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Loccumer Pelikan 3_2004 - Religionspädagogisches Institut Loccum

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grundsätzlich<br />

Christhard Lück<br />

Konfirmandenunterricht – quo vadis?<br />

Eine Auseinandersetzung mit dem Modell einer handlungsorientierten Konfirmandenarbeit *<br />

Konfirmandenunterricht vor einem notwendigen<br />

Wandel<br />

Der Konfirmandenunterricht 1 befindet sich gegenwärtig in<br />

einer Umbruchsituation. Vielen erscheint er in der Gestalt, in<br />

der er zur Zeit meist erteilt wird, eher ein Auslauf- als ein<br />

Zukunftsmodell zu sein. 2 Dabei ist seine vielfach konstatierte<br />

Krise zunächst gar nicht leicht zu erkennen, denn nach wie<br />

vor nehmen – regional und lokal aber unterschiedlich – bis zu<br />

100% der evangelisch getauften Jugendlichen an ihm teil. Nach<br />

den drei Kirchenmitgliedschafts-Untersuchungen der EKD von<br />

1972, 1982 und 1992 ist das Ansehen der Konfirmandenarbeit<br />

unter Protestanten im 10- bzw. 20-Jahres-Vergleich sogar<br />

gestiegen. 3 Zu diesem Akzeptanzzugewinn tragen vor allem<br />

die gute Erinnerung an die Pfarrer/innen und gruppendynamische<br />

Faktoren bei. Freilich dürfen diese Verbesserungen auf<br />

der Beziehungsebene und im lernatmosphärischen Bereich<br />

„nicht dazu verleiten, die positive Schlussfolgerung einer rundum<br />

gelingenden Kommunikation des christlichen Glaubens<br />

im Konfirmandenunterricht zu ziehen“ 4 . So gaben 1992<br />

lediglich (oder immer noch?) 38% der 18-29-Jährigen an, der<br />

Konfirmandenunterricht habe sie dem christlichen Glauben<br />

näher gebracht. Und in der aktuellen Befragung von 2002 erklärten<br />

sogar nur 36% der Interviewten, dass sie ‚im Konfirmandenunterricht<br />

gelernt haben, was es heißt, Christ zu sein‘. 5<br />

In der Enquete von 1992 waren dies immerhin noch 60% –<br />

ein exorbitanter Rückgang von fast 25% innerhalb von 10 Jahren!<br />

Dieser Befund korrespondiert mit der Einschätzung zahlreicher<br />

Pfarrer/innen, die neueren Umfragen zufolge immer<br />

öfter den Eindruck haben, dass die gegenwärtige Gestalt des<br />

kirchlichen Unterrichts den zu stellenden Anforderungen nicht<br />

(mehr) genügt. Viele von ihnen leiden dann auch darunter,<br />

dass sie das, was sie den Jugendlichen vom christlichen Glauben<br />

vermitteln wollen, ‚nicht mehr rüberbringen‘. 6<br />

Nimmt man die in methodischer Hinsicht allerdings nicht unumstrittene<br />

Auswertung der westfälischen KU-Umfrage von<br />

1993 zum Maßstab, haben sich in der Unterrichtspraxis zwei<br />

dominierende Profile etabliert: der traditionell-katechetische<br />

und der progressiv-lebensweltorientierte Ansatz. 7 Kommt es<br />

den Sympathisanten des ersten Typus darauf an, den Jugendlichen<br />

das Wesentliche christlich-kirchlichen Glaubens zu vermitteln<br />

und diese zugleich in die Gemeinde einzuführen, wollen<br />

Anhänger des zweiten Typus Heranwachsende in einer für<br />

sie schwierigen Lebensphase in ihrer Entwicklung begleiten<br />

und mit ihnen ihre eigenen Fragen sowie aktuelle Gesellschaftsprobleme<br />

erörtern. Beide Paradigmen kommen gegenwärtig<br />

an ihre Grenzen. Vertreter des katechetischen Ansatzes<br />

registrieren zunehmend, dass ihre Vermittlungsbemühungen<br />

am Ende der Konfirmandenzeit nur wenige Früchte tragen.<br />

Offenkundig ist der in der Theorie zum Teil bis heute favorisierte<br />

„primär reflexive Zugang zu religiösen Themen auf<br />

Grund fehlender explizit religiöser Erfahrungen“ 8 bei den<br />

meisten Konfirmanden nicht mehr aufrechtzuerhalten. Aber<br />

auch Befürworter der lebensweltorientierten Konzeption erkennen<br />

immer häufiger, dass der selbstgestellte Anspruch, Kindern<br />

in eineinhalb Jahren Konfirmandenunterricht Identitätshilfe<br />

aus dem Evangelium zu leisten, eine unangemessene<br />

Überforderung darstellt. 9 Zudem ist zu fragen: Sind die hier<br />

behandelten Themen wirklich Fragestellungen der Konfirmanden<br />

oder handelt es sich nicht häufig eher um Projektionen<br />

von Erwachsenen? Pädagogische Anfragen ergeben sich aus<br />

dem Phänomen der sog. Streckung der Jugendzeit, die heute<br />

z.T. bereits im ersten Lebensjahrzehnt beginnt und zuweilen<br />

bis ins dritte Lebensjahrzehnt reicht. Die den lebensweltorientierten<br />

Ansatz grundierende These einer besonders konfliktbeladenen<br />

Entwicklungsphase (Status-Passage) im Alter<br />

von 12 bis 14 Jahren ist vor diesem Hintergrund zumindest<br />

fragwürdig.<br />

Der katechetische und der lebensweltorientierte Ansatz weisen<br />

in ihrer gegenwärtigen unterrichtspraktischen Realisierung<br />

nicht zuletzt erhebliche methodische und strukturelle Mängel<br />

auf. Denn nach wie vor wird Konfirmandenunterricht – trotz<br />

vielfältiger Innovationsimpulse in der KU-Literatur seit ca.<br />

1980 10 – vielerorts durch Methodenarmut und den häufigen<br />

Einsatz verbal-kognitiver Lehrformen charakterisiert. Kreativ-gestalterische,<br />

beteiligungsorientierte Methoden kommen<br />

hingegen, obwohl mit ihnen zumeist gute Erfahrungen gemacht<br />

werden, deutlich seltener zur Anwendung. 11 Ein Grund hierfür<br />

ist der Tatbestand, dass zumindest in Westfalen 12 die wöchentliche<br />

Konfirmandenstunde immer noch den weit überwiegen-<br />

* Stark gekürzte Fassung eines Habilitationsvortrags an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Juli 2003.<br />

Christian Grethlein zum 50. Geburtstag<br />

120 <strong><strong>Loccum</strong>er</strong> <strong>Pelikan</strong> 3/04

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