Loccumer Pelikan 3_2004 - Religionspädagogisches Institut Loccum
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nach-gedacht<br />
berechtigte Erinnerung und die daraus<br />
erwachsende Verantwortung für alle<br />
Generationen so lax zu übergehen, ja<br />
zu diskreditieren.<br />
Denn diese Erinnerung an den Tod<br />
kann uns auch in Zukunft mehr nützen,<br />
weil damit die Erinnerung an die<br />
Abgründigkeit menschlicher und politischer<br />
Möglichkeiten wach gehalten<br />
wird. Und dies ist eine höchst lebendige<br />
Forderung, die nicht privatisierbar<br />
ist. 4<br />
Die Trauer um die Opfer politischer,<br />
rassischer, religiöser oder anders<br />
bestimmter Verfolgung ist unter<br />
ethischen Gesichtspunkten gesehen<br />
vergleichsweise einfach. Gute und<br />
Böse, Opfer und Täter, Aktion und<br />
Reaktion lassen sich eindeutig identifizieren<br />
und die politischen Schlüsse<br />
sind unproblematisch. Ob die Formen<br />
dieser Trauer immer angemessen<br />
und wirksam oder zeitabhängig und<br />
kulturabhängig sind, ist durchaus strittig.<br />
Noch schwieriger ist es zu beurteilen,<br />
ob sie die Menschen in ihrem<br />
Innern erreicht.<br />
Diskussionen um das Holocaust-Gedenken<br />
(Museum, Gedenkstätten, Originalplätze<br />
oder neu errichtete Areale<br />
usw.), die Restaurierung von<br />
Originalschauplätzen, die Formulierung<br />
von Lehrplänen, die Reisen zu<br />
Stätten der Verfolgung, die Gestaltung<br />
von Gedenkfeiern usw. zeigen die<br />
ganze Bandbreite des Problems. Sie<br />
sind Bestandteil unserer öffentlichen<br />
Kultur und ändern sich jedes Jahr.<br />
Und das ist ein Gewinn.<br />
Ein ganz alter Typus unter neuem Gewand<br />
und mit neuen Methoden ist<br />
durch den Terrorismus wieder wirksam<br />
geworden. In der Kombination<br />
mit religiöser Begründung und Märtyrertum<br />
überschreitet er die stillschweigende<br />
Voraussetzung zivilisatorischer<br />
Übereinkunft und stellt<br />
sogar die Frage von Krieg und Friede<br />
neu und beginnt, die Freiheit und<br />
Grenzenlosigkeit zu beschädigen.<br />
Viel komplizierter liegt es bei den gefallenen<br />
Soldaten. Es ist bekannt, dass<br />
nach internationalem Recht und durch<br />
zwischenstaatliche Verträge abgesichert<br />
die Staaten sich darum bemühen,<br />
Gräber gefallener Soldaten aufzufinden,<br />
Gräber und Grabanlagen zu<br />
pflegen, Tote zu identifizieren, Angehörige<br />
zu benachrichtigen, Nachlässe<br />
zu bergen und die Toten nach Möglichkeit<br />
auf Sammelfriedhöfen zusammenzubetten.<br />
Diese Gräber stehen<br />
unter dem „Schutz fortdauernden Ruherechts“,<br />
wie es amtlich heißt. Diese<br />
Bestimmungen sind Bestandteil der<br />
Genfer Konvention. Hier geschieht<br />
Luftaufnahme Auschwitz-Birkenau<br />
das genaue Gegenteil von anonymer<br />
Beerdigung.<br />
Das beantwortet auch die so oft gestellte<br />
Frage nach dem Sinn dieser<br />
ewigen Gräber, wo doch private Gräber<br />
schon nach 25 oder 30 Jahren aufgelassen<br />
werden.<br />
Der tiefere Sinn liegt natürlich darin,<br />
dass Soldaten nicht nur einen privaten,<br />
sondern durch die Verpflichtung<br />
zum Kriegsdienst einen öffentlichen<br />
Tod gestorben sind, und das in der Regel<br />
unter Bedingungen, die einem als<br />
Privatmann nicht widerfahren.<br />
Deutsche und westalliierte Soldaten<br />
Foto: Royal Air Force<br />
hatten eine nicht rostende Erkennungsmarke<br />
um den Hals, wodurch es<br />
in der überwiegenden Mehrzahl auch<br />
einzeln aufgefundener Überreste<br />
möglich war und ist, eine Identifizierung<br />
vorzunehmen. Sowjetische Soldaten<br />
hatten ein Glasfläschchen mit<br />
<strong><strong>Loccum</strong>er</strong> <strong>Pelikan</strong> 3/04 163