GL 1/2008 - der Lorber-Gesellschaft eV
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<strong>GL</strong> 1/<strong>2008</strong> Erleuchtung im Durchbruch des Nichts<br />
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und zwei Formen können nicht zugleich nebeneinan<strong>der</strong> bestehen. Soll das<br />
Warme hinein, so muss das Kalte notwendigerweise hinaus. Soll Gott<br />
eintreten? Das Geschaffene und alles Eigene muss dafür den Platz<br />
räumen. Soll Gott wahrhaftig in dir wirken, so musst du in einem Zustand<br />
bloßen Erduldens sein; all deine Kräfte müssen so ganz ihres Wirkens und<br />
ihrer Selbstbehauptung entäußert sein, in einem reinen Verleugnen ihres<br />
Selbst sich halten, beraubt ihrer eigenen Kraft, in reinem und bloßem<br />
Nichts verharren. Je tiefer dieses Zunichtewerden ist, um so wesentlicher<br />
und wahrer ist die Vereinigung.“<br />
Sich lösen von äußeren Bil<strong>der</strong>n<br />
Zu dieser Vereinigung von Gott und Mensch, die alle Trennungen<br />
aufhebt, gehört für den Seelsorger und Prediger, dass sich <strong>der</strong> Mensch von<br />
allen Bil<strong>der</strong>n löst.<br />
„Man findet gar manchen, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> bildhaften Weise sehr bewan<strong>der</strong>t<br />
ist und große Freude an solcher Übung besitzt, aber keinerlei Zugang zur<br />
Innerlichkeit seiner Seele hat … Das kommt daher, dass sie zu sehr bei den<br />
sinnlichen Bil<strong>der</strong>n verweilen und dabei verharren und nicht vorwärts<br />
kommen und nicht in den Grund durchbrechen, wo die lebendige Wahrheit<br />
leuchtet: denn man kann nicht zwei Herren dienen: den Sinnen und dem<br />
Geist.“<br />
Seine Zuhörer for<strong>der</strong>t er auf, dass sie „die Bil<strong>der</strong> bald fahren lassen und<br />
mit flammen<strong>der</strong> Liebe durch den mittleren in den allerinnersten Menschen<br />
hindurchdringen.“ Und wie Proklus meint Tauler: „Solange <strong>der</strong> Mensch<br />
mit den Bil<strong>der</strong>n, die unter uns sind, beschäftigt ist und damit umgeht,<br />
wird er niemals in den Grund gelangen.“<br />
Für Tauler gehört existentiell zum Gelingen des Durchbruchs die<br />
Abgeschiedenheit vom Äußeren, das Aufgeben <strong>der</strong> Anhänglichkeit an<br />
Dinge, Geschöpfe o<strong>der</strong> Gewohnheiten, <strong>der</strong> Blick <strong>der</strong> Einfachheit, die<br />
Einkehr in den Grund und <strong>der</strong> Einklang mit Gott, <strong>der</strong> Grund des Menschen<br />
und sein Nichts mit all seinen Facetten, das Erkennen des Selbst, das<br />
Schweigen, damit Gott sprechen kann …<br />
Vom Gewahr-Werden zum Gewahr-Sein: hier und jetzt<br />
Tauler geht es in seinen Predigten nicht um intellektuelle Anregungen,<br />
son<strong>der</strong>n um praktische Anweisungen. Er mahnt seine Zuhörerinnen und<br />
Zuhörer immer wie<strong>der</strong>, ihrer Selbst gewahr zu werden, aufmerksam zu<br />
werden, sich zu beachten und zu beobachten, um in diesem Prozess ihrer<br />
Selbst gewahr zu sein. In <strong>der</strong> beobachtenden Teilnahme des Menschen ist