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Gender an der Mittelschule - PHBern

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<strong>Gen<strong>der</strong></strong>-M<strong>an</strong>ifest<br />

Plädoyer für eine kritisch reflektierende Praxis<br />

in <strong>der</strong> gen<strong>der</strong>orientierten Bildung und Beratung<br />

¬ Regina Frey, Jutta Hartm<strong>an</strong>n, Andreas Heilm<strong>an</strong>n, omas Kugler, Steph<strong>an</strong>ie Nordt und S<strong>an</strong>dra Smykalla<br />

Seit 10 Jahren gibt es das <strong>Gen<strong>der</strong></strong>büro in Berlin – ein Beratungsunternehmen,<br />

welches bundesweit und international in Sachen<br />

Gleichstellung und Ch<strong>an</strong>cengleichheit tätig ist. Das Team unter<br />

Dr. Regina Frey unterstützt öffentliche und private Einrichtungen<br />

bei <strong>der</strong> Umsetzung von Strategien zur Ch<strong>an</strong>cengleichheit. 2006<br />

entwarfen sie das ‹<strong>Gen<strong>der</strong></strong>-M<strong>an</strong>ifest›. Wir stellen einige Auszüge<br />

daraus vor – zur Inspiration und zum Weiterdenken.<br />

Mit diesem M<strong>an</strong>ifest verfolgen wir ein zweifaches Ziel: Einerseits<br />

geht es uns um die Auebung vergeschlechtlichter Normen<br />

und Zuweisungen in <strong>der</strong> gen<strong>der</strong>orientierten Bildungs- und<br />

Beratungsarbeit. Zum <strong>an</strong><strong>der</strong>en möchten wir zu einer Rückbesinnung<br />

auf den inhaltlichen Kern und kritischen Gehalt des<br />

<strong>Gen<strong>der</strong></strong>begriffs beitragen.<br />

Wir beobachten, dass im Bereich von <strong>Gen<strong>der</strong></strong>-Training und<br />

<strong>Gen<strong>der</strong></strong>-Beratung <strong>Gen<strong>der</strong></strong>konzepte dominieren, die die <strong>der</strong>zeitige<br />

Ordnung <strong>der</strong> Geschlechter eher reproduzieren als verän<strong>der</strong>n.<br />

Wir plädieren demgegenüber für eine kritisch reflektierende<br />

Arbeit in diesem Feld, die dualisierende Konzepte von<br />

Geschlecht hinterfragt, statt sie zu verstärken, die Stereotype<br />

<strong>an</strong>alysiert und als solche sichtbar macht, statt sie zu reproduzieren<br />

und die, <strong>an</strong>statt <strong>Gen<strong>der</strong></strong> isoliert zu denken, Geschlechterverhältnisse<br />

immer im Zusammenh<strong>an</strong>g mit <strong>an</strong><strong>der</strong>en gesellschalichen<br />

Machtverhältnissen begrei. Wir halten eine selbstreflexive,<br />

theoretisch fundierte und identitätskritische Praxis in <strong>der</strong><br />

gen<strong>der</strong>orientierten Bildung und Beratung für geboten. […] Ein<br />

ver<strong>an</strong>twortungsvoller Umg<strong>an</strong>g mit <strong>der</strong> Kategorie <strong>Gen<strong>der</strong></strong> ist<br />

sich <strong>der</strong> ‹<strong>Gen<strong>der</strong></strong>-Paradoxie› bewusst, nimmt also die Gleichzeitigkeit<br />

<strong>der</strong> Herstellung und Überwindung von Geschlecht zum<br />

produktiven Ausg<strong>an</strong>gspunkt des H<strong>an</strong>delns.<br />

Es geht daher um die Frage, wie <strong>Gen<strong>der</strong></strong> in einer Weise gebraucht<br />

werden k<strong>an</strong>n, die zur Überwindung einer ungerechten<br />

Gesellschas- und Geschlechterordnung beiträgt. Mit Judith<br />

Lorber plädieren wir daher eindringlich für eine Praxis des<br />

‹Using <strong>Gen<strong>der</strong></strong> to undo <strong>Gen<strong>der</strong></strong>›. Wie <strong>der</strong> nähere Blick auf die<br />

