07.04.2014 Aufrufe

Loccumer Pelikan 3_2004 - Religionspädagogisches Institut Loccum

Loccumer Pelikan 3_2004 - Religionspädagogisches Institut Loccum

Loccumer Pelikan 3_2004 - Religionspädagogisches Institut Loccum

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

grundsätzlich<br />

stellen. Es versucht und forscht, probiert und gestaltet und mit<br />

jedem Lernerfolg werden körpereigene „Glücksdrogen“ ausgeschüttet,<br />

so dass man fast von einer „Lernsucht“ sprechen<br />

kann – so Anna-Katharina Braun, Zoologin und Entwicklungsneurobiologin.<br />

Sie sagt: „Frühe Sinneseindrücke, Erfahrungen<br />

und Lernprozesse werden hirnbiologisch betrachtet dazu<br />

benutzt, die Entwicklung und Ausreifung der noch unreifen<br />

funktionellen Schaltkreise im Gehirn zu optimieren ... Während<br />

dieser kritischen oder ,sensiblen‘ Zeitfenster werden<br />

die Denkkonzepte, die ,Grammatik‘<br />

für späteres Lernen, und auch für die<br />

mit jedem Lernprozess untrennbar<br />

verknüpfte emotionale Erlebniswelt<br />

gelegt.“ 4 Entscheidend ist, dass diese<br />

Entwicklungszeitfenster zeitlich<br />

begrenzt sind und in den ersten drei<br />

bis fünf Lebensjahren liegen.<br />

Konsequenzen für das Verständnis<br />

von Erziehung und<br />

Bildung<br />

Aufgescheucht durch eine ganze Flut<br />

von neurobiologischen Forschungsergebnissen,<br />

die alle die Bedeutung der<br />

frühkindlichen Entwicklung für die<br />

Bildung des Menschen betonen, ist<br />

man auf Länderebene dazu übergegangen,<br />

Bildungspläne, Bildungsempfehlungen<br />

oder Orientierungspläne<br />

zu erarbeiten, die vor allem auf die<br />

Bildung von sozialen, emotionalen<br />

und metakognitiven Kompetenzen abstellen. So zum Beispiel<br />

auch der im Mai <strong>2004</strong> vorgestellte Orientierungsplan für Bildung<br />

und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer<br />

Tageseinrichtungen für Kinder, der die Bildungsziele in folgende<br />

acht Lernbereiche auffächert und u.a. auch religiöse Fragen<br />

mit einbezieht:<br />

– Emotionale und soziale Kompetenzen<br />

– Kognitive Fähigkeiten<br />

– Sprache und Sprechen<br />

– Mathematisches und naturwissenschaftliches Grundverständnis<br />

– Bewegung und Gesundheit<br />

– Ästhetische Bildung<br />

– Natur und Lebenswelt<br />

– Ethische und religiöse Fragen; Grunderfahrungen menschlicher<br />

Existenz.<br />

Hier sind Ergebnisse aus der Bildungsforschung eingeflossen,<br />

die gegen den Ruf nach möglichst früher, auf die Schule vorbereitender,<br />

meist kognitiver Ausbildung von bestimmten Fähigkeiten<br />

die Selbstbildung des Kindes in den Vordergrund stellen.<br />

Wie aber ist das Verhältnis von Selbstbildung und Planvorgaben,<br />

das Verhältnis von Bildung und Erziehung zu bestimmen?<br />

„Wenn Bildung die zentrale Aktivität bezeichnet, über die Kinder<br />

sich die Welt aneignen – eine innere Welt konstruieren ...<br />

dann kann ein Kind nicht gebildet werden, es kann sich nur<br />

selbst bilden.“ 5 Für die Erziehung bedeutet das, dass sie keinen<br />

direkten Einfluss darauf hat, welche Art von Welt die Kinder<br />

konstruieren. Erziehung ist nicht Abarbeiten von Planvorgaben,<br />

sondern muss sich darauf beschränken, alle Kräfte des<br />

Kindes anzuregen in seiner Bildung, sprich Aneignung von<br />

Welt. Für Hans-Joachim Laewen ist Bildung die Selbst-Tätigkeit<br />

des Kindes zur Aneignung von Welt, und Erziehung ist<br />

die Tätigkeit des Erwachsenen mit dem Ziel, alle Kräfte des<br />

Kindes dafür anzuregen.<br />

Wenn Erziehung also nur die Bildungsprozesse der Kinder<br />

ermöglichen, unterstützen, herausfordern kann, sie aber nicht<br />

Foto: Michael Künne<br />

bewirken kann, hat das Konsequenzen für die Form der Erziehung:<br />

– Erziehung gestaltet die Umwelt des Kindes:<br />

Die Erziehenden entscheiden, welche Erfahrungen das Kind<br />

u.a. in der frühen Entwicklungsphase mit Dingen und Sachen,<br />

mit Natur und Architektur, mit Kunst- und Gebrauchsgegenständen<br />

machen kann. Sie entscheiden, welchen Ausschnitt<br />

von Welt Kinder sich aneignen.<br />

– Erziehung gestaltet die Interaktion von Erwachsenem und<br />

Kind:<br />

Die Erziehenden entscheiden, welche Themen den Kindern<br />

auf welche Weise für ihre Konstruktionen vorgelegt werden,<br />

welche Themen Kindern „zugemutet“ werden oder<br />

welche Themen der Kinder auf welche Weise von den Erziehenden<br />

beantwortet werden. Die Form dieser erzieherischen<br />

Interaktion ist dabei der Dialog.<br />

Wenn wir gleich über die religiöse Erziehung nachdenken, gelten<br />

ebenfalls diese Kriterien.<br />

„Für eine gute Erziehung braucht es ein ganzes<br />

Dorf“ – Jesus und die Neurobiologie<br />

In Lk 8, 4-8 wird folgendes Gleichnis überliefert:<br />

„Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen. Und indem<br />

er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die<br />

Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf. Und einiges fiel auf<br />

den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit<br />

hatte. Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die<br />

<strong><strong>Loccum</strong>er</strong> <strong>Pelikan</strong> 3/04 117

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!