Loccumer Pelikan 3_2004 - Religionspädagogisches Institut Loccum
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grundsätzlich<br />
lernt zu haben, was es heißt, Christ zu sein, sind für eine<br />
zukünftige Konfirmandenarbeit meines Erachtens zudem<br />
mindestens vier weitere Konklusionen zu ziehen:<br />
In einem säkular-pluralistischen Gesellschaftskontext und<br />
angesichts zunehmender Sprach- und Orientierungslosigkeit<br />
unter Heranwachsenden hat Konfirmandenunterricht als<br />
„Sprachschule christlicher Religion“ 31 zu fungieren, die das<br />
Hoffnungspotenzial der biblisch-christlichen Glaubensüberlieferung<br />
den Jugendlichen nicht vorenthält. Dies bedeutet<br />
keineswegs, auf eine Thematisierung ihrer individualisierten<br />
Foto: Claudius Netzel<br />
Religiosität zu verzichten. 32 Ihr Selbstbild und ihre Sinnorientierungen,<br />
ihre Fragen und ihre Lebenserfahrungen sind in<br />
der Konfirmandenarbeit nicht abzuwerten, sondern als ‚vollwertige‘<br />
Lebens- und Glaubenskonzepte aufzunehmen und<br />
didaktisch fruchtbar zu machen. Die ‚Religion der Konfirmanden‘<br />
stellt dabei aber nur einen Baustein neben anderen konstitutiven<br />
Inhaltselementen der Konfirmandenarbeit dar.<br />
Konfirmandenunterricht hat verstärkt mit den praktischen<br />
Vollzügen christlichen Glaubens bekannt zu machen, da diese<br />
für das Verstehen dieser Religion geradezu fundamental sind. 33<br />
Liturgische Bildung und Erziehung stellen von daher eine neu<br />
zu bedenkende Dimension des gesamten Lerngeschehens in<br />
der Konfirmandenzeit dar. Hieraus ergibt sich die Aufgabe der<br />
Erarbeitung einer Didaktik religiöser Praxis, die über diese<br />
Vollzüge ein handlungsorientiertes Verstehen von christlicher<br />
Religion ermöglicht und zugleich anschlussfähig ist für unter<br />
heutigen Jugendlichen weit verbreitete allgemein- bzw. privat-religiöse<br />
Ausdrucksformen. Konfirmandenunterricht der<br />
Zukunft sollte daher behutsam in vermehrter Weise auch Phasen<br />
der Stille, der Meditation, des Gebets und Seg(n)ens integrieren<br />
sowie Möglichkeiten zum liturgischen (Probe-)Handeln<br />
offerieren, z.B. durch die Erarbeitung und Gestaltung von<br />
jugendspezifischen Gottesdiensten und Andachten. 34 Liturgische<br />
Praxisformen könnten ferner durch erlebnisorientierte Aktionen<br />
und Projekte im Bereich diakonischer Praxis ergänzt<br />
werden, in denen die Jugendlichen eigenverantwortlich kreativ-gestalterisch<br />
tätig werden.<br />
Daneben bietet sich eine konfirmandenaktive Thematisierung<br />
von Taufe und Abendmahl als dichteste, sinnlich wahrnehmbare<br />
Formen christlichen Glaubens sowie weiterer, (nicht nur)<br />
in der Wahrnehmung von Kirchenmitgliedern wichtiger Amtshandlungen,<br />
wie z.B. der Bestattung 35 , besonders an. Eine Unterrichtseinheit<br />
zum Thema „Tod - und was dann?“ bedürfte<br />
daher nicht – wie bei Keßler/Nolte – einer zeitlich aufwendigen<br />
Modellierung spielerisch-fiktiver Lernwelten, sondern<br />
würde den Konfirmanden in realiter etwa durch die Teilnahme<br />
an einem Beerdigungsgottesdienst, der methodisch behutsam<br />
vorbereitet werden müsste, Hoffnungsbilder und -symbole<br />
biblisch-christlichen Glaubens ganzheitlich erschließen.<br />
Durch den Besuch einer freien, säkularen Bestattung und einen<br />
Vergleich derselben mit der christlichen Feier könnten<br />
zudem wichtige Differenzen zwischen beiden Bräuchen herausgearbeitet<br />
und das christliche Proprium der Auferstehungshoffnung<br />
in einer weltanschaulich pluralisierten Gesellschaft<br />
sinnfällig vor Augen geführt werden. Ein die charakteristischen<br />
Chancen des Lernorts Gemeinde berücksichtigender<br />
Konfirmandenunterricht könnte als methodische Bausteine außerdem<br />
umfassen: Besuche bzw. Gespräche im Altersheim,<br />
der Besuch des kirchlichen Friedhofs oder des lokalen Bestatters<br />
resp. eines Bestattungsinstituts („Sterben, Tod und Gott<br />
kommen hautnah zusammen, indem die 13-14-Jährigen die<br />
Särge anfassen“ 36 ), die Gestaltung von Hoffnungskerzen, welche<br />
die Jugendlichen in Andachten, Gottesdiensten oder Friedensgebeten<br />
entzünden.<br />
Das Lernen von, über und mit Personen (mit verschiedenen<br />
Beteiligungsmodi und in unterschiedlicher Nähe und Distanz<br />
zur Gemeinde) stellt schließlich einen weiteren wichtigen<br />
Baustein zukünftiger Konfirmandenarbeit dar. Vor allem an<br />
jugendliche Mitarbeiter/innen in der Konfirmandenarbeit als<br />
anschauliche, befragbare und überprüfbare Identifikationsfiguren<br />
bzw. Bezugspersonen ist hier zu denken. An ihnen<br />
können sich die Konfirmand(inn)en gerade auch in nicht<br />
unterrichtlich inszenierten Kommunikationsstrukturen orientieren.<br />
Das ‚Lernen am Modell‘ ist die älteste Gestalt des<br />
Lernens überhaupt. 37<br />
Die genannten Aspekte verlangen insgesamt nach einer Dynamisierung<br />
und Flexibilisierung der herkömmlichen Organisationsgestalt<br />
des Konfirmandenunterrichts. Zeitlich freiere<br />
Formen, vor allem Frei-Zeiten, aber auch Konfirmandentage,<br />
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