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EINBLICKE - KHSB

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Einblick<br />

7<br />

Widerstand gegen Rechtsextremismus als Christenpflicht<br />

Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl<br />

Die Positionierung des damaligen Vorsitzenden<br />

der CDU-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Lorenz Jäger, dass der<br />

»Kampf gegen Rechtsextremismus (...) eigentlich<br />

eine Christenpflicht« sei, hat im letzten<br />

Jahr und in diesem Frühjahr eine breite Debatte<br />

in der politischen und kirchlichen Landschaft<br />

angestoßen. In diesem Zusammenhang wurde<br />

das Berliner Institut für christliche Ethik und<br />

Politik (ICEP) beauftragt, die Frage zu untersuchen,<br />

ob und in welcher Weise Christinnen und<br />

Christen von den Grundlagen ihres Glaubens<br />

her zum Widerstand gegen den Rechtsextremismus<br />

aufgerufen seien.<br />

Der Rechtsextremismus, der sich durch<br />

»völkische Denkmuster, ein daraus abgeleitetes<br />

Menschenbild, autoritär-rigide<br />

Ordnungsvorstellung und die Berufung<br />

auf das Führerprinzip« (Greß/Jaschke/<br />

Schönekäs 1990) auszeichnet, steht im<br />

schroffen Gegensatz zum demokratischen<br />

Verfassungsstaat. Darüber hinaus<br />

bestreiten seine Vertreter – auch in Unterscheidung<br />

zu anderen politischen Extremismen<br />

wie dem Kommunismus oder<br />

dem Anarchismus – grundsätzlich das<br />

»Prinzip menschlicher Fundamentalgleichheit«<br />

(Backes/Jesse). Dieses strikte Gleichheitsprinzip<br />

ist jedoch nicht nur für den<br />

bundesdeutschen Verfassungsstaat konstitutiv,<br />

sondern auch für das Christentum.<br />

Es wurzelt in der absolut gleichen Menschenwürde<br />

jedes Menschen als Ebenbild<br />

Gottes, die keinerlei Nuancierungen oder<br />

Abstufungen – etwa im Sinne rassistischer,<br />

sozialdarwinistischer, sexistischer<br />

oder kultur-ethnozentristischer Auffassungen<br />

– zulässt. Rassismus und Christentum<br />

schließen sich kategorisch aus. Das<br />

Zweite Vatikanische Konzil hat anerkannt,<br />

dass es in vielen politischen Fragen legitimerweise<br />

unterschiedliche Auffassungen<br />

geben kann, zu denen Christen nach reiflicher<br />

Gewissensbildung kommen können<br />

(vgl. Gaudium et spes 43). Damit anerkennt<br />

das Konzil grundsätzlich die Legiti-<br />

mität politischer Pluralität, die das Konzil<br />

als Ausdruck der Autonomie weltlicher<br />

Sachbereiche wertet (vgl. GS 36). Sie findet<br />

freilich dort ihre absolute Grenze, wo<br />

politische Auffassungen und Praktiken die<br />

»Achtung vor der menschlichen Person«<br />

bzw. »die wesentliche Gleichheit aller<br />

Menschen und die soziale Gerechtigkeit«<br />

verletzten oder sogar beseitigen wollen<br />

(vgl. GS 27f): »Doch jede Form einer<br />

Diskriminierung in den gesellschaftlichen<br />

und kulturellen Grundrechten der Person,<br />

sei es wegen des Geschlechts oder der<br />

Rasse, der Farbe, der gesellschaftlichen<br />

Stellung, der Sprache oder der Religion,<br />

muß überwunden und beseitigt werden,<br />

da sie dem Plan Gottes widerspricht.«<br />

(GS 29)<br />

Damit ist zugleich jeder Gleich-Gültigkeit,<br />

also jeder indifferenten Haltung eines<br />

Christen gegenüber dem Rechtsextremismus<br />

