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Viertage-Sonderzug 2013 - Gemeinde Kirkel

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von<br />

Susanna Piontek,<br />

Kleinblittersdorf<br />

Leise schloss Bruno die Schlafzimmertür. Er legte seinen<br />

Morgenmantel über den Korbsessel, schlüpfte aus den<br />

Pantoffeln und kroch fröstelnd unter die Bettdecke. Elisabeth<br />

blinzelte ihn schlaftrunken an und warf einen Blick<br />

auf den Wecker. Viertel vor sechs. Zeit, sich noch einmal<br />

umzudrehen und ein bisschen zu dösen, bevor die Kinder<br />

aufwachten. Sie seufzte und kuschelte sich dann in<br />

Brunos Arme.<br />

„Alles erledigt?“, flüsterte sie schläfrig.<br />

„Ja“, gab Bruno leise zurück. „Zum Glück war es in der<br />

Nacht trocken. Ich bin ja mal gespannt, ob sie alle Eier<br />

finden.“<br />

Er hatte mit seiner Frau ausgemacht, dass sie in diesem<br />

Jahr die Eier im Garten verstecken würden. Letztes Jahr<br />

hatten sie zur Osterzeit noch zur Miete gewohnt, in einer<br />

dunklen Altbauwohnung ohne Balkon mitten in der Stadt.<br />

im Sommer waren sie dann endlich in ihre eigenen vier<br />

Wände gezogen, in ein hübsches kleines Haus am Stadtrand<br />

mit einem verwilderten Garten. Ein Paradies für ihre<br />

Kinder. Dieser Garten eignete sich großartig dazu, Ostereier<br />

zu verstecken: Überall gab es Sträucher und Büsche<br />

und geheimnisvolle Winkel, die es zu entdecken galt. Mit<br />

Grausen erinnerte sich Bruno an die „Ostereierbescherungen“<br />

in der alten Wohnung. Die Kinder hatten jedes<br />

Mal ein Chaos angerichtet. Sogar das Innenleben der Bettwäsche<br />

hatten sie nicht verschont. Ihre Phantasie, wo<br />

der Osterhase in diesem Jahr die Eier versteckt haben<br />

könnte, war anscheinend grenzenlos. Besonders ärgerlich<br />

war gewesen, dass die kleine Julia die von ihr gefundenen<br />

Schokoladeneier vor ihrem älteren Bruder in Sicherheit<br />

bringen wollte und sie an einer äußerst ungünstigen<br />

Stelle versteckte. Sie hatte sie unbemerkt hinter das Sofakissen<br />

in die Ritzen des neu bezogenen Ohrensessels<br />

gestopft, ein altes Erbstück von Onkel Theo.<br />

Am Nachmittag waren die Großeltern zum Kaffeetrinken<br />

gekommen und die Wärme von Oma Hedwigs ausladendem<br />

Hinterteil hatte zu einem baldigen Schmelzen der<br />

Eier geführt. Die Reinigung war teuer gewesen und es<br />

waren jede Menge Tränen geflossen, weil Lukas sich geweigert<br />

hatte, seiner kleinen Schwester einige seiner<br />

Schokoladeneier abzugeben.<br />

Bruno hatte sich langsam wieder erwärmt und hing noch<br />

seinen Gedanken nach, als er draußen auf dem Flur ein<br />

Kichern und leises Rufen hörte. Dann wurde mit einem<br />

Ruck die Schlafzimmertür geöffnet und er nahm im Dämmerlicht<br />

zwei kleine Gestalten wahr, die aufgeregt durcheinander<br />

plapperten. Er tastete nach dem Lichtschalter<br />

und setzte sich amüsiert im Bett auf.<br />

„Ist er schon da gewesen, Papi? Wir gehen mal gucken, ob<br />

er schon was versteckt hat, ja?“<br />

Julia kam auf das Bett zugeschossen und ließ sich dann<br />

nach vorne fallen, direkt in Brunos Arme. Lukas hatte sich<br />

unterdessen auf den Bettrand an Elisabeths Seite gesetzt.<br />