Bedeutungsebenen des englischen Verbs to undo enthüllt, geht<br />

es beim undoing um Prozesse des Lösens von Gebundenem und<br />

<strong>der</strong> Öffnung von Verschlossenem einerseits sowie um den Aspekt<br />

<strong>der</strong> Auebung bestehen<strong>der</strong> Wirkungen <strong>an</strong><strong>der</strong>erseits. Undoing<br />

<strong>Gen<strong>der</strong></strong> in diesem Sinne löst die Knoten, Bindungen und<br />

Verstrickungen <strong>der</strong> bipolaren hierarchischen Geschlechterordnung,<br />

öffnet die straffe Schnürung des oben skizzierten <strong>Gen<strong>der</strong></strong>korsetts<br />

und hebt l<strong>an</strong>gfristig die noch fortbestehenden Wirkungen<br />

<strong>der</strong> Geschlechterhierarchisierungen auf – dies alles zugunsten<br />

einer individuell gestaltbaren gleichwertigen und gleichberechtigten<br />

Geschlechtervielfalt und einer partnerschalichen<br />

und solidarischen Neuaush<strong>an</strong>dlung <strong>der</strong> Geschlechterverhältnisse.<br />

[…]<br />

St<strong>an</strong>dards für eine reflektierende <strong>Gen<strong>der</strong></strong>-Praxis<br />

Aus diesen theoretischen und methodischen Prämissen leiten<br />

wir abschliessend folgende fachlichen St<strong>an</strong>dards ab:<br />

1. Eine reflektierende <strong>Gen<strong>der</strong></strong>-Praxis wendet sich gegen die<br />

Reproduktion <strong>der</strong> Zweigeschlechtlichkeit und bietet stattdessen<br />

eine Analyse ihrer Ursachen, Funktionsweisen und Auswirkungen,<br />

um Lösungen für ihre l<strong>an</strong>gfristige Überwindung zu suchen.<br />

2. Eine reflektierende <strong>Gen<strong>der</strong></strong>-Praxis wendet sich sowohl<br />

gegen die B<strong>an</strong>alisierung als auch gegen die Dramatisierung von<br />

<strong>Gen<strong>der</strong></strong>. Sie för<strong>der</strong>t stattdessen die genauere Wahrnehmung individueller<br />

Interessen und Fähigkeiten jenseits geschlechtsgebundener<br />

Zuweisungen, ohne dabei die gesellschalich wirkende<br />

hierarchische Geschlechterordnung aus dem Blick zu<br />

verlieren.<br />

3. Eine reflektierende <strong>Gen<strong>der</strong></strong>-Praxis vermittelt <strong>Gen<strong>der</strong></strong> als<br />

offenes Konzept und scha ged<strong>an</strong>kliche Freiräume für die Öffnung<br />

überkommener Geschlechterbegrenzungen.<br />

Wo Geschlechterdualität war,<br />

soll Geschlechtervielfalt werden.<br />

Das <strong>Gen<strong>der</strong></strong>-M<strong>an</strong>ifest entst<strong>an</strong>d in Kooperation zwischen dem <strong>Gen<strong>der</strong></strong>büro Berlin<br />

(www.gen<strong>der</strong>.de) und dem <strong>Gen<strong>der</strong></strong> Forum Berlin (www.gen<strong>der</strong>forum-berlin.de).<br />

Abb.<br />

Sabina Baum<strong>an</strong>n<br />

Marvin (aus <strong>der</strong> Steineserie), 2008<br />

Bleistift auf Papier<br />

143.5 × 152.5 cm<br />

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