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Unser Brief 2013 - Erzdiözese Salzburg

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UNSER BRIEF <strong>2013</strong><br />

Die Zeichen der Zeit<br />

Von Friedrich Reiterer, Professor Für Altes Testament, Diakon in Itzling<br />

„Seht euch den Feigenbaum<br />

an! Sobald<br />

ihr merkt, dass er<br />

Blätter treibt, wisst<br />

ihr, dass der Sommer<br />

nahe ist, genauso<br />

sollt ihr erkennen …“<br />

(Lk 21,29f). Das Thema<br />

ist also ein Dauerbrenner.<br />

Als Glaubende<br />

und Verkündende<br />

stehen wir immer<br />

unter dem Anspruch,<br />

uns den Zeichen der<br />

Zeit richtig zu stellen. Was sind aber<br />

die Zeichen der Zeit? Sind es Engpässe,<br />

sind es Notlagen, sind es neue<br />

Versuche? Ist das Neue auch gut und<br />

förderungswürdig?<br />

Prüft alles – und das Gute behaltet,<br />

so hat es schon Paulus gesagt. Und<br />

er hat Recht. Gerade die Theologen<br />

neigen heute zu einem konturenlosen<br />

Relativismus und Indifferentismus.<br />

Einfache Gläubige finden auf dieser<br />

Basis keine Antworten auf die sie bedrängenden<br />

Fragen. Meine Erfahrung<br />

ist, dass es meine erste Aufgabe ist,<br />

zuerst einmal hinzuhören, welche Sorgen<br />

und Hoffnungen, welche Anliegen<br />

und Freuden meinen konkret Nächsten<br />

beschäftigen. Mein Gesprächspartner<br />

will nicht von mir hören, wie<br />

wir Theologen uns in einer Nabelschau<br />

bedauern, uns darüber mokieren,<br />

weil niemand unseren Wunschbildern<br />

nachjagt. Gerade Theologen sind<br />

mehr als gefährdet, die Bodenhaftung<br />

zu verlieren und den eigenen Phantasieprodukten<br />

nachzuhetzen. Ohne<br />

es zu wollen – und damit ohne die<br />

Fähigkeit zur nüchternen<br />

Selbstkritik, führt<br />

diese Einstellung zum<br />

Egozentrismus und zur<br />

faktischen Blindheit für<br />

die anderen.<br />

Was ist das Zeichen der<br />

Zeit? Es ist genau dein<br />

Mitmensch, mit dem du<br />

jetzt zusammen bist.<br />

Was sagst du ihm: Du<br />

bist wertvoll, ja unendlich<br />

wertvoll. Nicht weil<br />

du groß, stark, schön,<br />

berühmt und gelehrt bist! Sondern,<br />

weil du Du bist. Ein unverwechselbarer<br />

Mensch, ein Partner im Glauben,<br />

einer, bei dem man spürt, wir gehen<br />

einen gemeinsamen Weg und er versteht<br />

mich, versucht es zumindest und<br />

hört auf mich, nimmt mich ernst und<br />

an. Dann kommen Fragen über Fragen,<br />

dann kommen – meistens nur<br />

unhörbar mitklingende – Hilferufe.<br />

Und wie stehst du dann da? Glücklich,<br />

wenn du dann in deinem Herzen<br />

sagen kannst oder könntest: Nicht<br />

ich spreche zu dir, nein mein Herrgott<br />

sagt jetzt durch mich zu dir.<br />

Es berührt, bedrückt und befreit, wenn<br />

das geschieht, was mir vor kurzem<br />

passierte: Einem Freddy beginnen<br />

nach einem stundenlangen Gespräch,<br />

bevor wir endgültig auseinander gehen,<br />

die Tränen über die Wangen zu<br />

kullern und er flüstert: „Danke, mein<br />

ganzes Leben lang konnte ich noch<br />

niemandem meine Nöte und Sorgen<br />

sagen“. Und er geht in die Nacht – ein<br />

bisschen erleichtert. Eine Ahnung vom<br />

Reich Gottes, das unter uns beginnt!<br />

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