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alla breve - Wintersemester 2012-2013

Magazin der Hochschule für Musik Saar

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wählt der Komponist einen aufwendigen Mo du lations<br />

weg, um von es-Moll (über de – enhar monisch<br />

verwechselten – alterierten Dominantseptakkord)<br />

in die terzverwandte Tonart fis-Moll zu<br />

modulieren:<br />

6<br />

(Franck: Chorale Nr. 2; T. 202 —209)<br />

Debussy hätte in diesem Fall möglicherweise bemängelt,<br />

dass sich die modulationslose Lösung im<br />

Sinne einer distanzharmonischen Akkord rückung<br />

klanglich reizvoller niedergeschlagen hätte. Beide<br />

Beispiele verdeutlichen hingegen die divergenten<br />

Ideen beider Komponisten über Harmonik und<br />

harmonische Bezüge.<br />

Zurück zum Beginn des Artikels: Die Tendenz<br />

zur Akkord-Evolution, die über die Präferenz für<br />

die Chromatik die deutschsprachige Musik später<br />

in die Krise geführt hat, wird auch von César Franck<br />

weiter geführt – obwohl er den Weg nicht in die<br />

gleiche Richtung zu gehen bereit war wie etwa Max<br />

Reger oder Richard Strauss. Ob allerdings seine<br />

partielle deutsche Herkunft hierfür eine Ursache<br />

sein kann, bleibt zu bezweifeln, da<br />

Francks Sozialisierung im Wesentlichen im<br />

franko philen Umfeld geschehen war. Claude<br />

Debussy hat seinen eigenen Ausweg aus der Krise<br />

der tonalen Musik gefunden, auch durch die Be ­<br />

nut zung der Ganztonleitern oder die skizzierte<br />

Vorbereitung der modes à transpositions limitées von<br />

Olivier Messiaen. Dies als »typisch französisch«<br />

zu apostrophieren wäre ein zu glatter Weg aus dem<br />

Diskurs.<br />

Weshalb sich der junge Debussy der Modulationsaufforderung<br />

seines Lehrers widersetzte, ist<br />

allerdings nun klar geworden und wird durch die<br />

poetische Transfiguration aus der Feder Romain<br />

Rollands veredelt, der sich in der Frage nach einer<br />

typisch französischen Musikrichtung (in diesem<br />

Fall am Beispiel Wagners und Debussys) ganz<br />

klar mit den folgenden Worten auf die Seite des<br />

Landsmannes schlägt: »Was die harmonische Sprache<br />

Debussys anlangt, so besteht seine Originalität<br />

nicht in der Erfindung neuer Akkorde, sondern in<br />

dem neuen Gebrauch, der von ihnen gemacht wird.<br />

[…] Bei Debussy ist […] die Harmonik nicht wie<br />

bei Wagner und der ganzen deutschen Schule eine<br />

Harmonie der Verkettung, die streng dem logischen<br />

Despotismus unterworfen ist. […] Aus dem Blu menbeet<br />

der Akkorde pflückt sie die schönsten; denn<br />

die Wahrhaftigkeit des Ausdrucks ist erst das<br />

zweite Gesetz, das ihre Wahl leitet. Das erste Gesetz<br />

ist: zu gefallen.« 10<br />

Claude Debussy:<br />

Monsieur Croche, a. a. O.,<br />

S. 151—152<br />

7<br />

Claude Debussy:<br />

Brief an Ernest Hébert vom<br />

17. 3. 1887. In: Correspondance<br />

1872—1918.<br />

Paris: 2005, S. 61—62<br />

(übers. vom Autor)<br />

8<br />

Michael<br />

Stegemann:<br />

Streitereien um Kaiser<br />

und Bärte. César Franck<br />

und Camille Saint-Saëns.<br />

In: Peter Jost (Hrsg.):<br />

César Franck – Werk und<br />

Rezeption. Stuttgart: 2004<br />

9<br />

Claude Debussy:<br />

Monsieur Croche, a. a. O.,<br />

S. 278<br />

10<br />

Romain Rolland:<br />

Gesammelte Aufsätze I.<br />

Leipzig: 1951, S. 347—348<br />

Report<br />

<strong>alla</strong> <strong>breve</strong> <strong>Wintersemester</strong> <strong>2012</strong> / 13<br />

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