„Seid ihr überhaupt schon richtig angezogen?“, wollte<br />

Elisabeth wissen.<br />

Julia schaute an sich herunter, während Lukas ungeduldig<br />

nickte.<br />

„Na klar, ich hab ihr geholfen.“<br />

Lukas hatte keine Strümpfe an, Julia dafür zwei<br />

verschiedenfarbige. Ihr Sweat-Shirt war auf<br />

links gedreht und die noch ungekämmten Löckchen<br />

standen in alle Himmelsrichtungen.<br />

„Du ziehst noch Strümpfe an und wenn ihr beide<br />

eure Gummistiefel und Anoraks anhabt, lasst<br />

ihr euch noch einmal hier blicken, bevor ihr in<br />

den Garten geht. Also, husch!“<br />

Die beiden sausten aus dem Zimmer und aus dem<br />

Flur drang ein Gemisch aus Lachen, Poltern und Kreischen.<br />

„Das will ich mir nicht entgehen lassen“, schmunzelte<br />

Elisabeth, stand auf und zog die Vorhänge beiseite. Die<br />

Vögel zwitscherten und die Sonne ging gerade auf. Julia<br />

und Lukas präsentierten sich noch einmal, sie hielten jeweils<br />

einen kleinen Bastkorb in der Hand.<br />

„Na, dann mal los!“, gab Bruno das Startkommando und<br />

die Kinder stürmten johlend in den Garten. Bruno hatte<br />

sich neben Elisabeth gestellt und einen Arm um ihre<br />

Schulter gelegt.<br />

Belustigt betrachteten sie das Spektakel, das sich ihnen<br />

bot. Jedes gefundene Ei, jede kleine Süßigkeit löste Freudenschreie<br />

aus; die Kinder hopsten durch den Garten,<br />

als wären sie selbst kleine Osterhasen. Zwischendurch<br />

winkten sie aufgeregt den Eltern zu oder inspizierten eines<br />

das Körbchen des anderen, wer denn wohl schon<br />

mehr gefunden hatte.<br />

Als die Kinder nach einer ganzen Weile mit glühenden<br />

Wangen und reicher Beute wieder das Haus betraten,<br />

wurden als erstes die neuen Schätze vor den Eltern ausgebreitet.<br />

„In diesem Jahr war der Osterhase aber besonders großzügig,<br />

meint ihr nicht?“, fragte Bruno.<br />

„Ich hab’ ihn gesehen!“, schrie Julia statt einer Antwort<br />

und stopfte sich zwei kleine Schokoladenkugeln<br />

gleichzeitig in den Mund.<br />

„Aber nur von hinten. Er hatte einen<br />

Korb auf dem Rücken und ist hinter<br />

einem Busch verschwunden.“<br />

„Ist ja gar nicht wahr“, fiel Lukas<br />

ihr ins Wort. „Den Osterhasen gibt’s<br />

ja gar nicht. Und den Weihnachtsmann<br />

auch nicht“, fügte er triumphierend<br />

hinzu.<br />

„Hach, bist du dumm“,<br />

konterte Julia. „Ich hab<br />

den Osterhasen selbst gesehen.<br />

Guck doch mal,<br />

was er uns alles geschenkt<br />

hat. Es muss ihn<br />

ja geben.“<br />

Mit diesen Worten drehte sie sich um und<br />

lief ins Kinderzimmer, um ihrer Puppe Laura<br />

zu erzählen, was für einen dummen Bruder sie hatte.<br />

„So, so“, meinte Bruno unterdessen und zog eine Augenbraue<br />

hoch. „Du glaubst also nicht, dass es den Osterhasen<br />

und den Weihnachtsmann gibt?“<br />

„Ach, Papi“, grinste Lukas breit und ließ dabei seine riesige<br />

Zahnlücke sehen. „Das ist doch nur was für kleine<br />

Mädchen. Und wenn du willst, kann ich im nächsten Jahr<br />

mal die Ostereier verstecken. Dann kannst du länger<br />

schlafen!“<br />

Seite 16 KIRKELER NACHRICHTEN NR. 13/<strong>2013</strong>

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