend soll der christliche Anspruch sich auch materialisieren,<br />
indem er – zumindest in bestimmten Situationen der<br />
sozialen Dienstleistungserbringung - verbalisiert wird und als<br />
integraler Teil eines theologischen Deutungssystems legitimiert<br />
(und verteidigt) sowie in seinem Eigensinn auch gegenüber anderen<br />
Deutungen unterschieden wird. Dieser Dimension liegt die<br />
Vorstellung einer Ganzheitlichkeit der menschlichen Existenz zu<br />
Grunde, die ohne besondere Beachtung der religiösen Dimension<br />
– der Dimension des Heils - verfehlt werden würde. So macht<br />
Papst Benedikt XVI. in seiner ersten Enzyklika auf den eschatologischen<br />
Horizont des christlichen Liebesgebotes aufmerksam,<br />
wodurch »die Liebe zum Maßstab für den endgültigen Entscheid<br />
über Wert oder Unwert eines Menschenlebens wird« und »Gottes-<br />
und Nächstenliebe verschmelzen: Im Geringsten begegnen<br />
wir Jesus selbst, und in Jesus begegnen wir Gott« (Nr. 15). Er<br />
erinnert damit (Nr. 25a) auch an ein Spezifikum der göttlichen<br />
Liebe, »die das ganzheitliche Wohl des Menschen anstrebt: seine<br />
Evangelisierung durch das Wort und die Sakramente – ein in seinen<br />
geschichtlichen Verwirklichungen oftmals heroisches Unterfangen<br />
– und seine Förderung und Entwicklung in den verschiedenen<br />
Bereichen menschlichen Lebens und Wirkens« (Nr. 19),<br />
»die den Menschen nicht nur materielle Hilfe, sondern auch<br />
die seelische Stärkung und Heilung bringt, die oft noch nötiger<br />
ist als die materielle Unterstützung. Die Behauptung, gerechte<br />
4. Die Dimension der interaktiven Gestaltung.<br />
Es räumt der christlichen Motivation wesentlichen Einfluss auf<br />
die Gestaltung der Beziehungsebene im Vollzug des Hilfehandelns,<br />
also auf der Dienstleistungsebene ein. So hält eine Studie<br />
über ein christliches Krankenhaus als Fazit bezüglich der Frage<br />
nach den Spielräumen von Träger und Leitung, um die spezifischen<br />
diakonischen Ziele zu erfüllen, fest, dass »die Qualität<br />
der Arbeit weithin von der menschlichen Zuwendung und dem<br />
Gespräch mit den Patienten abhängt, das heißt von Arbeitsinhalten,<br />
die der diakonische Auftrag umfasst«.<br />
Dieses Verständnis des Hilfehandelns, das sich in »personaler<br />
Nächstenschaft« verwirklicht, was auch viele Hilfesuchende erwarten,<br />
die eine konfessionelle Einrichtung aufsuchen, vollzieht<br />
sich auf dem Hintergrund der Unterscheidung von ›Nähe statt<br />
Anonymität‹, ›Mensch statt Nummer‹, ›Bruder/Schwester statt<br />
Patient/Klient‹. Auch Benedikt XVI. schreibt in seiner Enzyklika<br />
(Nr. 42): »Wer zu Gott geht, geht nicht weg von den Menschen,<br />
sondern wird ihnen erst wirklich nahe«. Aber wird damit<br />
nicht implizit dem nicht-christlichen Hilfehandeln die Fähigkeit<br />
abgesprochen, personale Zuwendung zu praktizieren? Auf die<br />
›Fraternité‹ hat der Christ kein Monopol mehr. Besteht in der<br />
Logik dieser Dimension zudem nicht das Risiko, professionelle<br />
Distanz aufzugeben, die professionelle Sachlichkeit zu entgrenzen<br />
und die jeweiligen Kompetenzen zu überschreiten? Freilich<br />
unterscheidet sich diese Dimension von jener an zweiter Stelle<br />
genannten Vermittlungsdimension, indem es diakonisches und<br />
caritatives Hilfehandeln aus der Privatisierung zieht und nicht<br />
ausschließlich in der individuellen Motivation belässt. Eine fünfte<br />
Vermittlungsdimension ist damit noch nicht genannt, ich nenne<br />
sie:<br />
5. Die Dimension der religiös angeleiteten Methodik<br />
Eine solche von religiösen Vorstellungen angeleitete beratende,<br />
therapeutische und pflegerische Praxis ist z. B. in anthroposophischen<br />
Einrichtungen zu beobachten. Eine interessante Frage ist,<br />
ob die christliche Religion über vergleichbare direkte Anschlussmöglichkeiten<br />
und analoge Übersetzungsmöglichkeiten zur etwa<br />
beratenden, therapeutischen und pflegerischen Praxis verfügt,<br />
um spezifische Methoden zu entwickeln. Der Hamburger Arzt<br />
Georg Schiffner, Vorsitzender des bundesweit tätigen Verbandes<br />
›Christen im Gesundheitswesen‹ beschäftigt sich seit Jahren mit