EINBLICKE - KHSB
EINBLICKE - KHSB
EINBLICKE - KHSB
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
9<br />
oder nicht, ist zunächst festzuhalten,<br />
dass bei Vorliegen der entsprechenden<br />
Kriterien deskriptiv immer eine Kindesmisshandlung<br />
(bei Minderjährigen) bzw.<br />
eine Körperverletzung (bei Erwachsenen)<br />
vorliegt, die, unabhängig von einer strafrechtlichen<br />
Würdigung, auch diagnostisch<br />
verschlüsselt werden sollte. In unserem<br />
Fall begehrte die Mutter eines 16jährigen<br />
Mädchens Sozialleistungen, das Mädchen<br />
selbst schien schwerst eingeschränkt und<br />
beschwert durch Behinderungen und<br />
Erkrankungen: so könne es nicht gehen,<br />
nicht stehen und sich nicht alleine umdrehen<br />
und leider u.a. unter Ganzkörperschmerzen,<br />
epileptischen Anfällen usw.<br />
Allerdings fehlten für diese Einschränkungen<br />
weitgehend die objektiven medizinischen<br />
Befunde, obwohl mannigfaltig<br />
ambulant und stationär untersucht und<br />
behandelt worden war. Mehrfach waren<br />
auch in der Vergangenheit einige Ärzte<br />
und Ärztinnen skeptisch geworden und<br />
hatten unterschiedliche Verdachtsdiagnosen<br />
gestellt (etwa: inadäquate Befunde,<br />
Münchhausen-Syndrom, Simulation),<br />
allein, eine Änderung der Situation wurde<br />
nicht herbeigeführt. Im Gegenteil: im<br />
Laufe der Jahre wurden die Einschränkungen<br />
des Mädchens stärker, ebenso<br />
die technischen und menschlichen Hilfen,<br />
die von der Mutter beantragt und genehmigt,<br />
nicht selten erstritten wurden.<br />
Immer dann, wenn in einem therapeutischen<br />
Setting ein Änderungsversuch der<br />
Grundsituation versucht wurde, nahm die<br />
Mutter ihre Tochter (und sich selbst) aus<br />
Behandlung und Beratung heraus. Zum<br />
Zeitpunkt der aktuellen Untersuchung<br />
waren bereits erkennbare Sekundärschäden<br />
bzw. -erkrankungen des Mädchens<br />
erkennbar: Verringerung der Muskulatur,<br />
Verkürzung von Sehnen, Veränderung der<br />
Knochensubstanz durch Inaktivität sowie<br />
Folgeschäden durch eine nicht notwendige<br />
Operation. Das Mädchen selbst wirkte<br />
einerseits verstört, ängstlich-gefangen<br />
und fest in der Vorstellung, schwer behindert<br />
und krank zu sein (und zu bleiben).<br />
Andererseits war in der Exploration eine<br />
ausgeprägte Vitalität und Lebenslust<br />
erkennbar, die aber faktisch immer<br />
wieder von der Mutter mit Verweis auf<br />
die Schwere der Behinderungen unterbunden<br />
wurde. Starken Symbolwert hat<br />
folgendes Zitat des Mädchens, das ihre<br />
Ambivalenz deutlich werden lässt: »Ich<br />
möchte wieder laufen lernen. Dazu muss<br />
ich aber operiert werden an Wirbelsäule,<br />
Hüft-, Knie-, und Fußgelenken.« Deutlich<br />
wurde ferner die symbiotische Beziehung<br />
zwischen Mutter und Tochter sowie anamnestisch<br />
eine wohl ähnlich, wenn auch<br />
nicht so drastische Entwicklung einer älteren<br />
Schwester des Mädchens.<br />
Wenn Mütter ihre Kinder durch Manipulationen<br />
zu Patienten machen, handelt es<br />
sich immer um eine Kindesmisshandlung,<br />
Elisabeth Fix, Stefan Kurzke-Maasmeier (Hg.):<br />
Das Menschenrecht auf gute Pflege. Selbstbestimmung<br />
und Teilhabe verwirklichen. Lambertus,<br />
Freiburg 2009.<br />
2009, 198 Seiten<br />
ca. EUR 17,50/SFr 30,50<br />
ISBN 978-3-7841-1926-7<br />
die auch so benannt und deren Fortsetzung<br />
natürlich verhindert werden muss.<br />
Zur Aufdeckung eines solchen Verhaltens<br />
sind ganz besonders das besonnene und<br />
koordinierte Zusammenarbeiten unterschiedlicher<br />
Professionen und mitunter<br />
auch Methoden nötig, die üblicherweise<br />
in der Behandlung und Beratung nicht<br />
verwendet werden. Die Sozialarbeiter/<br />
innen müssen also in solchen Fällen<br />
tatsächlich auch gelegentlich Detektive<br />
sein. Gerade diese sind mit besonderer<br />
Sorgfalt ethisch und juristisch zu überprüfen<br />
und abzuwägen. Mit einer gewissen<br />
Wahrscheinlichkeit ist die Mutter auch als<br />
psychisch krank zu bezeichnen und bedarf<br />
so oder so der professionellen Hilfe.<br />
Die Einschätzungen darüber aber, ob eine<br />
strafbare Handlung vorliegt und ob die<br />
Mutter dafür zur Rechenschaft zu ziehen<br />
ist, obliegen den zuständigen Gerichten.<br />
Neuerscheinung<br />
Menschenrechte in der Pflege<br />
Das Handbuch gibt es Anregungen zur<br />
Verbesserung der Qualität der Versorgungsstrukturen<br />
und zur Umsetzung<br />
der menschenrechtlichen Ansprüche von<br />
pflegebedürftigen Personen und versteht<br />
sich als Beitrag zum gesellschaftspolitischen<br />
Diskurs um das ethische Gut der<br />
Pflege. Es dokumentiert die Ergebnisse<br />
der gleichnamigen Fachtagung des ICEP<br />
und des Deutschen Caritasverbands im<br />
Dezember 2008.<br />
Mit Beiträgen von Thomas Klie, Klaus Dörner,<br />
Andreas Lob-Hüdepohl, Dieter Hackler, Franz J.<br />
Stoffer, Alexander Künzel, Paul-Jürgen Schiffer,<br />
Jeanne Nicklas-Faust, Achim Rieger, Hildegard<br />
Schröppel, Hans Georg Nehen, Rolf D. Hirsch,<br />
Rolf Heine und Katrin Markus.