Von Migrationsvernetzung zu widunetz - Kreise für Integration
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Kritische Bemerkungen gab es dabei <strong>zu</strong>m herrschenden Schulsystem: eine "Sortierung" der<br />
Kinder nach nur vier Jahren Primarstufe bedeutet gerade für Migrantenkinder häufig eine<br />
Ausgren<strong>zu</strong>ng, denn unabhängig von der Intelligenz brauchen viele von ihnen länger, um sich<br />
im Unterricht bzw. in einer anderen als der Muttersprache <strong>zu</strong>recht<strong>zu</strong>finden.<br />
Alle befragten Einrichtungen, die aktiv mit Kindern und Jugendlichen arbeiten (die Stadtbüchereien,<br />
die Jugendkunstschule Löhne, die Nordwestdeutsche Philharmonie) haben eines<br />
bestätigt: Entscheidende Unterschiede im Verhalten oder den Interessen der Kinder gibt es<br />
nicht, ob nun Migrantenkind oder "einheimisches" Kind. Bei Kindern, die als problematisch<br />
bekannt sind – ausländischen wie deutschen – hat z.B. die Jugendkunstschule Löhne die<br />
Erfahrung gemacht, dass über die Kunst leichter Zugang <strong>zu</strong> ihnen gefunden und Projekte<br />
erfolgreich durchgeführt werden konnten. Hier zahlt sich die sozialpädagogische und themenbezogene<br />
Kulturarbeit offensichtlich aus. In multinationalen Gruppen funktioniert die<br />
Verständigung auch über das Medium "Gestaltung". Kunst scheint also tatsächlich ein<br />
"Selbstläufer" <strong>zu</strong> sein und kaum Überset<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> brauchen. Im Arbeitskreis ist die Idee entstanden,<br />
ein Projekt <strong>zu</strong> installieren, das jedem Kind "ein Stück Kultur" ermöglicht, also beispielsweise<br />
einen Theaterbesuch oder die Teilnahme an einem Jugendkunstschulkurs (vergleichbar<br />
der Aktion "Jedem Kind ein Instrument").<br />
Migranteneltern wiederum scheinen sich dadurch aus<strong>zu</strong>zeichnen, dass sie einen immensen<br />
Ehrgeiz entwickeln, wenn es um Bildung und Fortkommen ihrer Kinder geht. Über die Kinder<br />
lassen sich so auch die Eltern erreichen (wie z.B. durch die Eltern-Kind-Nachmittage der<br />
Stadtbücherei Herford, die stark frequentiert werden). Aus den Bibliotheken wird berichtet,<br />
dass Migrantenkinder Bücher nicht nur für sich, sondern auch für ihre Eltern ausleihen.<br />
Exkurs: Einen interessanten, bislang unberücksichtigten Aspekt erfuhr der Arbeitskreis von<br />
einem türkischen Kollegen. Er wurde in Deutschland geboren und gehört sicherlich <strong>zu</strong> den<br />
Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, die eine Vorbildfunktion für Migrantinnen und<br />
Migranten haben. Er hat Deutsch und Englisch studiert und unterrichtet u.a. Deutsch als<br />
Fremdsprache. Auf die Frage, ob sein Zugang <strong>zu</strong> Kultureller Teilhabe durch Schule oder<br />
Kindergarten beeinflusst wurde, meinte er, weder Schule noch Kindergarten hätten einen<br />
beeindruckenden Einfluss auf sein Kulturverständnis gehabt. Er erläuterte, seine persönliche<br />
kulturelle Entwicklung (z. B. das Interesse, kulturelle Ereignisse <strong>zu</strong> besuchen, kennen lernen<br />
<strong>zu</strong> wollen und thematisch ein<strong>zu</strong>tauchen) sei im Jugendlichenalter durch sein soziales Umfeld<br />
eher <strong>zu</strong>fällig geprägt worden.<br />
Der oben beschriebene Exkurs passt <strong>zu</strong> der Meinung, dass ein spezielles, nur auf Migrantinnen<br />
und Migranten ausgerichtetes Kulturangebot nicht für sinnvoll erachtet wird, <strong>zu</strong>mal so<br />
etwas in aller Regel wenig erfolgreich ist. Vielmehr sollte das gemeinsame Handeln und Erleben<br />
gefördert werden. Grundvorausset<strong>zu</strong>ng ist Offenheit: jede Seite sollte sich aktiv für die<br />
Kultur "der Anderen" interessieren. Positiv hervorgehoben – wenn auch nicht als "Allheilmittel"<br />
– wurden Feste, die von Einheimischen und Migranten gemeinsam gestaltet werden (z.B.<br />
das Geschichtsfest des Kreisheimatvereins im Kreis Herford).<br />
So wie es unbestritten Migrantenvereine gibt, die auf eine Öffnung <strong>zu</strong>r Mehrheitsgesellschaft<br />
keinen Wert legen, existieren andererseits viele Gemeinden und Vereine, die z.B. Tage der<br />
offenen Tür veranstalten und dabei sehr an deutschen Besuchern interessiert sind. Es wäre<br />
wünschenswert, wenn die Migrantenorganisationen Ansprechpartner <strong>zu</strong>r Verfügung stellen.<br />
Die im Arbeitskreis engagierte Aleviten-Gemeinde Bünde und Umgebung e.V. hat in diesem<br />
Zusammenhang auf Fördermöglichkeiten hingewiesen (EQUAL-Programm für die Förderung<br />
von Bildungsbeauftragten in den Migrantenselbstorganisationen, Multiplikatorenschulung der<br />
Bertelsmann-Stiftung). Im Arbeitskreis zeichnete sich bereits eine mögliche Kooperation zwischen<br />
der Aleviten-Gemeinde und der Stadtbücherei Bünde ab (<strong>zu</strong> einem Leseprojekt für<br />
türkische und deutsche Kinder).<br />
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