eine unzweideutige Absage erteilt.<br />

Christen sind wie Kirche insgesamt zur<br />

Weltverantwortung, die Politik im Sinne<br />

der aktiven Gestaltung des Öffentlichen<br />

Raumes notwendig einschließt,<br />

aufgerufen, durch die sie die Hoffnung,<br />

die in ihnen ist, auch »in den gewöhnlichen<br />

Verhältnissen der Welt« (Lumen<br />

gentium 35) zum Ausdruck bringen.<br />

Besondere Verantwortung kommt jenen<br />

Christen zu, die als Politiker maßgeblich<br />

die Ordnung des Weltlebens gestalten.<br />

Auch für christliche Politiker gelten die<br />

vorgenannte legitime Pluralität politischer<br />

Auffassungen und damit auch die<br />

legitime Pluralität politischer Strategien.<br />

Insofern sie aber als Christen politische<br />

Verantwortung übernehmen, binden sie<br />

ihr politisches Handeln an das Fundament<br />

und die normativen Implikationen ihres<br />

Glaubens. Insofern sind sie nicht erst<br />

als besonders politisch verantwortliche<br />

Staatsbürger, sondern schon als Christen<br />

zur Gegenwehr gegenüber politischen<br />

Extremen und insbesondere gegenüber<br />

dem Rechtsextremismus verpflichtet.<br />

Verantwortliches solidarisches Handeln<br />

von Christinnen und Christen gründet<br />

sodann auf den normativen Grundsätzen<br />

der Menschenrechte, die die Ermöglichungsstruktur<br />

menschenwürdiger Lebensführung<br />

darstellen. Auch die Kirche<br />

identifiziert sich mit dem Anliegen der<br />

Menschenrechte, das wesentlich für ihr<br />

soziales Engagement und für das Zeugnis<br />

der frohen Botschaft insgesamt ist. (GS<br />

41). Der spezifisch moralische Verpflichtungsgehalt<br />

von Menschenrechten weist<br />

auf ein konstitutives Reziprozitätsverhältnis<br />

von Rechten und Pflichten hin,<br />

das für das Gelingen einer zivilen und<br />

demokratischen Gesellschaft von hoher<br />

Bedeutung ist. Diese wichtige Ressource<br />

demokratischer Aushandlungsprozesse<br />

lässt sich mit dem Begriff der Solidarität<br />

übersetzen. Solidarität hebt auf die<br />

»konstruktive Verpflichtung« aller Träger<br />

von Menschenrechten ab, die ihnen gewährten<br />

Rechtsansprüche nicht nur nicht<br />

zu Lasten, sondern vielmehr zugunsten<br />

anderer Rechtsträger zu nutzen. Der eigene<br />

unverfügbare Anspruch auf ein menschenwürdiges<br />

Leben begründet zugleich<br />

die Pflicht zur Anerkennung der Ansprüche<br />

anderer auf eine menschenwürdige<br />

Existenz und deshalb auch die Pflicht, Gestaltungsverantwortung<br />

für die humanen<br />

Lebensbedingungen anderer zu übernehmen.<br />

Wo Menschen mit Verweis auf die<br />

Unverfügbarkeit ihrer Menschenwürde<br />

Freiheits-, Gleichheits- und Teilhaberechte<br />

einfordern, stehen sie in der Pflicht, die<br />

gleichen Rechtsansprüche allen anderen<br />

zuzubilligen – und zwar nicht nur, indem<br />

sie sie grundsätzlich anerkennen, sondern<br />

auch durch tätige Mithilfe an deren konkreter<br />

Verwirklichung. Aus diesem Grund<br />

stehen auch die Kirchen und alle Christinnen<br />

und Christen in der Pflicht, bei<br />

der Anerkennung, dem Schutz und der<br />

Durchsetzung dieser Rechte mitzuwirken.<br />

Aus diesen Überlegungen folgt, dass der<br />

Rechtsextremismus eine Form politischer

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