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Buchsgau - Kirchenblatt

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Thema<br />

«Dies ist mein Leib, der für euch hingegeben wird». Das war nicht eine vereinzelte,<br />

isolierte Handlung, die Jesus tun oder auch nicht hätte tun können. Ohne sie würde<br />

die vorausgegangene Lebensgeschichte Jesu keinen Sinn machen.<br />

Zum Bild: Leonardo da Vinci (1452–1519) «Das Abendmahl» (1494–1498), Wandgemälde<br />

im Speisesaal des Dominikanerklosters Santa Maria delle Grazie in Mailand.<br />

wortlos. Er sagte zu dem Kind: «Mein<br />

schönes Kind, ich will für dich sorgen,<br />

denn du bist Gottes Kind und auch meines.»<br />

Ich weiss nicht, was seine Mitbrüder<br />

damit angefangen haben! Die Frau<br />

jedenfalls war davon so bewegt, dass sie<br />

seine Unschuld enthüllte, bevor sie starb.<br />

Das Wunderbare an dieser Geschichte ist,<br />

dass die Frau Heinrich zwar zum Opfer<br />

macht. Aber anstatt die Anschuldigung<br />

zu bestreiten, macht er sie sich zu eigen<br />

und nimmt das Kind als Gottes Kind und<br />

sein eigenes an. Er ist frei.<br />

Spontaneität<br />

«Dies ist mein Leib, der für euch hingegeben<br />

wird.» Das war nicht eine vereinzelte,<br />

isolierte Handlung, die Jesus tun<br />

oder auch nicht hätte tun können. Die synoptischen<br />

Evangelien zeigen, dass alles,<br />

was Jesus zuvor getan hatte, auf diesen<br />

Punkt hinführte: Die Berufung der Jünger,<br />

die gemeinsamen Mähler mit Prostituierten<br />

und Zöllnern, die Brotvermehrung<br />

– alle Ereignisse werden als in diesem<br />

schöpferischen Akt zusammenlaufend<br />

verstanden, der die Gemeinschaft<br />

des Leibes Christi begründet. Ohne ihn<br />

würde die vorausgegangene Lebensgeschichte<br />

Jesu keinen Sinn machen. Die<br />

Freiheit, die er in der Vergebung von Sünden,<br />

der Berührung von Aussätzigen, der<br />

Überschreitung des Gesetzes gezeigt<br />

hatte, kulminierte in diesem Akt äussers -<br />

ter Freiheit. Liest man die ganze Geschichte<br />

des Evangeliums, bekommt man<br />

im Nachhinein den Eindruck, dass alles<br />

unausweichlich und unabwendbar war.<br />

Tatsächlich war diese letzte Handlung<br />

beides: Jesus tat, was er tun musste, und<br />

tat es vollkommen frei.<br />

Unsere Gesellschaft versteht Freiheit zumeist<br />

allein als Wahlmöglichkeit zwischen<br />

mehreren Alternativen. Das Leben<br />

wäre demnach nichts anderes als eine<br />

Aufeinanderfolge von Entscheidungen.<br />

Trifft man die falsche, geht man zur<br />

Beichte und lässt sie löschen. Drei Morde<br />

und zwei unkeusche Gedanken diese<br />

Woche: kein Problem! Fang noch einmal<br />

von vorne an. Natürlich gehen wir alle zur<br />

Beichte, bitten darum, dass uns die Sünden<br />

vergeben werden, und werden entlassen<br />

mit dem Gefühl, gereinigt zu sein.<br />

Und so soll es auch sein. Aber wenn wir<br />

über diese Ebene nicht hinauskommen,<br />

wenn wir unser moralisches Leben nur als<br />

eine Kette aufeinanderfolgender guter<br />

und schlechter Handlungen verstehen,<br />

bleiben wir moralisch in den Kinderschuhen<br />

stecken. Unsere persönliche Geschichte<br />

ist nicht, wie es Henry Ford von<br />

der Geschichte allgemein sagte, «einfach<br />

ein verdammtes Ding nach dem anderen».<br />

Oft erfahren wir, dass sich uns der<br />

Sinn unseres Lebens erschliesst, indem<br />

wir eine Geschichte darüber erzählen<br />

können. Diese Geschichte enthüllt uns,<br />

wer wir sind. Wir begreifen es, indem wir<br />

unsere eigene Autobiographie im Laufe<br />

unseres Lebens immer wieder umschreiben.<br />

Mit jeder wichtigen Entscheidung<br />

bestimmen wir die Richtung, die unser<br />

Leben nehmen soll, und damit auch die<br />

Geschichte, die am Ende über es erzählt<br />

werden wird. Wir treffen Entscheidungen<br />

nicht allein im Hinblick darauf, was wir<br />

tun, sondern wer wir sind.<br />

Unterwegs zu Gott<br />

Wenn es bei der Moral um die Beachtung<br />

von Regeln ginge, liesse sich die moralische<br />

Qualität eines Lebens daran ermessen,<br />

wie oft die Regeln eingehalten oder<br />

gebrochen wurden. Die ältere Tradition,<br />

zu finden etwa bei Theologen wie Thomas<br />

von Aquin, denkt jedoch im Sinne einer<br />

Bewegung des ganzen Lebens. Die<br />

Geschichte, die wir eingeladen sind zu erzählen,<br />

ist die des Unterwegsseins zu<br />

Gott, von dem wir herkommen. Für diese<br />

Heimreise will uns die Moral die nötige<br />

Kraft geben. Ein tugendhaftes Leben zu<br />

führen heisst nichts anderes, als in die<br />

richtige Richtung weiterzugehen. Das lateinische<br />

Wort virtus, das im englischen<br />

virtuous, tugendhaft, steckt, bedeutet<br />

«Stärke» – Stärke für die Reise. Die Kardinaltugenden<br />

– Tapferkeit, Mässigung,<br />

Klugheit und Gerechtigkeit – unterstützen<br />

uns auf diesem Weg. Die theologischen<br />

Tugenden – Glaube, Hoffnung und<br />

Liebe – geben uns einen Vorgeschmack<br />

auf die Ankunft.<br />

KIRCHENBLATT 24 2013<br />

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