17.04.2014 Aufrufe

GL 1/2008 - der Lorber-Gesellschaft eV

GL 1/2008 - der Lorber-Gesellschaft eV

GL 1/2008 - der Lorber-Gesellschaft eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>GL</strong> 1/<strong>2008</strong> Weisheitsgeschichten<br />

49<br />

Stille<br />

Ein Mönch hatte sich in die Einsamkeit zurückgezogen, um in <strong>der</strong><br />

Abgeschiedenheit vom lärmenden Leben seine Zeit <strong>der</strong> Meditation und dem<br />

Gebet widmen zu können. Einmal kam ein Wan<strong>der</strong>er zu seiner Einsiedelei<br />

und bat ihn um etwas Wasser. Der Mönch ging mit ihm zur Zisterne, um das<br />

Wasser zu schöpfen.<br />

Dankbar trank <strong>der</strong> Fremde, und etwas vertrauter geworden bat er den<br />

Mönch, ihm eine Frage stellen zu dürfen: „Sag mir, welchen Sinn siehst du in<br />

deinem Leben in <strong>der</strong> Stille?“<br />

Der Mönch wies mit einer Geste auf das aufgewühlte Wasser <strong>der</strong> Zisterne<br />

und sagte: „Schau auf das Wasser! Was siehst du?“<br />

Der Wan<strong>der</strong>er schaute tief in die Zisterne, dann hob er den Kopf und sagte:<br />

„Ich sehe nichts.“<br />

Nach einer kleinen Weile for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Mönch ihn abermals auf: „Schau auf<br />

das Wasser <strong>der</strong> Zisterne. Was siehst du jetzt?“<br />

Noch einmal blickte <strong>der</strong> Fremde auf das Wasser und antwortete: „Jetzt sehe<br />

ich mich selber!“<br />

„Damit ist deine Frage beantwortet“, erklärte <strong>der</strong> Mönch. „Als du zum ersten<br />

Mal in die Zisterne schautest, war das Wasser vom Schöpfen unruhig, und du<br />

konntest nichts erkennen. Jetzt ist das Wasser ruhig - und das ist die Erfahrung<br />

<strong>der</strong> Stille: Man sieht und erkennt sich selber!“<br />

<br />

Philosophie<br />

Ehe <strong>der</strong> Besucher eine eventuelle Schülerschaft diskutierte, verlangte er<br />

von dem Meister Zusicherungen.<br />

„Könnt Ihr mich lehren, was das Ziel eines Menschenlebens ist?“<br />

„Das kann ich nicht.“<br />

„O<strong>der</strong> wenigstens seinen Sinn?“<br />

„Das kann ich nicht.“<br />

„Könnt Ihr mir das Wesen des Todes erklären und eines Lebens jenseits<br />

des Grabes?“<br />

„Das kann ich nicht.“<br />

Der Besucher ging zornig davon. Die Schüler waren betreten, dass ihr<br />

Meister eine so schlechte Figur gemacht hatte.<br />

Sagte <strong>der</strong> Meister tröstend: „Was nützt es, die Essenz des Lebens zu<br />

verstehen und seinen Sinn zu begreifen, wenn ihr es nie gekostet habt? Mir<br />

ist es lieber, ihr esst euren Pudding, als dass ihr darüber spekuliert.“

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!