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Buchsgau - Kirchenblatt

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Leib und Seele –<br />

Hildegard von Bingen<br />

RAINER BERNDT / RETO STAMPFLI<br />

Thema<br />

Hildegard von Bingen darf seit Kurzem in der<br />

ganzen katholischen Kirche als Heilige verehrt<br />

werden. Ausserdem hat sie der Papst zur Kirchenlehrerin<br />

erhoben. Der Frankfurter Jesuit Rainer<br />

Berndt hat das entscheidende Gutachten mit -<br />

verfasst. Nach seiner Ansicht steht Hildegards<br />

Schaffen auch in Bezug zu den Texten des<br />

Zweiten Vatikanischen Konzils.<br />

Mit Heiligen muss man schon exakt sein. Lange Wartezeit<br />

Das gilt auch für Päpste. Benedikt XVI.<br />

hatte 2010 in zwei Generalaudienzen<br />

von der «Heiligen Hildegard von Bingen»<br />

(1098–1179) gesprochen, was Angelo<br />

Kardinal Amato nicht ganz billigen<br />

konnte, wie der Frankfurter Jesuit Rainer<br />

Berndt zu berichten weiss. Schliesslich<br />

wurde die Benediktinernonne seinerzeit<br />

noch nicht in der Gesamtkirche, sondern<br />

nur in Deutschland als Heilige verehrt.<br />

Das rief der Präfekt der Kongregation für<br />

die Selig- und Heiligsprechungsprozesse<br />

dem Papst in Erinnerung. Dessen Antwort<br />

fasst Berndt knapp so zusammen:<br />

«Gut, dann bringen wir das in Ordnung.»<br />

Der Jesuitenpater Professor Rainer Berndt<br />

i st Leiter des Hugo von Sankt Viktor-Instituts<br />

für Quellenkunde des Mittelalters der Philosophisch-Theologischen<br />

Hochschule Sankt<br />

Georgen in Frankfurt am Main. Als aktuelles<br />

Werk ist die Neuedition von Hildegards<br />

Schrift «Beate Hildegardis Cause et cure»<br />

im Akademieverlag Oldenbourg erhältlich.<br />

4 KIRCHENBLATT 25 2012<br />

Seit Mai dieses Jahres nun ist der Fall Hildegard<br />

geklärt: Der Papst schloss per Dekret<br />

das Heiligsprechungsverfahren ab, Hildegard<br />

wurde in den Heiligenkalender der<br />

Gesamtkirche aufgenommen. Vor zwei<br />

Monaten hat Benedikt XVI. die im Kloster<br />

Rupertsberg bei Bingen gestorbene Ordensfrau<br />

ausserdem zur Kirchenlehrerin<br />

erhoben und ihr damit eine besondere<br />

Autorität verliehen.<br />

Dass es überhaupt so weit kam, ist auch<br />

Rainer Berndt zu verdanken. Der Jesuit<br />

lehrt an der Philosophisch-Theologischen<br />

Hochschule Sankt Georgen mittelalterliche<br />

Philosophie- und Theologiegeschich -<br />

te und war der theologische Fachberater<br />

einer vom Papst eingesetzten Kommission<br />

zur Begutachtung des Lebens und<br />

Werks Hildegards. Zusammen mit der Eibinger<br />

Benediktinerin Maura Zatonyi hat<br />

Berndt die Schriften, die Lehre und die<br />

Tugenden Hildegards untersucht. Diese<br />

drei Kapitel sind ein entscheidender Teil<br />

jener dicken Akte, auf deren Grundlage<br />

Hildegard heiliggesprochen und zur Kirchenlehrerin<br />

erklärt wurde.<br />

Jetzt mit Tempo<br />

Der Papst hatte es dann offenbar eilig: So<br />

erklärt sich Berndt, dass sich, anders als<br />

üblich, die Glaubenskongregation nicht<br />

mit dem Fall befasste. Auch auf den<br />

Nachweis des sonst für eine Heiligsprechung<br />

nötigen Heilungswunders hatte<br />

Be nedikt XVI. verzichtet. Mit einem<br />

«Hauruckverfahren» hat das aber nichts<br />

zu tun, wie der Jesuit hervorhebt. «Der<br />

Papst ist von Hildegard theologisch überzeugt<br />

und hat zum Abschluss gebracht,<br />

In der St.-Hildegard-Abtei in Eibingen befindet<br />

sich das Reliquiar der Heiligen Hildegard.<br />

was vorher mehrfach zum Erliegen gekommen<br />

war.» So seien Heiligsprechungsversuche<br />

im Mittelalter im Sande verlaufen,<br />

und Benedikts Vorgänger, Johannes<br />

Paul II., habe auf dem Zeugnis eines Wun -<br />

ders bestanden.<br />

An der Bedeutung Hildegards lässt Berndt<br />

keinen Zweifel: «Sie ist die bedeutendste<br />

Schriftstellerin der Christenheit bis zu Teresa<br />

von Avila im 16. Jahrhundert, sowohl<br />

was die Menge, die Diversität und die<br />

Qualität ihrer Schriften angeht.» Sie hinterliess<br />

drei grosse, teils von Visionen und<br />

deren Erläuterungen geprägte theologische<br />

Schriften, musikalische Werke und<br />

solche über die Heilkraft der Natur sowie<br />

Hunderte von Briefen, in denen sie auch<br />

zur Politik und Kirchenpolitik Stellung<br />

nahm.<br />

Parallel zur Neuevangelisierung<br />

Die Schriften hatten auch unabhängig<br />

von der Heiligsprechung stets ihre Wirkung.<br />

«Intellektuell ist Hildegard immer<br />

rezipiert worden», hebt Berndt hervor.<br />

Theologisch entscheidend ist für ihn, dass<br />

Hildegard eine «christliche Anthropozentrik»<br />

entwickelt habe, was damals ungewöhnlich<br />

gewesen sei. «In der kosmologischen<br />

Theologie Hildegards hat Gott<br />

den Menschen in die Mitte der Schöpfung<br />

gestellt, als Wesen mit Freiheit und

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