GL 1/2008 - der Lorber-Gesellschaft eV
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<strong>GL</strong> 1/<strong>2008</strong> Erleuchtung im Durchbruch des Nichts<br />
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die ich als die platonische Partei des Mittelalters bezeichnet habe… Seine<br />
Sprache ist wie ein Bergquell, <strong>der</strong> aus harten Felsen hervorbricht,<br />
wun<strong>der</strong>bar geschwängert von unbekanntem Kräuterduft und<br />
geheimnisvollen Steinkräften.“<br />
Die geistesgeschichtliche Traditionslinie, auf die Tauler sich bezieht,<br />
beginnt mit dem spätantiken Philosophen Proklos (411 – 485 n. Chr.), also<br />
etwa um die Zeit, als Bodhidarma, <strong>der</strong> vor allem in China lebte und 528<br />
gestorben ist, den Zen-Buddhismus begründete.<br />
Tauler zitiert Proklos als „heidnischen Lehrmeister“ mit den Worten<br />
„willst du aber noch höher kommen, so lass das vernünftige Hinschauen<br />
und Anstarren, denn die Vernunft liegt unter dir, und werde eins mit dem<br />
Einen. Und er nennt das Eine eine göttliche Finsternis, still, schweigend,<br />
schlafend, übersinnlich.“<br />
Auf Proklos stützt sich auch Dionysius Areopagita (um 550 n. Chr.). In<br />
seiner Abhandlung über die „Unfassbarkeit Gottes“ schreibt er unter<br />
an<strong>der</strong>em: „Er allein ist <strong>der</strong> Urgrund, <strong>der</strong> allumfassende Ursprung alles<br />
Seins und Nichtseins, darin Vollkommenheit und Überschwang, die Fülle<br />
von Allem und <strong>der</strong> Verzicht auf alles und die Jenseitigkeit selbst über alles<br />
umschlossen liegt. Kein Sein und kein Nichtsein kann Ihn treffen und Ja<br />
und Nein erreichen Ihn nicht.“<br />
Auf diese Traditionen greift Tauler zurück, die noch anzureichern sind<br />
mit Platon (428/27–348/47) und Plotin (um 205–270) und die ergänzt<br />
werden müssen mit den Kirchenvätern Augustinus (354–430) und Thomas<br />
von Aquin (1225/6–1274) sowie Dominikus (um 1170–1221), den<br />
Grün<strong>der</strong> des Dominikanerordens. Etwa in dieser Zeit waren übrigens<br />
innerhalb des Buddhismus in Japan die Rinzai-Schule (Eisai 1141–1215)<br />
und die Soto-Schule (Dogen 1200–1253) entstanden. Vor allem und in<br />
beson<strong>der</strong>er Weise ist jedoch <strong>der</strong> Mystiker Meister Eckhart (um 1260–<br />
1327) zu nennen, dessen direkter Schüler Johannes Tauler war.<br />
Aufstieg aus dem Grund<br />
Für Johannes Tauler ist <strong>der</strong> Mensch immer im Aufstieg, immer in<br />
Bewegung. Denn nur so kann er zu dem Durchbruch gelangen, <strong>der</strong> ihn auf<br />
seinem Weg weiterbringt. Nicht eindimensional, son<strong>der</strong>n in drei Schichten<br />
bewegt sich nach Taulers Überzeugung <strong>der</strong> Mensch dabei von <strong>der</strong> Selbstzur<br />
Gotteserkenntnis. Eine Passage aus <strong>der</strong> Predigt „Von <strong>der</strong> Geburt Gottes<br />
im Menschen“ verdeutlicht dies: „Die Seele hat drei edle Kräfte, in denen<br />
sie ein reines Abbild <strong>der</strong> heiligen Dreifaltigkeit ist: Gedächtnis, Verstand<br />
und freier Wille. Und mittels dieser Kräfte erfasst sie Gott und ist für ihn